Würzburg soll fahrradfreundlicher werden. Das ist das Ziel des Radverkehrskonzeptes, das die Stadt im Herbst beschloss und mit dem sich eine Serie der Main-Post beschäftigt. Im zweiten Teil geht's um dich Sicherheit: Wer aufs Rad steigt, möchte möglichst unfallfrei unterwegs sein.
Das gelingt nicht immer: Im vergangenen Jahr gab es in der Stadt 213 Unfälle mit Radfahrerbeteiligung und 176 verletzte Radler. 2015 waren es 182 Radler-Unfälle mit 151 Verletzten. Unfallschwerpunkt ist der Berliner Ring. Häufig passieren die Unfälle beim Ab- oder Einbiegen oder bei falscher Straßenbenutzung. Und radelnde Kinder sind in Würzburger gefährdeter als anderswo.
Dies geht aus Aussagen der Polizei und vor allem aus der „Analyse der Verkehrssicherheit“ hervor – ein Bestandteil des Radverkehrskonzeptes: Wenn man etwas verbessern will, muss man zuerst wissen was, warum und wo. Dazu wertete das Aachener Büro für Stadt- und Verkehrplanung, das das Konzept erstellte, Unfälle mit Radfahrerbeteiligung zwischen 2011 und Mitte 2014 aus.
Schutzstreifen auf der Fahrbahn
In diesem Zeitraum ereigneten sich in der Stadt 555 polizeilich erfasste Unfälle mit Radfahrerbeteiligung. 501 Radler wurden dabei verletzt, drei Radler starben. Bei rund 75 Prozent der Unfälle kamen die Radler mit leichten Verletzungen davon. Unfallversucher waren die Auto- und die Radfahrer nahezu zu gleichen Teilen. Bei einem Viertel der Unfälle war der Radfahrer allein beteiligt.
Weit über ein Drittel der Unfälle passierte beim Abbiegen und Kreuzen. Vor allem, wenn der Radfahrer neben der Fahrbahn – auf einem Radweg oder einem abgetrennten Radstreifen fährt –, wird er laut den Untersuchungen „oftmals vom ein- oder abbiegenden Kfz übersehen“.
„Damit bestätigt sich auch für Würzburg, dass Radfahren abseits der Straße gefährlicher sein kann als auf der Fahrbahn“, kommentiert Hans-Jürgen Beck vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) und Mitglied im Radverkehrsbeirat der Stadt die Situation.
Die Radfahr-Interessenverbände plädieren dafür, die Radfahrer nicht auf Radwege zu „verbannen“, sondern sie im Sichtbereich der Autofahrer und gleichberechtigt auf der Straße fahren zu lassen – möglichst auf Schutzstreifen auf der Fahrbahn.
Fahren in falscher Richtung
Das unfallträchtige Problem beim Ab- und Einbiegen bestätigt Fritz Schneider, Verkehrsexperte der Würzburger Polizei. Deutlich werde das vor allem beim Unfallschwerpunkt Nummer eins, dem Berliner Ring, mit seinem umlaufenden Radweg und den vielen Ein- und Ausfahrten. Fünf Unfälle gab es dort im vergangenen Jahr. Drei allein, weil Radler dort gerne abkürzen und den Radweg in entgegengesetzter Fahrtrichtung fahren: „Damit rechnen die Autofahrer nicht.“
Die „falsche Straßenbenutzung“ ist laut Polizei häufigste Ursache bei den Radunfällen. Dazu zählen besagtes Radeln entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtungen sowie Fahren auf dem Gehweg. Letzteres verunsichere vor allem ältere Fußgänger und sei eine Gefahr an Grundstückausfahrten, sagt Schneider.
Die Unfallschwerpunkte mit Radlern sind laut Konzept-Analyse der Berliner Ring und der Röntgen-/Haugerring zwischen Klinikstraße und Haugerglacisstraße. Weitere unfallträchtige (Kreuzungs)bereiche: nördlich der Laurentiusbrücke im Gewerbegebiet West, westlich der Friedensbrücke, Alte Mainbrücke/Zellerstraße, Virchowstraße/Sanderglacisstraße, Johanniterplatz/Neubaustraße.
Mehr Sicherheit für Kinder nötig
Zudem herrscht in Würzburg für radelnde Kinder „eine mittlere bis höhere Unfallbelastung“. Im bundesdeutschen Vergleich sinken die Unfälle mit Kindern in Würzburg deutlich weniger. Im Konzept werden daher Sicherheitskampagnen an Schulen und für Eltern empfohlen.
„Diese Kampagnen müssen aber deutlich über die üblichen Trainingsmaßnahmen für Verkehrssicherheit hinausgehen“, betont Jochen Kleinhenz, Mitarbeiter bei der Arbeitsgemeinschaft Radverkehr der Lokalen Agenda 21.
„Wenn Kinder und Jugendliche zum Beispiel über eine Smartphone-App ihre täglichen Fuß- und Radwege dokumentieren und Gefahrstellen benennen können, ergibt sich daraus ein klares Bild der Stellen, an denen Handlungsbedarf besteht“, schlägt Kleinhenz vor.
„Selbstverständlich müssen auch Autofahrer ,trainiert‘ werden, vor Schulen und Kindergärten erhöhte Vorsicht walten zu lassen. Und es müssen großflächig Tempo-30-Zonen eingerichtet und überwacht werden“, fordert ADFC-Vertreter Beck.
Die gefühlten Gefahren
Das Radwegekonzept beschäftigt sich auch mit dem „subjektiven Gefährdungsempfinden“ der Radfahrer. Hierzu lieferten Befragungen bei Bürgerveranstaltungen und im Radverkehrsbeirat Informationen. Insbesondere wurden Kreuzungsbereiche und Querungsstellen als Gefährdungsbereiche genannt: fehlende Radaufstellstreifen für Linksabbieger an Ampelkreuzungen wie an der Ecke Neubaustraße/Ottostraße, Bahnhofstraße/Röntgenring oder Mainkai/Karmelitenstraße sowie nicht eindeutige Querungen wie am Stadtring Süd/Kantstraße bei der Ausfahrt zur Sanderau, bei der Einmündung der Unterdürrbacher in die Veitshöchheimer Straße, der Übergang von der Mergentheimer Straße auf den Radweg an der Maria-Theresia-Promenade oder der Kreuzungsbereich Alte Mainbrücke/Zeller Straße.
Fehlende oder mangelhafte Radverkehrsführungen werden von Betroffenen als weitere Gefahrenquellen genannt: entlang des Röntgen-/Haugerrings, der Ludwigstraße, der Dreikronenstraße, der Nürnberger Straße, der Werner-von-Siemens-Straße. Oft wird auch das abrupte Ende von Radwegen bemängelt wie an der Balthasar-Neumann-Promenade/Residenzplatz, an der Leistenstraße stadteinwärts oder Am Willy-Brandt-Kai stadteinwärts.
Brennpunkt Löwenbrücke
Ein häufig genannter Brennpunkt ist die Löwenbrücke. Auch wenn sie nicht als Unfallschwerpunkt gilt, fühlen sich Radfahrer durch den Autoverkehr und die Straßenbahn-Gleise unsicher. Zudem sind die Anbindungen an die umgebenden Straßenzüge für sie problematisch. Das sollte ein Konzept der Stadtverwaltung, unter anderem mit einem Radweg auf der Brücke, ändern – und fiel bei den Interessenvertretern der Radfahrer durch.
„Es bringt nichts, dass auf der Brücke eine ganze Fahrspur für den Radverkehr reserviert werden soll, wenn dadurch die Anbindung umständlicher und nicht in einem Durchgang ermöglicht wird“, kritisiert Jochen Kleinhenz von der AG Radverkehr. Bei der Planung würde der Auto-Verkehr optimiert, Radfahrer und Fußgänger müssten aber weiterhin zurückstecken. Seitdem der Radverkehrsbeirat die Planungen abgelehnt hat, ist von einem radfahrerfreundlichen Konzept keine Rede mehr. Stadtbaurat Christian Baumgart sieht an und auf der Brücke jedenfalls „keine sicherheitsrelevanten Probleme“.