Dort arbeiten zu können, wo man wohnt, wird zunehmend zum Glücksfall. Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) pendeln derzeit 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Zu nicht ganz so hohen Werten kommt der Pendleratlas der Bundesagentur für Arbeit. Demnach legen 39 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland, die einem sozialversicherungspflichtigen Job nachgehen, teilweise lange Wege zum Arbeitsplatz zurück.
Jeder dritte Würzburger arbeitet außerhalb der Stadt
Die Einzelwerte schwanken von Kommune zu Kommune. So ist mehr als jeder dritte Würzburger außerhalb seiner Heimatstadt tätig. Noch beträchtlicher ist die Zahl der Einpendler in die Stadt. Demnach wohnen zwei Drittel aller Menschen, die in Würzburg einem Job nachgehen, nicht im Stadtgebiet. Die meisten sind im Kreis Würzburg zu Hause. Teilweise wird aber auch von weit her eingependelt.
„Mit wachsenden Fachkräfteengpässen vor Ort wird das Thema Pendler zunehmend relevant“, sagt Wolfgang Albert, Pressesprecher der Würzburger Arbeitsagentur. Einige Arbeitsagenturen in Deutschland haben Albert zufolge inzwischen „Pendlertage“ organisiert, um Beschäftigten, die täglich weite Fahrtstrecken auf sich nehmen, darauf aufmerksam zu machen, dass Fachkräfte vor Ort dringend gesucht werden. „Allerdings sind mir solche Pendlertage in Bayern nicht bekannt“, so der Pressesprecher.
Viele Mainfranken sind bereit zu pendeln
Am Hochschulstandort Würzburg ist man aber auch oft mit der umgekehrten Problematik konfrontiert: Studienabsolventen melden sich arbeitslos, weil sie an ihrem Studienort keinen geeigneten Job finden. „Dann klären wir im Beratungsgespräch, inwieweit die Absolventen bereit sind, zu pendeln“, berichtet Albert.
Gleichzeitig werden die Akademiker darauf hingewiesen, in welchen Regionen ihre Kompetenzen aktuell nachgefragt sind. Albert: „Letztlich wird Pendeln aber in jedem Beratungsgespräch thematisiert, die Pendelbereitschaft ist einfach ein wichtiger Aspekt des Bewerberprofils.“
In Mainfranken ist die Bereitschaft, einen Job weiter weg vom Wohnort anzunehmen, in allen Regionen hoch. So machen sich allein im Kreis Rhön-Grabfeld 500 Beschäftigte an jedem Werktag auf den Arbeitsweg nach Würzburg. Eigene „Pendlerprojekte“ gibt es bei der Stadtverwaltung trotz des lebhaften Hin und Her zwischen Arbeits- und Wohnstätte allerdings nicht. „Relevant für die Verkehrsplanung ist ein Blick auf die gesamte Verkehrsbelastung, unabhängig davon, ob es sich um Pendlerfahrten oder um andere Fahrten handelt“, so Pressesprecher Christian Weiß.
Kaum Einfluss auf Parkhäuser
Die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) wird durch die steigenden Pendlerströme noch nicht vor größere Probleme gestellt, teilt Pressesprecherin Cornelia Wagner mit. Vor allem auf die von der WVV betriebenen Parkhäuser habe der Pendelverkehr so gut wie keinen Einfluss. „Denn hier stehen im Moment hauptsächlich Kurzzeitparkplätze zur Verfügung“, erklärt sie.
Speziell für Pendler bietet der Konzern Unternehmen in der Region ein Jobticket oder ein Firmenabo für den öffentlichen Personennahverkehr an. Über 2000 WVV-Kunden haben nach Auskunft der Pressestelle inzwischen ein Firmenabo für das Würzburger Stadtgebiet. 300 Kunden nutzen das Angebot, mit den Kommunallinien über Würzburgs Stadtgrenzen hinauszufahren. „Zu diesen Kunden gehören große und kleine Unternehmen, Behörden und Hilfsorganisationen“, erläutert Cornelia Wagner.
Bei der WVV selbst sind viele Menschen beschäftigt, die nicht in der Stadt Würzburg wohnen. Wagner: „Sie pendeln entweder mit dem eigenen Auto, in Fahrgemeinschaften oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit und zurück.“
Drei Stunden pendeln pro Tag
Dazu gehört Soo-Hwa Hwang. Sie ist eine von rund 400 Beschäftigten, die jeden Tag zwischen Würzburg und Frankfurt pendeln. Seit Juni letzten Jahres nimmt die Referentin der WVV-Geschäftsführung diese Strecke täglich mit dem Zug auf sich. Dafür habe sie sich bewusst entschieden, sagt sie: „Zuvor habe ich in Würzburg gewohnt, weil ich hier studiert habe.“ Doch so schön Würzburg auch sei – als Wohnstadt ist die City für Soo-Hwa Hwang nicht allzu attraktiv. Schließlich kommt die 31-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin aus einer Metropole mit zehn Millionen Einwohnern: „Ich habe in Seoul gewohnt, deshalb ist Würzburg für mich etwas zu klein.“
In Frankfurt fühlt sich Soo-Hwa Hwang wohl. Gleichzeitig fand sie an der dortigen Uni ein attraktives Aufbaustudium. Soo-Hwa Hwang absolviert an der Uni Frankfurt gerade den berufsbegleitenden MBA-Studiengang „Master of Digital Transformation Management“. Die 140 Minuten täglich, die sie im Zug sitzt, bedeuten für sie eine wertvolle Zeit: „Ich kann im Zug gut arbeiten und lernen.“
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Gleichzeitig gibt sie zu, dass es an manchen Tagen sehr anstrengend ist, drei Stunden mit Pendeln zu verbringen. An ganz extremen Tagen verlässt Soo-Hwa Hwang um kurz vor 6 Uhr ihre Wohnung in Frankfurt, um 20.30 Uhr trifft sie wieder zu Hause ein.
Mit dem Auto zu pendeln, käme für Soo-Hwa Hwang nicht infrage. Denn dann wären die Pendelstunden vergeudet. Selbst Radiohören während der Fahrt findet die Südkoreanerin schwierig: „Wenn ich im Auto sitze, konzentriere ich mich ganz aufs Fahren.“
In Zukunft: Arbeiten im Zug?
Die gute Arbeitsatmosphäre halte sie weiterhin bei der WVV, wo sie Ende 2013 als Praktikantin eingestiegen war und seit 2014 einen festen Job hat. Wünschenswert für die Zukunft fände sie es, wenn sie später, nach Abschluss ihres Studiums in Frankfurt, auch im Zug arbeiten dürfte. Im Zeitalter von „Arbeit 4.0“, meint die junge Frau, sollte dies selbstverständlich sein.
Positiv sind für sie als Pendlerin die flexiblen Arbeitszeiten bei der WVV: „Wenn es abends mal später wird, muss ich nicht am nächsten Tag schon um 8 Uhr im Büro sein.“ Hilfreich ist außerdem die Deutsche Bahn-App: „Dadurch weiß man, ob der Zug pünktlich kommt.“ Was Wartezeiten auf dem Bahnhof reduziert.
Daniela Kraus, die in der Pressestelle der Handwerkskammer (HWK) tätig ist, pendelt täglich von Karlstadt nach Würzburg – mit dem Zug. Am Würzburger Hauptbahnhof hat sie ein Fahrrad stehen, mit dem sie, außer bei sehr schlechtem Wetter, ins Büro radelt. Wenn alles wie am Schnürchen läuft, ist sie eine Stunde am Tag unterwegs. Öfter klappt es nicht so gut. Dann kommen zur täglichen Arbeitszeit eineinhalb Stunden Wegezeiten.
„Doch das macht mir nicht viel aus“, sagt Kraus. Im Zug beantwortet sie private Mails, liest etwas oder entspannt sich. Zu arbeiten, dafür lohnt die Zeit nicht. Außerdem wäre es momentan bei der HWK auch noch nicht möglich, im Zug verbrachte Arbeitszeit anrechnen zu lassen: „Wir sind das Thema noch nicht angegangen, weil es dafür noch gar keine Nachfrage gibt.“ Einen Wunsch hätte Kraus als Pendlerin allerdings schon: „Es bräuchte dringend mehr Unterstellmöglichkeiten für Fahrräder am Würzburger Hauptbahnhof.“ Weil die Mangelware sind, rosten die Drahtesel schnell.
Schwierig für alle Pendler, die bei der HWK arbeiten, ist aktuell die Parkplatzsituation. Denn am Rennweger Ring, wo die Handwerkskammer ihren Sitz hat, gibt es kaum Stellplätze. Das Problem sei erkannt, so Pressesprecher Daniel Röper: „Wir befinden uns im Moment in einem Prozess, um die Lage der Mitarbeiter zu verbessern.“
Blick in den Pendleratlas: Fakten zum Pendeln in der Region Leben anderswo, zur Arbeit nach Schweinfurt Gäbe es keine Pendler, hätten Schweinfurts Arbeitgeber die größten Probleme, ihre Jobs zu besetzen: Mehr als 75 Prozent aller Beschäftigten wohnen nicht in der Stadt. Über 22 000 Berufspendler fahren täglich aus dem Landkreis in die Stadt Schweinfurt hinein. Fast 500 kommen aber auch aus Stadt oder Kreis Bamberg, nahezu 2000 aus Stadt oder Kreis Würzburg. Einpendler und Auspendler im Landkreis Schweinfurt Im Schweinfurter Landkreis fällt die hohe Auspendlerquote auf. Über 70 Prozent aller Beschäftigten arbeiten außerhalb. Der größte Teil fährt laut Pendleratlas der Bundesagentur für Arbeit in die Stadt Würzburg. Jeweils fast 300 pendeln nach Nürnberg oder Bamberg. Nahezu jede zweite Stelle im Landkreis Schweinfurt ist wiederum mit einem Einpendler besetzt. Auch hier werden teilweise sehr weite Wege in Kauf genommen, um zum Arbeitsplatz zu gelangen. Rund 100 Menschen legen, hin und zurück, täglich etwa 200 Kilometer zurück, weil sie im Kreis Schmalkalden-Meiningen wohnen, aber im Kreis Schweinfurt arbeiten. Aus Bamberg pendeln über 130 Beschäftigte ein. In Kitzingen leben, anderswo berufstätig Im Kreis Kitzingen wird ebenfalls stark gependelt. Deutlich mehr als 40 Prozent aller Arbeitnehmer haben keine Stelle im Heimatlandkreis gefunden. Mehr als jeder dritte begibt sich allmorgendlich auf den Weg in die Stadt Würzburg. Fast 500 pendeln nach Nürnberg, jeweils rund 200 in den Kreis Erlangen-Höchstadt, nach Main-Spessart oder in den Main-Tauber-Kreis. Fast jeder dritte Mensch, der im Kreis Kitzingen einer Arbeit nachgeht, stammt wiederum nicht aus dem Landkreis. Unter den Einpendlern sind großenteils Würzburger Stadt- und Landkreisbürger. Rund 120 Arbeitnehmer machen sich aber auch vom Kreis Bad Kissingen aus auf den Arbeitsweg, jeweils rund 150 stammen aus dem Kreis Haßberge und dem Main-Tauber-Kreis. Weite Wege für viele, die in Bad Kissingen wohnen Arbeitnehmer aus Bad Kissingen müssen in 40 Prozent aller Fälle weiter fahren, weil sie im Heimatlandkreis keine Stelle gefunden haben. Mehr als 160 von ihnen fahren täglich rund 150 Kilometer einfach, um zum Arbeitsplatz nach Nürnberg zu gelangen. Die Zahl der Einpendler ist im Landkreis geringer als die Zahl der Auspendler, sie liegt bei 27,5 Prozent. Die einpendelnden Beschäftigten stammen aus Rhön-Grabfeld, Schweinfurt und Main-Spessart, machen sich aber auch von Schmalkalden-Meiningen aus auf den Weg. Ausgeglichenes Hin und Her in der Rhön und im Grabfeld Im Kreis Rhön-Grabfeld hält sich die Zahl der Ein-und Auspendler mit jeweils rund 30 Prozent fast die Waage. Auch hier werden weite Wege in Kauf genommen, um zum Arbeitsplatz zu gelangen. 150 Menschen legen an jedem Arbeitstag rund 300 Kilometer zurück, weil sie in Nürnberg tätig sind. Fast 100 Beschäftigte aus der Stadt pendeln zum Arbeiten täglich in den Landkreis. Wohnen im Landkreis Würzburg, arbeiten in der Stadt Von allen Beschäftigten, die im Kreis Würzburg wohnen, findet die Minderheit einen Arbeitsplatz dort: Nahezu 70 Prozent pendeln in eine andere Kommune. Der Großteil der Pendler arbeitet in der Stadt Würzburg. Fast 600 Würzburger Landkreisbürger machen sich allmorgendlich aber auch auf den Weg nach Nürnberg. Mehr als 300 nehmen den Weg nach Frankfurt auf sich. Viele Jobs im Landkreis – und weite Wege für viele Im Landkreis Würzburg stehen 38 600 Stellen zur Verfügung. Sie werden zur Hälfte von Menschen besetzt, die nicht hier wohnen. Die meisten machen sich jeden Morgen von der Stadt Würzburg aus auf den Weg. Mehr als 100 fahren aus dem Neckar-Odenwald-Kreis in den Würzburger Landkreis. Weite Wege nehmen auch 250 Bewohner aus dem Kreis Bad Kissingen auf sich, um zum Job im Würzburger Landkreis zu gelangen. In Main-Spessart leben, täglich zur Arbeit touren – und andersrum Gut unterwegs sind auch Beschäftigte, die im Kreis Main-Spessart leben. 37 Prozent von ihnen pendeln, die meisten nach Würzburg. Mehr als jeder vierte Arbeitnehmer, der in Main-Spessart tätig ist, stammt wiederum aus einem anderen Landkreis. So haben fast 2400 Würzburger Stadtbewohner in Lohr, Gemünden, Marktheidenfeld oder Gemünden einen Job gefunden. Nahezu 1000 pendeln jeden Morgen aus Stadt oder Landkreis Aschaffenburg nach Main-Spessart ein. Fast 1850 Menschen haben ihren Wohnsitz im Main-Tauber-Kreis, arbeiten aber in Main-Spessart. PAT