Dieses Jahr feiert der Würzburger Friedenspreis sein 25-jähriges Jubiläum. Im Jahr 1995 wurde er erstmals verliehen – 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Zerstörung Würzburgs. "Gewürdigt werden und wurden Personen oder Gruppen aus der Region Unterfranken, die sich aktiv für Frieden, gewaltfreie Konfliktlösung oder die Unterstützung bedrohter Menschen eingesetzt haben und einsetzen", erklärte Thomas Schmelter vom Vorbereitungsausschuss Komitee Würzburger Friedenspreis bei einer Veranstaltung in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG).
Dort kamen Preisträger vergangener Jahre anlässlich des Jubiläums zusammen, um sich zu vernetzen und interessierten Bürgern in Form eines Speed-Datings ihre Projekte zu präsentieren. Man wolle die Arbeit der bisherigen Preisträger seit 1995 noch einmal in den Mittelpunkt stellen, so Schmelter. Der Friedenspreis 2019 ging übrigens im Sommer an die Mobile Flüchtlingshilfe mit dem Projekt "Hermine" (wir berichteten). Zum Jubiläum stellt diese Redaktion eine Auswahl der Preisträger aus den 25 Jahren vor:
Ausländerbeirat gegründet

1995: Der 1995 erstmals vergebene Würzburger Friedenspreis ging an den vorläufigen Ausländerbeirat in Würzburg. Ausgezeichnet wurde damit eine Gruppierung von engagierten Ausländern und Deutschen, die sich die Interessenvertretung der ausländischen Mitbürger in der Stadt Würzburg und das Zusammenwachsen der Menschen verschiedener Herkunft zum Ziel gesetzt hatten. Eine Willkommenskultur für Ausländer oder Konzepte zur Integration - wie sie heute vorliegen - habe es damals nicht gegeben, sagt der Würzburger Stadtrat Antonino Pecoraro, der den Ausländerbeirat mitgründete beim Speed-Dating in der KHG.
Der Vorläufige Ausländerbeirat in Würzburg setzte einen wesentlichen Beitrag zum innergesellschaftlichen Frieden und ein Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Würzburg sei 1995 die einzige größere bayerische Stadt gewesen, in der es noch keinen Ausländerbeirat gab."Wir waren stolz auf den Friedenspreis, denn damals waren wir hier Pioniere auf dem Gebiet und mussten uns Widerständen entgegen stellen", erzählt der gebürtige Italiener.

Verein "Ofarin" unterrichtet
2006: Peter Schwittek aus Randersacker und seine Frau Anne-Marie sind die Träger des zwölften Würzburger Friedenspreises. Mit ihrem Verein Ofarin (Organisation zur Förderung afghanischer regionaler Initiativen und Nachbarschaftshilfen) ist das Ehepaar seit 1996 in Afghanistan tätig. "Bis zu zwei Drittel des Jahres leben wir auch dort", erzählt Anne-Marie Schwittek. Ihr Schwerpunkt lag von Anfang an beim Aufbau von Schulprojekten in Moscheen.

Während der Dürre von 2000 bis 2004 engagierte sich Ofarin auch in der Nothilfe, etwa für die Wasserversorgung. Während des Krieges gegen die Taliban-Herrschaft 2002 unterstützte der Verein die medizinische Versorgung in Kabuler Krankenhäusern. Für das Engagement gab es 2006 den Würzburger Friedenspreis. "Das gab unserem Verein natürlich Aufwind", so Schwittek. 2017 besuchten 9000 Schüler den Unterricht. Dann habe leider der Hauptgeldgeber Misereor seine finanzielle Unterstützung eingestellt. Die Begründung: Die Sicherheitslage in Afghanistan mache es Misereor schwer, eigenes Personal in die Projekte zu schicken. Lehrer und Trainer mussten entlassen werden und nur noch an die 4000 Kinder konnten unterrichtet werden, erzählen die Schwitteks.
Doch wegen des großen Erfolges des Projekts arbeiteten über 50 Lehrer erstmal ohne Bezahlung weiter. Auch gab es viele Ermunterungen und Unterstützung, die Arbeit fortzusetzen. „Wenn es in Afghanistan Fortschritte geben soll, dann geht das nur über schulische Bildung“, da ist sich das Ehepaar Schwittek einig. Ofarin beschloss, das Programm fortzusetzen und ist momentan dabei, aus den Menschen, denen das Moschee-Schulprogramm ein Anliegen ist, ein Netzwerk von Partnern zu knüpfen, damit möglichst viele afghanische Kinder lesen, schreiben und rechnen lernen können.
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Inititiave gegen Gentechnik
2010: "Pflanzenfülle und Lebensqualität statt Monopole und Konzernmacht!" heißt es auf der Homepage der Initiative "Wir für Vielfalt" aus dem Landkreis Kitzingen. Für ihren konstruktiven und gewaltfreien Widerstand gegen Gentechnik bekam die Initiative, die damals noch „Frauen für die Vielfalt“ hieß, 2010 den Würzburger Friedenspreis verliehen.

Die Gruppe entstand aus dem Widerstand gegen Gentechnik im Raum Kitzingen und setzt sich in sehr kreativ gestalteten Aktionen und Informationsveranstaltungen für die Erhaltung der Pflanzenvielfalt und natürlicher Lebensräume ein, die durch die so genannte Agro-Gentechnik massiv bedroht werden, erklärt Mitstreiterin Petra Haas-Weiglein. "Wir wollen zeigen, wie jeder Einzelne an der Erhaltung unserer natürlichen Lebensräume aktiv mitwirken kann."
So informiert das Team auf regionalen Veranstaltungen und mithilfe von begleitenden Kinofilmen über das Thema und bietet immer wieder eine Saat- und Pflanzgut-Tauschbörse an, damit wertvolles Saatgut nicht verloren geht. "Der Friedenspreis hat unsere Projekte nochmal gepuscht", sagt Haas-Weiglein. Auch Projekte in Kindergärten seien in Planung.
Für die Völkerverständigung
2011: Für seinen außergewöhnlichen Einsatz für Völkerverständigung und die Integration von Flüchtlingen wurde der äthiopische Journalist Addis Mulugeta 2011 mit dem 17. Würzburger Friedenspreis geehrt.
Aufgrund seiner regimekritischen Berichterstattung über Missstände in Äthiopien floh er nach wiederholter Inhaftierung aus seinem Heimatland. Im März 2010 kam er in die Würzburger Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylbewerber. Dort entwickelte er die Idee eines Magazins als Stimme der Flüchtlinge, so entstand „Heimfocus“. Als finanziellen Unterstützer konnte er die Druckerei "Flyeralarm"Würzburg gewinnen, erzählt Mulugeta.

Die erste Ausgabe von "Heimfocus Magazin – Voice for Refugees" erschien im August 2010. Mit fünf Ausgaben und einer Auflagenhöhe von 2500 Exemplaren wurde "Heimfocus" eine Erfolgsgeschichte. Immer mehr Flüchtlinge und auch Deutsche trugen mit Artikeln über die Fluchtgeschichte, Bewusstseinsänderung, Annäherung und Integration zum Gelingen bei.
Zudem riefen Addis Mulugeta und andere Bewohner der Würzburger GU damals das "Heimcafé" ins Leben, ein weiteres Angebot, um den Flüchtlingen, aber auch interessierten deutschen Bürgern, eine Begegnungsmöglichkeit zu bieten. Er baue Brücken und schließe Gräben zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, lobte das Friedenspreis-Komitee.
Heute hat Addis Mulugeta seinen Master in Wirtschaftswissenschaften (FH) in der Tasche und macht derzeit eine weitere Qualifikation an der Bayerischen Verwaltungsschule.
Friedliches Zusammenleben
2018: Über den 24. Friedenspreis freuten sich die Schüler des Projekts "Krass" (Klub Rassismus ablehnender Schülerschaft) am List-Gymnasium in Gemünden am Main. Dort engagieren sich derzeit etwa 30 Schüler gemeinsam mit Betreuungslehrer Jürgen Endres gegen Rassismus und für eine kritische Erinnerungskultur.

Mit der Verleihung im vergangenen Jahr würdigte das Friedenspreiskomitee die beharrliche und vielfältige Arbeit der Schüler für ein friedliches Zusammenleben. Krass erreiche Flüchtlinge, Mitschüler und Mitbürger der Kommune Gemünden, dies sei ein besonders preiswürdiges Beispiel präventiver Friedensarbeit, das zur Nachahmung einlade, hieß es vom Komitee.
Schon 2002 gründeten List-Gymnasiasten die Gruppe Krass, immer übernahmen Jüngere, wenn die Älteren die Schule nach dem Abitur verließen. Unter dem Motto "Liebe im Karton" packten sie in einem Jahr Päckchen für die Kinder in griechischen Flüchtlingscamps, im anderen für bedürftige Kinder in ihrer Region. Als 2015 100 Flüchtlinge in der Schulturnhalle in Gemünden strandeten, halfen die Schüler sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Verpflegung und einem Programm für die Flüchtlingskinder, berichtet Endres.
Momentan stehen besonders Aktionen zur Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs auf dem Plan. So beteiligt sich Krass am Würzburger Denkmal "DenkOrt Deportationen 1941 – 1944 ", das an die Deportation und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung aus Unterfranken vor fast 80 Jahren erinnern soll.

Im Zuge dessen hat der Gemündener Betonkünstler Paul Bode neben zwei Koffern stellvertretend für die jüdischen Gemeinden Gemünden und Adelsberg auch einen Rucksack entworfen, mit dem die Schüler des Friedrich-List-Gymnasiums an den Gemündener Buben Nathan Weinberg erinnern. Er war als Fünfjähriger deportiert und ermordet worden. Der Rucksack und ein Koffer stehen auf der Mauer zwischen Mühltorstraße und Plattnersgasse nahe dem einstigen Standort der Synagoge.
Würzburger FriedenspreisGetragen, verliehen und finanziert wird der Würzburger Friedenspreis vom Komitee Würzburger Friedenspreis. Personen oder Gruppen, die die Konzeption des Würzburger Friedenspreises unterstützen wollen, können Mitglieder darin werden. Das Komitee trifft sich bis zu dreimal im Jahr, um das Konzept des Friedenspreises weiterzuentwickeln, die Mitglieder zu vernetzen, Vorschläge für Preisträger zu sammeln und letztlich einen Preisträger zu wählen. Stimmberechtigt sind im Komitee diejenigen, die 20 Euro (als Einzelpersonen) bzw. 80 Euro (als Gruppe) zum Preisgeld und zu den Kosten beigesteuert haben. Das Komitee wählt einen Vorbereitungsausschuss, der zwischen den Komitee-Treffen das Projekt voran trägt. Interessiert? Mehr Infos unter www.wuerzburger-friedenspreis.de.