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OCHSENFURT: Mit Kunst die Meinung nach außen tragen

OCHSENFURT

Mit Kunst die Meinung nach außen tragen

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    Symbol und des Entsetzens: Patricia Pfeiffers Werk wird von einer weißen Leinwand dominiert.
    Symbol und des Entsetzens: Patricia Pfeiffers Werk wird von einer weißen Leinwand dominiert. Foto: Patricia Pfeiffer

    Wenn Patricia Pfeiffer vom Projekt „pics4peace“ spricht, klingt Begeisterung aus ihren Worten. Die 23-Jährige, die Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS) studiert, hat zusammen mit neun Kommilitonen an einem Workshop des Berliner Künstlers Winfried Muthesius teilgenommen. Aus dem Zusammentreffen entstanden die Werke, die aktuell in der Sonderausstellung „pics4peace – Jugend für Demokratie und Frieden“ im Museum für Franken auf Würzburgs Festung Marienberg zu sehen sind.

    Die Ausstellung ist Startschuss für das von Würzburgs ehemaliger Oberbürgermeisterin Pia Beckmann ins Leben gerufene Projekt „pics4peace“. Die Initiative möchte Jugendliche für Themen rund um Demokratie und Frieden begeistern – und sie dazu bewegen, sich zu äußern und zu positionieren.

    In ihrem Freundeskreis sei Politik kein großes Thema, so Patricia Pfeiffer. Man spreche über brisante Themen wie z.B. den Wahlerfolg der AfD, gleichzeitig sei unter Gleichaltrigen aber eine gewisse Gleichgültigkeit zu spüren. „Meine Meinung zählt eh‘ nicht“, solche Aussagen gäbe es gerade im Hinblick auf Wahlen öfters, sagt Pfeiffer. Sie selbst ist überzeugt: „Die eigene Stimme ist mehr wert, als man denkt – es lohnt sich, seine Meinung nach außen zu tragen.“

    Die eigene Meinung äußern, Stellung beziehen – das tut Pfeiffer aktuell durch ihr Werk, das Museumsbesucher zum Nachdenken anregen soll. Die 1.85 Meter hohen Bilder der Sonderausstellung wirken abstrakt und lassen viel Spielraum zur Interpretation. Alle Werke sind im „pittura oscura“-Stil entstanden. Die von Winfried Muthesius entwickelte Technik verbindet Malerei und Fotografie und besteht aus drei verschiedenen Ebenen.

    Zunächst wird ein vom jeweiligen Künstler geschaffenes Gemälde an einen geschichtsträchtigen Ort gebracht und dort fotografiert. Dieses Foto wird wiederum weiter bearbeitet, indem es z.B. übermalt wird. Für die dritte Ebene sorgt ein Objekt (im Fall der Bilder von Muthesius meist ein Schädel), das in das Werk integriert wird.

    Auf diese Art sollen sich verschiedene Zeit- und Bedeutungsebenen in einem Bild miteinander verbinden. „Man kann nicht genau erkennen, was was ist, und genau in dieser Situation wird es interessant“, so Muthesius über seine Technik.

    Patricia Pfeiffer hat als Entstehungsort für ihr Bild die frühere Nervenklinik gewählt, die seit 2013 „Zentrum für Psychische Gesundheit“ heißt und Teil des Universitätsklinikum Würzburgs ist. Was Pfeiffer beschäftigt, ist die Vergangenheit des Ortes und die sogenannte „Aktion T4“, die für die Verfolgung und Ermordung von kranken und behinderten Menschen im Nationalsozialismus steht. Bis zu 400 000 Menschen wurden auf Grundlage der NS-Rassenideologie ab 1934 gegen ihren Willen sterilisiert, und europaweit etwa 300.000 kranke und behinderte Menschen ermordet.

    Einer der Haupttäter war der Würzburger Arzt Werner Heyde, der ab 1939 zunächst alleiniger Obergutachter für die zur Tötung ausgewählten Patienten war und 1940 medizinischer Leiter von „T4“ wurde. Von Ende 1939 bis 1945 war Heyde Direktor der damaligen Universitätsnervenklinik Würzburg.

    „Alle Teilnehmer des Workshops haben lange recherchiert, welchen Ort sie für ihr Werk wählen sollen“, sagt Pfeiffer. Sie selbst sei am Zentrum für Psychische Gesundheit hängengeblieben, „ich konnte mich nicht mehr losreißen“. Die Vergangenheit sei durch diesen Ort plötzlich „sehr nah an einem dran“ gewesen. Die Ausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet“, die sich mit dem Schicksal kranker und behinderter Menschen im Nationalsozialismus beschäftigt und 2017 in Würzburg zu sehen war, lieferte der Studentin weitere Hintergründe. Bezogen auf das Thema ihres Werks – Diskriminierung – sagt Pfeiffer: „Zwangssterilisation ist die drastischste Diskriminierung, die einem Menschen widerfahren kann.“

    Die Suche nach einem Objekt, das Pfeiffer in ihrem Werk in Szene setzen wollte, gestaltete sich als schwierig: „Ich habe kein Objekt gefunden, das mein Entsetzen über das, was passiert ist, ausdrücken könnte.“ So wurde letztendlich eine weiße Leinwand zum Symbol der Sprachlosigkeit der 23-Jährigen. Das Foto nahm sie am Zentrum für Psychische Gesundheit auf – vor einer Stele zur Erinnerung an Euthanasieopfer im Dritten Reich.

    Im Hintergrund von Pfeiffers Werk ist eine Fensterfront mit heruntergelassenen Jalousien zu sehen. Darauf setzte die Studentin die weiße Leinwand, auf der ganz feine Linien eines Fingerabdrucks zu sehen sind. „An einem Fingerabdruck kann man nicht erkennen, welcher Mensch dahinter steckt“, erklärt Pfeiffer. Weder die sexuelle Einstellung noch die Hautfarbe sei über den Fingerabdruck auszumachen.

    „Es gibt keine Menschen, die besser oder schlechter sind. Wir sind alle von Grund auf gleich“, ist im Begleittext zu Pfeiffers Werk zu lesen. „Es gibt keine Trennung – die Gesellschaft nimmt die Trennung vor“, verdeutlicht die 23-Jährige im Gespräch.

    Den Sprung von der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft sollen die Besucher der Ausstellung selbst vollziehen; die Texttafel zum Bild liefert dem Betrachter eher generelle Gedanken zum Thema. Pfeiffers persönliche Interpretation ist gleichzeitig sehr klar: Auch wenn Diskriminierung in der Form, wie sie zu Zeiten des Nationalsozialismus stattgefunden hat, in unserer heutigen Demokratie nicht mehr existiere, sei sie in anderen Formen auch heute noch an der Tagesordnung. „Warum ist die Ehe von Homosexuellen erst seit kurzem möglich?“, fragt sich Pfeiffer und verweist außerdem auf den Umgang mit der Flüchtlingskrise, die von vielen vor allem als Bedrohung gesehen wird.

    „Wir können nicht wieder damit anfangen, Leute auszugrenzen“, so das Fazit der 23-Jährigen.

    „pics4peace“ im Museum für Franken Das Museum für Franken auf der Festung zeigt noch bis Sonntag, 15. April, die Ausstellung „pics4peace – Jugend für Demokratie und Frieden“. Die Ausstellung findet in Kooperation mit der Stadt Würzburg und deren Projekt „pics4peace“ statt und ist Startschuss für die Aktion „pics4peace online“. Dabei sind 16- bis 26-Jährige aufgerufen, über ihre Social-Media-Kanäle kreative Beiträge zu den Themen Frieden und Demokratie zu veröffentlichen und auf www.pics4peace.de einzustellen. „Pics4peace“ versteht sich als eine Initiative für Frieden, Freiheit und Demokratie. Sie richtet sich an junge Leute und an die Politik.

    „Wir können nicht wieder damit anfangen, Leute auszugrenzen.“

    Patricia Pfeiffer, Kommunikationsdesign-Studentin

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