Nur 74 Wirtschaftsschulen gibt es laut Kultusministerium in Bayern – und auch nur in diesem Bundesland. Neben einer privaten Wirtschaftsschule in der Neubaustraße gibt es die Städtische Wirtschaftsschule in Würzburg, die dieses Jahr ihr 125-jähriges Bestehen feiert. Doch was macht eine Wirtschaftsschule eigentlich aus?
"Der Schwerpunkt unserer Schule ist kaufmännisch, davon wiederum ein Schwerpunkt ist die Arbeit in einem Übungsunternehmen", sagt Udo Winkler, der stellvertretende Schulleiter. "Übungsunternehmen" ist ein Fach, das es nur in dieser Schulform gibt. Darin tauscht man "in einem Netzwerk mit den anderen Wirtschaftsschulen in Bayern über ein Onlineverfahren Ware aus, rechnet ab und erstellt Werbung", so Schulleiter Johannes Sieber. Die Schulform Wirtschaftsschule hat ein duales System und bildet mit einem mittleren Abschluss, gleichwertig mit dem Realschulabschluss, in Richtung Fachoberschule (FOS) und Berufsoberschule (BOS) aus.
Was die Wirtschaftsschule alles anbietet
"Wir haben in der siebten und achten Klasse über das normale Maß Profilfächer zur Persönlichkeitsbildung", so Winkler. Dazu gehört zum Beispiel eine Catering-Gruppe, die das Essen für den Pausenverkauf und auch die Jubiläumsfeier vorbereitet. "Das Geld wird dann entweder schulintern für andere Projekte verwendet, oder gespendet, zum Beispiel für das Projekt Wünschewagen, bei dem man todkranken Menschen noch einen letzten Wunsch erfüllt." Darüberhinaus gibt es an der Wirtschaftsschule eine Theatergruppe, einen Schulsanitätsdienst und eine Gruppe, die sich mit Sport und Gesundheit auseinandersetzt.
Außerdem trägt die Wirtschaftsschule den Titel "Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage". "Wir haben das Label seit über sechs Jahren. Vor Corona hatten wir immer wieder Motto-Jahre, in denen wir uns zum Beispiel mit den Themen Rassismus, LGBTQ (Abkürzung aus dem Englischen für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender, Anmerkung der Red.) oder Kunst auseinandergesetzt haben", so der Schulleiter. "Wir sind eine Schule der zweiten Chance. Viele Kinder sind in den vergangenen Jahren aus den verschiedensten Gründen nach Deutschland gekommen."

Die Schülerzusammensetzung der Wirtschaftsschule
Vor allem syrische Geflüchtete wären unter den Schülerinnen und Schülern. Viele von ihnen kämen über die Mittelschule und nutzten die Wirtschaftsschule, um die mittlere Reife zu erlangen. "Das klappt erstaunlich gut dafür, dass sie erst seit wenigen Jahren in Deutschland sind", sagt Udo Winkler.
Auch Kinder von Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmern, die sich wünschen, dass ihre Nachfolger nicht nur im Betrieb eine handwerkliche Ausbildung machen, sondern auch den kaufmännischen Gedanken verinnerlichen, wären an der Schule.

Insgesamt besuchen die Schule um die 200 Schüler, die aufgrund der Seltenheit der Schulform sogar von bis zu 60 Kilometer Entfernung kommen. Als die Schule vor 125 Jahren gegründet wurde, war sie eine reine Mädchenschule, da mit dem Aufkommen der kaufmännischen Organisation in den Betrieben Personalmangel herrschte, und man Frauen an die Wirtschaft hinführen wollte. Heute ist die Geschlechteraufteilung ziemlich ausgeglichen.
Welche Hoffnungen die zwei Führungskräfte für die Zukunft haben
Früher begann die Wirtschaftsschule, wie damals die Realschule auch, ab der siebten Klasse. Inzwischen ist sie die einzige Schulform, die so spät beginnt. "Seitdem die Realschule ab der fünften Klasse beginnt, tun wir uns schwer, an die Schülerströme zu kommen", sagt Johannes Sieber. Deswegen wünschen er und seine Kollegen sich, dass die Schulform bereits ab der fünften Klasse angeboten wird. "Wir hoffen, dass wir bald wieder Chancengleichheit haben, und die Eltern ein echtes Wahlrecht. Es ist klar, dass man sein Kind nicht nach der sechsten Klasse aus seiner Schulform reißen will. Und das ist schade, denn für ein bestimmtes Schülerklientel sind wir die ideale Schule."