Mädchen, die nach 2010 und alle Jungen, die nach 2015 geboren wurden, könnten das noch erleben: die Zeit um das Jahr 2100 in Unterfranken, in der, nach jetzigem Stand, bis zu 52 Hitzetage im Jahr Durchschnitt werden. Unterfranken ist ein "Hotspot des Klimawandels", sagt Klimaforscher Heiko Paeth von der Universität Würzburg. Der Geografieprofessor befasst sich seit Jahren mit den Folgen des menschengemachten Klimawandels. Er betreibt hoch aufgelöste, bis auf den einzelnen Kilometer genaue, regionale Klimamodelle in Asien, im Mittelmeerraum, ebenso wie in der Region.

Ein Tag gilt als Hitzetag, wenn das Thermometer über die 30 Grad-Marke klettert, der Mittelwert aus Tag- und Nachttemperatur 25 Grad nicht unterschreitet und es in unseren Breiten dann auch nicht regnet. Einem Hitzetag folgt oft eine Tropennacht, in der es nicht kühler als 20 Grad wird. Zum Vergleich: Für frühere Generationen in Unterfranken galten zwei Hitzetage pro Jahr als normal. Während des Sommers 2003 wurden bereits 35 Hitzetage in Unterfranken gezählt. Statistisch gesehen galt dies als 500-jähriges Ereignis. Doch es wurde nur 15 Jahre später getoppt: mit 37 Hitzetagen im Jahr 2018!

"Wir merken, wie sich der Klimawandel auf unsere Lebensqualität, auf Lebensrisiken und auf unser Portemonnaie auswirkt."
Klimaforscher Heiko Paeth
"Wir fangen an, die Folgen des Klimawandels regional zu spüren, vor allem die allgegenwärtige Trockenheit, die Waldbrände, das Niedrigwasser. Wir merken, wie sich der Klimawandel auf unsere Lebensqualität, auf Lebensrisiken und auf unser Portemonnaie auswirkt", sagt Heiko Paeth. Es zeichne sich ab, dass wir künftig in unserer Landwirtschaft bewässern müssen, dass sich kaum neues Grundwasser bildet und dass wir Wasser- und Trinkwasserprobleme bekommen könnten.
Während sich die Erde seit Beginn der flächendeckenden Messungen im Jahr 1881 um 0,9 Grad erwärmt hat, waren es im gleichen Zeitraum in Unterfranken 2 Grad. Das ist mehr als doppelt so viel wie der globale Durchschnitt. Bei ausbleibender ökonomisch-ökologischer Kehrtwende rechnet der Klimaforscher im Winter wie im Sommer mit vier bis fünf Grad Erwärmung im Maintal, mit 20 bis 30 Prozent weniger Niederschlag im Winter und mit etwa zehn Prozent mehr Niederschlag im Sommer.

"Unterfranken hatte schon immer das wärmste und trockenste Klima Bayerns und stößt nun in Temperaturbereiche vor, die es bisher noch nicht in unseren Breiten gab."
Lothar Zimmermann, Meterologe der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft
"Unterfranken hatte schon immer das wärmste und trockenste Klima Bayerns und stößt nun in Temperaturbereiche vor, die es bisher noch nicht in unseren Breiten gab", sagt Lothar Zimmermann, Meterologe der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft. Die Region starte aus einem warm-trockenen Klima in eine heiße, sehr trockene Klimazukunft. Ähnlich ergehe es dem Oberrheingebiet in Baden-Württemberg, der Pfälzer Weinstraße oder dem Hessischen Ried.
Die Folge: Viele heimische Tier- und Pflanzenarten stoßen an ihre Grenzen während sich Schädlinge oder Stechmücken, die tropische Krankheiten übertragen, hierzulande immer wohler fühlen.

Brütend heiße Innenstädte im Sommer bereiten vielen Menschen gesundheitliche Probleme. In Würzburg könnte es aufgrund der Kessellage besonders unangenehm werden. Schon heute gibt es an manchen Tagen einen städtischen Wärme-Insel-Effekt, also einen Temperaturunterschied zwischen Stadtmitte und Gauflächen, von bis zu sechs Grad. Diese sechs Grad in Kombination mit fünf Grad Erwärmung sowie einer Häufung der Hitzetage könnten das Leben in den Innenstädten nachhaltig verändern. "Viele Städte haben noch gar nicht realisiert, was auf sie zukommt", sagt Hermann Kolesch, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG).
Da grüne Lungen in den Städten immer wichtiger werden, forscht die LWG mit den Physikern des Bayerischen Zentrums für angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) an begrünten Klimafassaden. Klimabäume wie Silberlinde, Esskastanie oder Spaethsche Erle werden am Würzburger Hubland oder im Veitshöchheimer Neubaugebiet im Landkreis Würzburg gepflanzt.
"Viele Städte haben noch gar nicht realisiert, was auf sie zukommt."
Hermann Kolesch, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau
Doch die größte Herausforderung im trockenen Nordbayern wird in Zukunft das nachhaltige Wassermanagement. Darin sind sich Experten der Regierung von Unterfranken, der LWG und der Wasserwirtschaft einig. Denn Unterfranken wird immer trockener. Das letzte Mal, dass sich reichlich neues Grundwasser gebildet hat - mehr als 150 Millimeter im Jahr - war vor 16 Jahren. Vorrang hat die öffentliche Trinkwasserversorgung. Sie macht derzeit über 90 Prozent aller Grundwasserentnahmen in Unterfranken aus. Weniger als zehn Prozent des entnommenen Wassers wird für die Landwirtschaft genutzt. Digital gesteuerte, effiziente Bewässerungstechnologien wie im Weinbau sind im Kommen. "Wir sind der Gesellschaft verpflichtet, dass wir keinen Tropfen verschwenden", sagt Kolesch.
Eine Lösung ist, künftig mehr Wasser aus der niederschlagsreichen Zeit zwischenzuspeichern und dem heimischen Obst,- Gemüse,- und Weinbau in den langen Trockenperioden zuzuführen, wie dies etwa im niedersächsischen Uelzen in großen Speicherseen oder einem Elbe-Seitenkanal getan wird. In einem anderen Projekt untersuchen Experten der TU München mit dem Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen am Beispiel der Schweinfurter Trockenplatte, ob man künftig sogar, ähnlich wie in Israel oder in Kalifornien, gereinigtes Abwasser aus Kläranlagen und industrielle Produktionsabwässer so aufbereiten kann, dass sie zur Bewässerung verwendet werden können.
Doch neben all der Hitzetage werden Unterfranken auch in Zukunft die Spätfröste bleiben. Dies bringt die Pflanzen in Bedrängnis, die aufgrund der milden Winter mit der Vegatationsphase früher beginnen. Auch viele mediterrane Arten, die mit Trockenheit besser zurecht kommen, tolerieren keinen Frost.

Ernteschäden durch Hagel oder Erdrutsche durch Starkregen wird es künftig ebenfalls häufiger in der Region geben. Klimaforscher Heiko Paeth sagt: "Ich bin mir nicht mehr sicher, ob das rein physikalische Ausmaß des Klimawandels bei uns glimpflicher ablaufen wird als in der Sahelzone oder in Ostafrika. Wir werden auch mit Dürren kämpfen müssen und haben gleichzeitig einen hohen Wasserbedarf. Wir werden mit lebensbedrohlichen Extremereignissen, vom Tornado über den Winterzyklon bis hin zu Überschwemmungen und Hitzegewittern, konfrontiert."
Ein Lichtblick: Unsere Gesellschaft ist durch Technologie und Versicherungswesen relativ widerstandsfähig. Anders als jene Regionen der Erde, die ihren Bewohnern schon heute nicht mehr genügend Lebensgrundlagen bieten.