Ein kräftiger Schlag. Christoph Semenys fällt zu Boden. Das Publikum im Festzelt springt auf. Der Boxer bleibt benommen sitzen, die Menschen brüllen laut. Der Ringrichter zählt bis Acht. Angeschlagen rappelt sich der Amateur vom ATS Kulmbach wieder auf. Doch der Unparteiische beendet den Kampf. Die Menge tobt. Und während das Publikum feiert, tragen die Bedienungen Nachschub durch die Gänge des Kiliani Festzelts: Bier, Brezeln und Weißwürste.
Warmmachen für den Boxkampf bei Kiliani
bekommt davon nichts mit. Mit grünen Ohrstöpseln schottet er sich ab. Er ist in seiner eigenen Welt, läuft in einer Ecke des Zelts auf und ab. Dann wickelt er sich Bänder um die Hand und boxt kraftvoll in die Luft. Seine Beine tippeln dabei schneller als die Arme schlagen. Seine Haut glänzt, kleine Schweißperlen sind auf den muskulösen Oberarmen zu sehen. Die ganze Konzentration gilt seinem nächsten Kampf. In einer halben Stunde muss er in den Ring.

Boxen zum Frühschoppen - einer der Höhepunkte auf Kiliani. In der Mitte des Festzelts, wo sich normalerweise die Bierzeltgarnituren aneinanderreihen, steht der Boxring. Auf Augenhöhe des Publikums, der Ringboden. Darüber die gepolsterten Seile, eine blaue Ecke für die Heimmannschaft und die rote Ecke für die Gäste.
Kiliani-Boxen: Kickers Würzburg kämpfen gegen den ATS Kulmbach
Die Boxer der Kickers Würzburg treten gegen den ATS Kulmbach an. Zehn Kämpfe in sechs Gewichtsklassen. Der Frauenkampf wurde kurzfristig abgesagt. Von unter 63,5 Kilogramm bis über 92 Kilogramm schwer sind die stählernen Männer an diesem Tag. Sie sind nicht nur nach Gewichtsklassen eingeteilt, sondern auch nach ihrer Erfahrung. Zu groß sollen die Unterschiede nicht sein. Für drei Runden mit jeweils drei Minuten steigen sie in den Ring.
Draußen sind die Rollläden der Buden noch geschlossen. Bei einem Fahrgeschäft wechseln Angestellte eine Glühbirne, beim Autoscooter wird geputzt. Wer am Sonntagmorgen auf dem Kiliani-Gelände unterwegs ist, hat nur ein Ziel: das Boxen. Das Festzelt ist voll, so voll wie noch nie. 1400 Menschen sitzen um den Ring, die meisten sind Männer. Die Luft steht. Es ist schwül - es wird der bisher heißeste Tag des Jahres werden.

Kiliani-Boxen als Tradition im Würzburger Festzelt
Seit über zehn Jahren kommen Thomas Madel und Tibor Kiss aus Frankfurt zum Boxen auf Kiliani nach Würzburg. "Trinken, essen und zuschauen, wie sich die Leute auf die Schnauze hauen." Das reizt sie. Natürlich bewundern sie auch die Boxer, die sich dem Kampf Mann gegen Mann stellen.

Für Kevin Dees und Moritz Ströbert aus Opferbaum passt "Frühschoppen, Weißwurst und Boxen wie die Faust aufs Auge", ergänzen sich die beiden 25-Jährigen und lachen. Mit Lederhose, Hemd und Bier schauen sie sich das erste Mal die Wettkämpfe an. Ihre Erwartungen sind hoch: "Wir haben schon Bock, dass die sich im Ring bald richtig kloppen."
Lange Vorbereitung auf den Kampf bei Kiliani
Jetzt steigen die Meister in den Ring. Friedensohn, bayerischer Meister 2021, kämpft im Schwergewicht gegen Silab Noori, dem amtierenden deutschen und fünffachen afghanischen Meister. Friedensohn verstärkt heute das Team der Kickers Würzburg, normalerweise boxt er für den TSV Bad Kissingen. Seit fünf Wochen trainiert er täglich. Je näher der Kampf rückt, desto wichtiger werden Schnelligkeit und Beweglichkeit - Krafttraining ist jetzt nicht mehr so entscheidend.

Auch das Publikum kommt ins Schwitzen
Inzwischen ist es Mittag. Die Hitze drückt auf die Stimmung der Boxfans. Das Publikum fächert sich mit den Speisekarten Luft zu. Einige haben kleine Handtücher mitgebracht und wischen sich den Schweiß von der Stirn. Neben den Maßkrügen voller Bier stehen inzwischen auch viele Wasserflaschen auf den Tischen.

Dafür hat Friedensohn keinen Blick. Friedensohn springt in seiner blauen Ecke auf und ab. Der Ringrichter holt die beiden Boxer in die Mitte. Sie schauen sich tief in die Augen, ihre Boxhandschuhe berühren sich sanft. Danach geht jeder zurück in seine Ecke. Ring frei. Runde 1.

Spannende Kämpfe beim Kiliani-Boxen
Ein Schlag in die Magengrube mit rechts. Mit der linken Faust und voller Wucht gegen den Kopf: Kai Friedensohn muss einige Schläge einstecken. Einer Zuschauerin fällt auf, dass er schwächelt. "Der hat gut gewackelt", sagt sie. Doch der 25-Jährige lässt sich nichts gefallen. Er schlägt zurück. Sein Gegner Silab Noori verpasst die Deckung. Für einen kurzen Moment nimmt er die Fäuste nicht vors Gesicht. Friedensohn zieht durch und trifft den Kopf seines Gegners. "Schön!" und "nochmal Kai!" ruft das Publikum.
Am Ende reicht es nicht ganz, Friedensohn verliert nach Punkten. Zufrieden ist er trotzdem. "Ich habe mich gut vorbereitet, aber in der letzten Runde ist meine Körperspannung weggefallen. Noori ist ein sehr starker Gegner, es hat halt einfach ein bisschen was gefehlt", betrachtet der 25-Jährige seinen Kampf.

Boxen ist mehr als Härte und Zuschlagen
Für Friedensohn ist Boxen ist ein fairer Sport: "Es ist ein Kampf auf Augenhöhe. Wenn einmal Druck da ist, musst du dem Druck standhalten." Dabei gehe es gar nicht so sehr um Härte, sondern viel mehr um Strategie: "Wenn du nicht denkst, bekommst du die Treffer ab. Du musst überlegen, wie du an den Gegner kommst. Da musst du Reflexe haben und intelligent vorgehen."
Für das Publikum zählen dennoch vor allem die Treffer. Dass es am Ende ein Unentschieden zwischen dem ATS Kulmbach und den Kickers Würzburg gibt, scheint im Zelt niemanden so richtig zu interessieren.
Friedensohn hat sein lässiges Muskelshirt und die Boxershort gegen normale Klamotten getauscht. Im Festzelt sind mittlerweile weniger Leute. Der 25-Jährige bleibt aber noch, freut sich auf etwas Deftiges zu Essen. Auf die Maß Bier dazu verzichtet er.