Zupackend, offen, geradeheraus: Das ist der Eindruck, den Stefanie Wierlemann beim Treffen in einem Würzburger Café hinterlässt. Vor der Tür hilft sie ausländischen Gästen auf Englisch, ihr Ziel zu finden; später im Gespräch gibt sie unumwunden zu, schon immer "mitwurschteln" zu wollen, eine Parteimitgliedschaft aber lange Zeit für sich ausgeschlossen zu haben. 2019 ändert die 45-Jährige ihre Meinung, tritt der ÖDP (ökologisch-demokratische Partei) bei – und bereits 2020 bei der Bundestagswahl als ÖDP-Direktkandidatin in Stadt und Landkreis Würzburg an. Das Wahlprogramm der ÖDP hat sie überzeugt: "Ich werde nie wieder eine Partei finden, mit der ich so übereinstimme."
Wenngleich damals neu im politischen Geschäft – umtriebig ist Wierlemann schon lange. Ob als Elternbeiratsvorsitzende im Kindergarten, Klassenelternsprecherin, für die Ukrainehilfe in Randersacker, wo sie mit ihrer Familie wohnt, oder für die Initiative gegen den Steinbruch in Lindelbach: Die 45-Jährige interessiert und engagiert sich für ihr Umfeld und vertritt ihre Meinung nach außen.
"Es hat mich immer gefuchst, dass man als Mutter so viel für die Gesellschaft tut – und nichts kriegt."
Stefanie Wierlemann, ÖDP-Direktkandidatin Würzburg-Land
Dies tut sie lange Zeit vor allem in ihrer Rolle als Mutter von drei Kindern. Die selbstgewählte "Vollzeit-Mutter", die ihr Biologiestudium in Würzburg abgebrochen hat, um eine Einzelhandelskauffrau-Ausbildung bei tegut sowie ein Betriebswirtschaftsstudium zu absolvieren, hat schnell festgestellt, dass Kind und Karriere nicht optimal vereinbar sind.
"Es hat mich immer gefuchst, dass man als Mutter so viel für die Gesellschaft tut – und nichts kriegt", sagt Wierlemann. Stattdessen müsse man sich oft sogar rechtfertigen, warum man "nicht arbeitet". "Kinder zu bekommen, bedeutet einen Karriereknick." Die ÖDP fordere schon lange, anzuerkennen, dass Mutter sein ein Job sei.

Neben der Wertschätzung von Care-Arbeit liegen Wierlemann, die nun als ÖDP-Direktkandidatin im Landkreis Würzburg zur Landtagswahl antritt, ökologische Themen am Herzen. "Ich hoffe, dass die Menschen, die ökologisch wählen wollen, uns finden und sehen, dass es eine Alternative zu den Grünen gibt", sagt Wierlemann. Den bisher ausbleibenden großen Erfolg der Partei sieht sie auch darin begründet, "dass wir nicht Geldmittel wie die anderen Parteien zur Verfügung haben". Kern der ÖDP sei es, keine Firmen- und Konzernspenden anzunehmen, um unabhängig bleiben zu können.
Auch das Bekenntnis der ÖDP, dass nötige Veränderungen, etwa im Hinblick auf eine Energie- und Verkehrswende, auch weh tun können, schrecke vielleicht manchen ab. "Wir beschönigen nicht", sagt Wierlemann, "gleichzeitig muss Politik aber so gemacht sein, dass man alle Menschen im Blick hat". Nur so könne verhindert werden, dass Menschen ihre einzige Heimat in den politischen Extremen sähen.
"Man braucht nicht jeden Wähler – wenn etwas nicht geht, muss man klar Stellung beziehen und Grenzen setzen."
Stefanie Wierlemann, ÖDP-Direktkandidatin Würzburg-Land
Im Hinblick auf das Heizungsgesetz vertrete die ÖDP zum Beispiel die Position, dass man die Kosten stark einkommensabhängig staffeln müsse. "Niemand darf in den Ruin getrieben werden", so Wierlemann. Gleichzeitig würde das aber auch bedeuten, dass Normal- und Gutverdiener stärker belastet würden.
Wichtig ist Wierlemann eine offene und transparente Politik, "man muss mehr erklären, warum diese oder jene Maßnahme ergriffen werden muss". Denn: "Eine diffuse Angst lässt sich nicht mit Argumenten weg reden", ist sie überzeugt. Und: "Man braucht nicht jeden Wähler – wenn etwas nicht geht, muss man klar Stellung beziehen und Grenzen setzen."
Als Zielgruppe ihrer Partei sieht Wierlemann vor allem "Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft machen". Die nächsten 30 bis 40 Jahre könnten "krass werden", so Wierlemann. Auf das Klimaaktivisten-Bündnis "Letzte Generation" angesprochen, zeigt die 45-Jährige Sympathie: "Ich verstehe diese Menschen, ihre Verzweiflung und teile ihre Ziele, kann aber die Maßnahmen nicht immer gutheißen."
Zu ihren Herzensthemen zählt Wierlemann einen konsequenten Naturschutz, ein konsequentes Umsetzen der Ziele im Hinblick auf Klimaneutralität, mehr soziale Gerechtigkeit bei den Maßnahmen sowie die Wertschätzung von Care-Arbeit – sowohl im Hinblick auf Kinder, als auch bei der Pflege.
Auch Erfolgserlebnisse im Kleinen motivieren Wierlemann
Was die 45-Jährige antreibt, ist die Überzeugung, dass jeder auch im Kleinen etwas erreichen kann. Man könne sich zum Beispiel im eigenen Ort für mehr Blühflächen und weniger Bodenversiegelung einsetzen, oder dafür, dass die Gemeinde energieautark werde. "Solche Erfolgserlebnisse motivieren, weiterzumachen." Diese Einstellung sieht sie auch bei der ÖDP: "Die ÖDP gibt es schon so lange, obwohl sie auf bundespolitischer Ebene nie Erfolg hatte", sagt Wierlemann. Dafür sei ihre Partei in der Kommunalpolitik präsent, etwa durch Bürgerbegehren wie das erfolgreiche Artenvielfalt-Volksbegehren "Rettet die Bienen!".
Die Leute müssten bereit sein, etwas zu ändern, ohne dass man sie dazu zwinge. "Viele werden merken, dass wir die Erde für uns retten müssen – der Erde ist es egal, ob wir auf ihr leben", so Wierlemanns Fazit.
Veranstaltungstipp: Wahlarena der Main-Post mit Direktkandidaten von im Landtag vertretenen Parteien (Stimmkreis Würzburg-Land) am Dienstag, 26. September, 19 Uhr, Mainfrankensäle Veitshöchheim. Eintritt frei.
Steckbrief Stefanie WierlemannWann und wo sind Sie geboren? Am 23. Dezember 1977 in FuldaWie ist die familiäre Situation? Verheiratet, drei KinderWelche Ausbildung, welchen Beruf haben Sie? Ich bin staatlich geprüfte Betriebswirtin.Wie verlief Ihre politische Karriere? Seit 2019 bin ich Mitglied der ÖDP, 2020 bin ich bei der Bundestagswahl als ÖDP-Direktkandidatin in Stadt und Landkreis Würzburg angetreten.Was ist Ihr Lieblingsplatz im Stimmkreis? Unter anderem die Badebucht in Randersacker, wo ich mit meinen Kindern früher viel Zeit verbracht habe.Quelle: cat