Homeoffice vom heimischen Küchentisch, verlängerte Schulferien, in jedem Fall aber rund um die Uhr Zeit mit der Familie verbringen. Was für die einen wie Urlaub klingt, ist für die anderen kaum auszuhalten. Die Vorsichtsmaßnahmen und Ausgangsbeschränkungen wegen Corona, könnten Menschen, die immer wieder Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt werden, besonders treffen, befürchten Frauenhäuser. Anlass für die Redaktion, sich bei den Jugendämtern der Region umzuhören: Haben sie seit Beginn der Corona-Pandemie mit häufigeren Fällen von Gewalt zu tun?
Verdachtsfälle sofort melden
Gunther Kunze, Fachbereichsleiter des Jugendamts Würzburg, berichtet, das Amt habe bereits zu Beginn der Pandemie Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten. Mitarbeiter im allgemeinen Sozialdienst achteten vermehrt auf Anzeichen von häuslicher und sexueller Gewalt, auch die Erzieher an Kindertagesstätten wurden gebeten, Verdachtsfälle sofort zu melden. In Würzburg ist die Anzahl der Übergriffe nicht gestiegen, auch einige andere Jugendämter in der Region haben keine Zunahme festgestellt. Andere können aktuell noch keine Aussage treffen.
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Sorgen macht sich Klaus Rostek, Leiter des Jugend- und Familienamts im Landkreis Würzburg, da wegen der Pandemie der direkte Kontakt zwischen Lehrern, Erziehern und Kindern wegfällt. "Der digitale Kontakt kann das nicht ausgleichen", sagt er. Über die digitalen Medien können die Bezugspersonen etwaige Probleme nicht so einfach erkennen, wie wenn sie dem Kind direkt in die Augen sehen können. Auch die Möglichkeit, "dass wir die Dinge erst im Nachhinein feststellen", beunruhigt den Leiter des Jugendamts.
"Der unmittelbare Kontakt zu den Kindern fehlt, der digitale Kontakt kann das nicht ausgleichen."
Klaus Rostek, Leiter des Jugend- und Familienamts des Landkreis Würzburg
Thomas Götz, Jugendamtsleiter Main-Spessart vermutet, dass die Missbrauchsmeldungen zeitverzögert auftreten werden: "Aktuell bekommen wir viel nicht mit, da läuft einiges unter dem Radar." Momentan gibt es in den Kindertagesstätten Notbetreuungen, die als "Schutz- und Überwachungsfunktion" dienen. "Das wird auch wahrgenommen", berichtet der Amtsleiter. Trotzdem könne er niemanden dazu zwingen, das Angebot zu nutzen: "Einige Kontrollmechanismen fallen einfach weg." Im Main-Spessart gibt es einen leichten Zuwachs von zwei bis drei Meldungen pro Woche, denen die Mitarbeiter des Amtes nachgehen.
Wegen Corona sollen die Mitarbeiter "Face-to-Face"-Kontakte zwar vermeiden, so das Landratsamt Bad Kissingen. Gibt es jedoch Anzeichen für eine Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen, finden Hausbesuche und Gespräche im Amt mit den entsprechenden Schutzmaßnahmen statt. Ähnlich beim Landratsamt Schweinfurt: Beratungen laufen telefonisch ab, für Hausbesuche bekommen Mitarbeiter Mund-Nasen-Schutz, Einmalhandschuhe sowie Desinfektionsmittel.
Plakataktion und Onlinehilfe
Zum Schutz gegen häusliche Gewalt hat das Jugendamt Würzburg eine Plakataktion gestartet. In Kindertagesstätten und Beratungsstellen finden Betroffene unter dem Titel „Stress zu Hause? Reden hilft!“ Informationsplakate, wie sie im Notfall vorgehen können. Wer das Jugendamt Würzburg bei der Plakataktion unterstützen möchte, kann sich Informationsmaterial und Plakat hier herunterladen. Auch die Bundesregierung hat ein Hilfsangebot für Kinder und Jugendliche gestartet. Auf der Webseite www.kein-kind-alleine-lassen.de finden Betroffene Kontakt zu Beratungsstellen. Auch Erwachsene bekommen Informationen, was sie gegen familiäre Gewalt in der Corona-Krise unternehmen können.
Die wichtigsten Hilfestellen für BetroffeneDas Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" bietet Betroffenen die Möglichkeit, sich zu jeder Zeit anonym, kompetent, sicher und barrierefrei beraten zu lassen: Tel. (0800) 116 016.
Die "Nummer gegen Kummer“ bietet Telefonberatung für Kinder, Jugendliche und Eltern. Das Kinder- und Jugendtelefon ist unter der Nummer 116 111 zu erreichen (Montag bis Samstag jeweils von 14 bis 20 Uhr).
Kinder können sich auf der Internetseite www.kein-kind-alleine-lassen.de per Chat, Mail oder Telefon Hilfe suchen.
Telefonseelsorge der katholischen Kirche: (0800) 1110222. Der evangelischen Kirche: (0800) 1110111
Hilfetelefon "Schwangere in Not“: (0800) 40 400 20
Rat und Infos zur Bewältigung der Corona-Zeit gibt’s beim Krisentelefon des Evangelischen Beratungszentrums Würzburg, Tel. (0931) 305010 (Mo-Fr 9-12 Uhr und 14-17 Uhr)
Frauennotruf bei Wildwasser Würzburg e.V.: Tel. (0931) 13287 0
Frauenhäuser:
- Arbeiterwohlfahrt, Bezirksverband Unterfranken, Tel. (0931) 61 9810
- SkF – Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Würzburg, Tel. (0931) 45 00777
- Region Main-Rhön in Scheinfurt, Tel. (09721) 786030
Im Notfall immer die Polizei rufen unter: 110