Frank Schwab ist Professor für Medienkommunikation an der Universität Würzburg. Zur TV-Doku „Shopping Queen“ hat der 52-Jährige ein persönliches Verhältnis. Die Sendung, die in dieser Woche in Würzburg spielt, wurde zum Teil bei seinem Friseur in Gerbrunn (Lkr. Würzburg) gedreht. Auch beruflich ist ihm das Format nicht fremd: Schwab beschäftigt sich mit Unterhaltungsmedien und deren emotionaler Wirkung.
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Frage: Bei Shopping Queen suchen Frauen in einem vorgegebenen Zeitraum mit einem vorgegebenen Budget nach dem perfekten Outfit. Die, die am Ende die beste Bewertung hat, wird zur Shopping Queen gekrönt und darf 1000 Euro mit nach Hause nehmen. Geht es bei der Sendung wirklich um Styling-Tipps oder eher darum, andere scheitern zu sehen?
Schwab: Es geht um beides. Die Frauen exponieren sich in der Sendung sehr, müssen ihre Wohnung präsentieren und sich selber auf dem Laufsteg. Die Bewertung findet im Beisein der anderen Kandidatinnen statt, das erhöht den sozioemotionalen Druck. Dazu kommt, dass die Frauen sich untereinander beurteilen. Das macht es noch schwieriger, denn man möchte ja von den anderen auch eine gute Beurteilung haben.
Zieht dieser soziale Druck unter den Kandidatinnen die Zuschauer an?
Ich glaube ja. Ähnlich wie beim „Dschungel-Camp“ wird bei „Shopping Queen“ eine heterogene Gruppe Frauen ausgesucht, die sind ja nicht alle der gleiche Typ. Dadurch entsteht eine gewisse Gruppendynamik. Dazu haben sie ein kritisches Thema: Schönheit und Geschmack, da kann man sich ganz böse ins Fettnäpfchen setzen. Das ist direkt an den Selbstwert gekoppelt. In Kombination mit dem Wettbewerb ist das für den Zuschauer spannend.
„Shopping Queen“ macht die eigentlich alltägliche und manchmal lästige Suche nach der richtigen Kleidung zum Wettbewerb: Nur die Beste kann gewinnen. Mit diesem Konzept erzielt der Privatsender Vox seit Jahren gute Einschaltquoten um die zehn Prozent. Ist die Sendung so erfolgreich, weil ihr Wettbewerbscharakter gut zum Zeitgeist der Leistungsgesellschaft passt?
Ich würde da gar nicht so auf die Leistungsgesellschaft abheben. Wettbewerb insgesamt ist etwas, das Zuschauer fasziniert. Man hält zu jemandem und fiebert mit. Das war schon bei den antiken Olympischen Spielen so oder bei den alten 60er/70er-Jahre-Sendungen wie „Spiel ohne Grenzen“ oder bis heute beim Fußball. Wenn man den Kandidatinnen einfach nur beim Einkaufen zuschauen würde und es geht um nichts, wäre das nicht halb so spannend.
Die Sendung ist seit über drei Jahren im TV erfolgreich, gleichzeitig laufen Fashion Blogs im Internet sehr gut. Junge Frauen oder auch Männer fotografieren ihr Outfit des Tages und bekommen dafür viel digitale Aufmerksamkeit. Woher kommt diese Begeisterung fürs Optische?
Das gehört zu unserer Spezies. Wir beurteilen Personen innerhalb der ersten paar Sekunden nach ihrem Äußeren. Bei uns Menschen gehört da eben auch die Kleidung dazu. Wir schätzen Menschen über ihre Kleidung ein, man kann da alles Mögliche an Charaktereigenschaften und Zuständen ablesen.
Klar, Kleider machen Leute. Rein subjektiv gefühlt hat der Selbstdarstellungsdrang aber zugenommen in den vergangenen Jahren. Vor allem junge Leute lassen es sich nicht mehr nehmen, das Internet mit Selfies vollzuposten.
Man muss schauen, wie das in der Vergangenheit war. Früher hatten wir ein Feudalsystem, in dem durfte sich fast nur die herrschende Schicht schmückend präsentieren. Das haben wir in unserer heutigen Demokratie nicht mehr. Dank sozialer Mobilität haben wir die Möglichkeit zu fallen oder aufzusteigen und das bildet sich auch in der Kleidung ab. Jetzt haben Sie dieses Medium, ich sag mal YouTube, das das gut speichert und auch noch schnell in jedes Zimmer transportiert. Früher mussten die Herrscher noch das ganze Volk zusammentrommeln, um ihr Outfit zu präsentieren. Das geht heute einfacher, alle können König sein und jeder kann mal kurz per Mausklick vorbeischauen und gucken, wie der aussieht. Damit können Sie soziale Selbstinszenierung über Kleider oder Schmuck natürlich wunderbar rasant transportieren.
Ist es nicht schlimm, wenn alle Leute sich selber so anpreisen?
Man kann auch sagen, es war vorher schlimmer. Das Volk war vermausgraut und nur der König und sein Hof hatten ein Anrecht auf Schönheit. Heute ist die Welt bunter. Natürlich kann diese Farbenpracht im Extremfall narzisstisch schillernd und auch täuschend sein, meist ist sie aber ein Ausdruck von Freiheit und Demokratie. Die Leute können hinsichtlich ihrer modischen Selbstinszenierung mehr oder weniger tun und lassen was sie wollen.
In der westlichen Welt legen traditionell vor allem Frauen Wert auf schmückende Kleidung. Um den Bogen zurück zu „Shopping Queen“ zu spannen: Wird die Sendung deshalb hauptsächlich von Frauen geschaut oder ist sie durchaus auch für Männer interessant – und die geben es nur nicht zu?
„Shopping Queen“ wird ganz bestimmt auch von einigen Männern gesehen. Die gucken das dann wahrscheinlich mit ihren Frauen, so wie manche Frauen mit ihren Männern Actionfilme schauen. Es ist aber doch ein sehr frauenorientiertes Format, denn es geht um die körperliche Selbstdarstellung. Wenn die Sendung von irgendwelchen Sportwagen handeln würde oder anderen Dingen, mit denen sich Männer typischerweise inszenieren, wäre das was anderes. Aber Mode ist in unserer Kultur doch sehr der Frauenbereich. Man kann lange darüber diskutieren, wieso und weshalb das so ist, aber das führt, glaube ich, zu weit.
Was halten Sie von Guido Maria Kretschmer? Er verkörpert mit seinen Kommentaren aus dem Off den stilsicheren schwulen besten Freund, wie er schon in Serien wie „Sex and the City“ vorkam. Welchen Anteil hat er am Erfolg der Sendung?
Guido Maria Kretschmer wird ja insgesamt sehr gemocht. Ich glaube, weil der sehr nett und milde ist. Der ist nicht wie Dieter Bohlen bei „Deutschland sucht den Superstar“ und nicht wie Herr Llambi bei „Let's Dance“, die ja teilweise sehr harsch sind. Er ist auch nicht wie Heidi Klum. Wenn die ihre Model-Kriterien an die Shopping-Damen herantragen würde, das wäre alles sehr verletzend, das würde nicht gehen. Deswegen hat man, glaube ich, jemanden gewählt, der sehr sympathisch und wohlwollend auf die Sache blickt. Es sind nicht die perfekten Frauen, es sind nicht die perfekten Kleiderentscheidungen. Guido Maria Kretschmer verpackt seine Kritik sehr nett und achtet darauf, dass sie nicht zu böse wird. Er sagt schon seine Meinung, aber eben nicht verletzend.
Die Kandidatinnen beschweren sich zum Teil darüber, beim Dreh suggestive Fragen gestellt zu bekommen und am Ende in der Sendung anders dargestellt zu werden als sie das eigentlich möchten. Braucht eine solche Sendung das oder könnte man das Format auch seriöser umsetzen, etwa bei einem öffentlich-rechtlichen Sender?
Gehen wir mal davon aus, die Öffentlich-Rechtlichen würden nächste Woche auch mit solch einem Format auf Sendung gehen. Das ginge, aber ich glaube nicht, dass es dieselbe Quote bringen würde. Bei Vox hat „Shopping Queen“ ein Zielpublikum, das seinen Spaß daran hat. Wenn man die Sendung jetzt konflikthaft trockenlegen und kleine Spitzen rausnehmen würde, sie stärker in Richtung einer Doku drehen würde, verlieren Sie natürlich eine gewisse Zuschauergruppe. Das ist ein bisschen, als ob Sie sagen würden: Wir machen jetzt Formel 1, aber es gibt keine Unfälle. Der typische Arte-Konsument würde die Sendung wahrscheinlich gar nicht schauen, weil sie ihm von der Grundidee zuwider ist. Der guckt dann was anderes, zum Beispiel das „Literarische Quartett“. Da werden dann Autoren flott gemacht und beschimpft und so weiter, aber auf einem anderen Niveau. Ich mache da immer gerne einen kulinarischen Vergleich. „Shopping Queen“ ist eher ein Doppel-Whopper, das „Literarische Quartett“ französische Küche. Unterschiedliche Kochkunst, aber beides eventuell fettig, salzig, süß und potenziell ungesund.
Guido sagt in der Sendung viel Nettes über Frauen, die keine Modelmaße haben. Viele Zuschauerinnen fühlen sich dadurch angesprochen. Guidos Botschaft ist: 'Mit der richtigen Kleidung kann jede Frau schön sein.' Das ist doch ein unterstützenswertes Statement.
Ja, natürlich. Wenn Sie „Germany's Next Topmodel“ zum Vergleich nehmen und die ganzen hageren, nah an der Bulimie-Models, dann ist das natürlich ein krasser Gegenentwurf. Die Frauen, die bei „Shopping Queen“ auftauchen, sind nicht so sehr genormt auf irgendwelche Kleiderständer. Das sind ganz normale Frauen, die man in der Stadt antreffen kann.