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Würzburg: Corona-Ausbruch in Würzburg: Angehörige in Sorge um Heimbewohner

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Corona-Ausbruch in Würzburg: Angehörige in Sorge um Heimbewohner

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    Blick auf das Seniorenheim St. Nikolaus (blau) der Stiftung Bürgerspital im Würzburger Stadtteil Sanderau. Es ist über einen Anbau mit dem Seniorenheim Ehehaltenhaus (recht) verbunden.
    Blick auf das Seniorenheim St. Nikolaus (blau) der Stiftung Bürgerspital im Würzburger Stadtteil Sanderau. Es ist über einen Anbau mit dem Seniorenheim Ehehaltenhaus (recht) verbunden. Foto: Daniel Peter

    Es ist eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten. Für die alten Menschen, die ihre Zimmer nicht mehr verlassen dürfen. Für die Pflegekräfte, die in Quarantäne zuhause bleiben müssen. Und für die Pflegekräfte, die noch im Seniorenheim St.Nikolaus arbeiten, und täglich befürchten müssen, dass zu den neun Todesfällen noch weitere hinzukommen. Dass das Coronavirus noch mehr der ohnehin geschwächten Menschen dahinrafft. Menschen, die keine Fremden waren, sondern denen man nahestand.

    Und dann ist es eine Ausnahmesituation für die Angehörigen der 160 Heimbewohner: Sie dürfen seit Bekanntwerden des ersten Corona-Falls in dem Würzburger Seniorenheim ihre Mütter, Väter, Omas oder Onkel nicht mehr besuchen. Müssen darauf vertrauen, dass ihre Liebsten in guten Händen sind. Dass alles getan wird, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Dass Hygiene-Vorschriften eingehalten werden und dass sie über alle wichtige Entwicklungen informiert werden – vor allem dann, wenn es einem Einzelnen schlechter geht.

    Personeller Engpass, weil auch Pflegekräfte infiziert sind

    Die Angehörigen sind verunsichert und in Sorge. Das hat die Redaktion in mehreren Gesprächen erfahren. Mehr Fragen stehen im Raum als Antworten. Was zum einen der prekären Lage im Heim geschuldet ist: Weil über 30 positiv getestete Pflegekräfte noch unter Quarantäne stehen, fehlt es an Personal. Ein Engpass, der auch durch Umschichtung aus Reha- und Geriatriezentrum des Bürgerspitals nicht aufzufangen ist.

    Angehörige berichten, sie hätten teils tagelang versucht, telefonisch durchzukommen. Wo, wie in der vergangenen Woche, Bewohner reihenweise sterben und Pflegekräfte bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung arbeiten, da leidet die Kommunikation. Die Tochter einer betagten Bewohnerin hat der Redaktion geschrieben, die Main-Post sei in Sachen Heimsituation ihre wichtigste Informationsquelle.

    1970 wurde das historische Ehehaltenhaus um das Seniorenheim St. Nikolaus (rechts) erweitert. Das Wahrzeichenen beider Heime ist die St.Nikolaus-Kapelle. 
    1970 wurde das historische Ehehaltenhaus um das Seniorenheim St. Nikolaus (rechts) erweitert. Das Wahrzeichenen beider Heime ist die St.Nikolaus-Kapelle.  Foto: Daniel Peter

    Und sie legt Wert auf Differenzierung: Alle bisherigen Corona-Fälle wurden im Heim St. Nikolaus registriert und nicht im benachbarten Ehehaltenhaus. Beide Häuser gehören zur Stiftung Bürgerspital, doch dort hat man eine genaue Verortung der Fälle bisher vermieden.

    Immerhin hatte sich Direktorin Annette Noffz in der vergangenen Woche gegenüber dieser Redaktion noch zur Situation geäußert. Seit Samstag – seit Bekanntwerden weiterer vier Todesfälle, Live-Schalten von ARD und ZDF und der Belagerung durch Boulevard-Reporter – ist das anders. Mit Verweis auf begrenzte Kapazität und Vorrang der Krisenbewältigung, beantwortet das Bürgerspital keine Einzelanfragen von Medien mehr. Man wolle künftig aber mit Pressemitteilungen regelmäßig über die Lage im Heim informieren.

    Die Angehörigen unterdessen hoffen auf möglichst direkte Auskünfte und Aufklärung. Andere Einrichtungen bieten Hotlines an oder benachrichtigen die Nahestehenden über E-Mails. Woran es derzeit nicht mangelt, sind Gerüchte und wilde Spekulationen, in der Öffentlichkeit wie bei den Angehörigen selbst.

    Bewohner dürfen nicht eingesperrt werden

    Da sind etwa Zweifel, dass das Personal die Hygiene-Vorschriften korrekt einhält – was die Stiftungsdirektorin schon vor Tagen  zurückgewiesen hat. Alle Mitarbeiter dürften die isolierten Zimmer nur mit Mundschutz und Schutzkittel betreten – was Bewohner bestätigen – und müssten die Handschuhe nach Einmalgebrauch abstreifen.

    Und Senioren, die trotz Verbot im Heim frei herumlaufen, wie ein Angehöriger berichtet? Auch Demenz-Erkrankte leben in der Einrichtung. Irren sie umher, werden sie vom Personal in ihre Zimmer zurückgebracht. So die Maßgabe. Einsperren ohne richterlichen Beschluss ist untersagt.

    Die Direktorin der Stiftung Bürgerspital Annette Noffz ist derzeit als Krisenmanagerin gefordert.
    Die Direktorin der Stiftung Bürgerspital Annette Noffz ist derzeit als Krisenmanagerin gefordert. Foto: Thomas Obermeier

    Und schließlich beschäftigt Angehörige wie Öffentlichkeit die Frage, wie das todbringende Virus ins Heim gelangen konnte. Angehörige, Pflegekräfte, mobile Bewohner selbst? Vermutlich lässt sich die Infektionsquelle tatsächlich nicht mehr genau ausmachen. Wie dann der bayerische Innenminister in der "heute"-Sendung dazu kommt, den Verdacht auf einen Pfleger zu lenken, bleibt sein Geheimnis. Oder er verfügt über weitergehende Informationen. Die Stiftungsdirektorin jedenfalls nimmt das Pflegepersonal in Schutz: "Alle arbeiten an der Belastungsgrenze. Unsere Mitarbeiter versuchen die Bewohner in dieser schwierigen Situation bestmöglich zu betreuen."

    Es gibt nicht genügend Test-Sets für alle Bewohner

    Und trotzdem ist den Angehörigen ihre Besorgnis kaum zu nehmen. Da ist die ältere Frau, die ihren Mann täglich gefüttert hat. Jetzt sind beide an Corona erkrankt – er im Heim, sie zuhause in Quarantäne. Da ist der Sohn, der nicht weiß, wie es mit seiner Mutter nach einem Sturz weitergehen soll. Da ist eine Tochter, die sich wundert, warum nicht längst alle 160 Bewohner auf Corona getestet sind.

    Die Antwort hierauf ist so einfach wie drastisch: Es gibt dafür nicht genügend Test-Sets, Nachschub ist derzeit nirgends zu erhalten. Das Heim wird somit weiterhin nur beim konkreten Verdacht und bei Symptomen einen Test veranlassen, beim Personal wie bei den Bewohnern.

    Staatsanwaltschaft sieht keine Veranlassung zu Ermittlungen

    Dass nicht alle schwerkranken Corona-Patienten, wie am Montag acht von ihnen, in der Klinik behandelt werden, liegt teilweise an Patientenverfügungen oder dem Wunsch der Angehörigen. In Abstimmung mit ihnen entscheiden die Ärzte. Wie die Behörden der Deutschen Presse-Agentur bestätigten, schließen Staatsanwaltschaft und Polizei ein Mitverschulden des Heims bei den bisherigen neun Todesfällen aus.

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