Als am 8. Januar die Proteste der Landwirte begonnen haben, berichteten wir von 6 Uhr früh bis in den späten Abend mit etwa 20 Reporterinnen und Fotografen vom Tag. Sie fuhren im Traktor mit, führten Interviews, filmten, fotografierten und erklärten, wo wann in Unterfranken mit welchen Aktionen zu rechnen ist. Seither veröffentlichen wir jeden Tag Beiträge, in denen es um Proteste und Anliegen der Landwirtinnen und Landwirte geht: Wir stellen Bauern und Bäuerinnen vor, die Einblick in ihren Alltag geben oder vorrechnen, was sie verdienen.
Wir veröffentlichen Interviews mit Politikern wie Manfred Weber (CSU), der die Proteste der Bauern als "bürgerschaftliches Engagement" bezeichnet. Wir führen auch Interviews mit Landwirtinnen, die die Machtstrukturen zwischen Bauernverband, CSU und Freien Wählern kritisieren. Politiker nahezu aller Parteien kommen zu Wort. Auf Leserbriefseiten und in Kommentarspalten auf mainpost.de vertreten Menschen unterschiedliche Ansichten und diskutieren über die Proteste. Von dieser Vielfalt der Perspektiven lebt unsere Demokratie.
Die Redaktion verfolgt keine politische Agenda
Aufgabe der Medien ist es, diese Vielfalt sichtbar zu machen, unter der Voraussetzung, dass die Fakten stimmen. Eine politische Agenda verfolgt die Redaktion nicht – die breite Berichterstattung ist ein klarer Hinweis darauf.
Während wir täglich berichten, machen auf Sozialen Medien Postings die Runde, wie dieses: "Das einzige deutsche Medium, das über die zahlreichen Bauernproteste berichtet, ist der Verkehrsfunk." Vor der Redaktion in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) lädt ein Unbekannter nachts einen Haufen Silage ab und stellt ein Schild dazu, auf dem steht: "Das Volk hat ein Recht zu Erfahren was auf den Strassen los ist!!" Es ist der haltlose Vorwurf, die Redaktion würde gezielt etwas verheimlichen.
Ein Demonstrant erklärt einem Reporter unserer Redaktion den Krieg
Ein Mann aus dem Landkreis Haßberge spricht bei der Veranstaltung "Bauern, Handwerker und Bürger gemeinsam" am 21. Januar in Schweinfurt in ein Mikrofon. Er bezeichnet einen unserer Reporter als "extremen Schmierfink" und sagt: "Dem erkläre ich offiziell den Krieg." Und weiter: "Wir werden die Main-Pest ausschalten, da kann er sich drauf verlassen, dass die entweder die Wahrheit schreiben oder gar nichts mehr." Anlass war der Bericht des Journalisten über Aktivitäten in einer Chat-Gruppe, in der Haßberge-Landrat Wilhelm Schneider bedroht worden war, woraufhin dieser Anzeige erstattete.
Im Landkreis Main-Spessart organisiert der Besitzer einer Motoren-Werkstatt eine Protestfahrt rund um Karlstadt für den 9. Februar. Nach unserer Berichterstattung darüber zieht er mit etwa 50 Mitstreitern zu einer angemeldeten Protestaktion vor die Redaktion in Marktheidenfeld. In dem Bericht sah der Veranstalter seine Anliegen nicht ausreichend dargestellt. Es sei nicht nur um Landwirte gegangen, sondern auch um die Sorgen des Mittelstands. Außerdem seien Kommentare eines Lesers unter dem Text auf mainpost.de voller falscher Vorwürfe gewesen.
Die Redaktion lässt sich keine einseitigen Bedingungen für ein Gespräch vorschreiben
Ein Gesprächsangebot der Redaktion hat der Veranstalter abgelehnt. Er bestand darauf, öffentlich vor Publikum mit einem Vertreter der Redaktion zu sprechen. Das hat die Redaktion abgelehnt, auch weil der Mann in vorausgehenden Gesprächen konfrontativ aufgetreten war und wir uns keine einseitigen Bedingungen für ein Gespräch vorschreiben lassen. Auf Nachfrage sagte der Mann, dass er die Main-Post nicht lese. Gegen die Berichterstattung protestiere er dennoch, denn er bekäme ja Artikel zum Beispiel in WhatsApp-Gruppen zugeschickt.
Vertreter von Bauernverband und LSV Bayern bedauern, was teilweise passiert
Gute Erfahrungen macht die Redaktion mit Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern von Bauernverband und "Landwirtschaft verbindet Bayern" (LSV). Von Beginn an haben die beiden großen Interessenvertretungen klar gemacht, dass sie ihre Proteste sachlich und konstruktiv gestalten wollen. Von Aktionen, bei denen Journalisten bedroht werden oder Dreck vor einer Redaktion abgeladen wird, distanzieren sich offizielle Vertreter der beiden Organisation deutlich. Sie bedauern, dass so etwas geschieht.

Gespräche mit ihnen verlaufen in der Regel ruhig und wertschätzend. So etwa Ende Januar, als eine Abordnung von Bauernverband und "Landwirtschaft verbindet Bayern" in Schweinfurt im Umfeld des Neujahrsempfangs der Main-Post auf ihre Anliegen aufmerksam machte. Das Gespräch mit der Chefredaktion war auch kritisch, blieb aber immer freundlich und sachlich. Es folgte eine Einladung zum vertiefenden Treffen, das im März in der Redaktion stattfinden wird. Mit dabei wird Stefan Köhler sein, der unterfränkische Bauernpräsident.
Ein Landwirt ist "überwältigt", wie viele Artikel in den letzten Wochen erschienen sind
Auch kritische Briefe von Landwirtinnen und Landwirten erreichen die Redaktion. Häufig taucht der Wunsch nach "positiver Berichterstattung" auf. Immer wieder machen wir klar, dass wir nicht "positiv" oder "negativ" berichten. Zwar kann nicht jeder einzelne Bericht ausgewogen sein, etwa wenn ein Gesprächspartner in einem Interview seine persönliche Sicht schildert. Die Berichterstattung über einen längeren Zeitraum ist es aber im Großen und Ganzen schon.
Das bestätigen auch Kritiker. Ein Landwirt aus dem Landkreis Main-Spessart schreibt in einem Brief an die Chefredaktion: "Generell berichten Sie sehr voreingenommen und einseitig über die Sachverhalte." Die Chefredaktion antwortet und legt ein Dossier mit etwa 50 Beiträgen der vorausgegangenen Wochen bei. Der Landwirt meldet sich daraufhin mit einem zweiten Brief, darin schreibt er: "Ich muss doch sagen, ich bin überwältigt, wie viele Artikel in den letzten Wochen in der Main-Post waren, die mich (…) gar nicht erreicht haben. Auch gebe ich Ihnen Recht, dass doch ein Großteil dieser Berichte die Aussagen der befragten Personen und die Realität sehr genau widerspiegelt."
Ein erstes Fazit: Was bleibt aus den vergangenen Wochen der Bauernproteste?
- Nahezu alle Protestaktionen in Unterfranken laufen in geordneten Bahnen, das bestätigt auch die Polizei.
- Auch wenn Bauernverband und LSV es verhindern wollten: In einzelnen Fällen wird ihre Bewegung von Kräften unterwandert, die ohne Maß und Anstand auftreten, etwa wenn sie Journalisten "den Krieg erklären" oder Silage vor einer Redaktion abladen.
- Die Redaktion bemüht sich, nicht alle Protestierenden in einen Topf zu werfen. Das ist schwierig, weil sich unterschiedliche Gruppen vermischen. Nach unserer Erfahrung verwässern die Anliegen der Protestierenden, je länger die Proteste andauern. Es geht nicht mehr nur um Landwirtschaft. Immer öfter geht es um allgemeinen Protest, um allgemeine Unzufriedenheit.
- Die Arbeit der Redaktion ist nicht ohne Fehler. Wenn wir auf inhaltliche Fehler hingewiesen werden, korrigieren wir diese transparent. Die Redaktion berichtet auch nicht über jede Aktion im Rahmen der Proteste. Dafür sind sie zu kleinteilig und häufig ohne greifbare, neue Aspekte.
- Gesprächspartner aus den Reihen der Protestierenden erleben wir oft als stark im Austeilen, aber empfindlich bei kritischer oder ausbleibender Berichterstattung.
- Regelmäßig stoßen wir auf Menschen, die unsere Berichterstattung kritisieren, obwohl sie sich nur oberflächlich damit befassen.
- Das persönliche Gespräch löst viel Wut und Ärger auf – und macht oft sogar Spaß. Es schafft Verständnis – sowohl auf Seiten der Redaktion für die Landwirte als auch auf Seiten der Landwirte für die Redaktion. Deshalb werden wir, die Journalistinnen und Journalisten der Main-Post, weiter im Austausch bleiben.