Gute Nachrichten für die Natursteinindustrie, schlechte Nachrichten für die Kirchheimer? Das Landesamt für Umwelt (LfU) hat im Raum Kirchheim, Gaubüttelbrunn, Kleinrinderfeld gebohrt – und ist auf Muschelkalk gestoßen.
Der Kirchheimer Muschelkalk ist als Baustoff extrem beliebt: Er ziert zum Beispiel die Fassade des Berliner Olympiastadions. "Kirchheim ist in Deutschland der Mittelpunkt der Kalksteinindustrie", so Reiner Krug, Geschäftsführer des Deutschen Naturwerkstein-Verbands. "Mit den neu gefundenen Vorkommen können wir die große Nachfrage in den nächsten Jahrzehnten bedienen", freut er sich.
Abbruchunternehmer sind nicht überrascht
Marcus Hofmann, Betriebsleiter der Kirchheimer Kalksteinwerke, ist weniger euphorisch: "Dass der Muschelkalk einmal ausgehen könnte, haben wir noch nie ernsthaft befürchtet." Die Meldung des LfU habe lediglich bestätigt, was die Abbruchunternehmer eh schon wussten. Außerdem habe das LfU schließlich nur Stichproben genommen. "Welche Qualität der Stein hat, weiß man erst dann wirklich, wenn man die Erde aufmacht."

Ist das für ihn die große Chance, sich die Abbruchrechte in den neuen Gebieten zu sichern? "Wir sind grundsätzlich immer in Verhandlungen über neue Flächen", sagt Hofmann gelassen. Für ihn gelte es jetzt zu schauen, welche der vom LfU getesteten Flächen innerhalb der sogenannten Vorranggebiete liegen, die im Regionalplan festgelegt sind.
In einem solchen Gebiet hat der Abbau von Bodenschätzen Vorrang vor allen anderen Nutzungsarten wie zum Beispiel der Siedlungsentwicklung. Hier es ist besonders wahrscheinlich, dass ein Unternehmer eine Abbaugenehmigung erhält.
Darüber hinaus gibt es noch Vorbehaltsgebiete: Hier soll dem Rohstoffabbau bei der Abwägung mit anderen Nutzungen besonderes Gewicht beigemessen werden – es besteht aber kein klarer Vorrang gegenüber anderen Nutzungsarten.
Wo haben Bodenschätze Vorrang?
Vorranggebiete für den Abbau von Bodenschätzen gibt es zur Zeit östlich von Kleinrinderfeld am Rand des Guttenberger Forsts sowie nördlich und östlich von Kirchheim. Auch außerhalb eines Vorrang- oder Vorbehaltsgebiets ist der Rohstoffabbau nicht ausgeschlossen. Nach einer Überprüfung kann das Landratsamt eine Abbaugenehmigung erteilen. In einzelnen Fällen führt die Regierung ein Raumordnungsverfahren durch. Für Marcus Hofmann ist das jedoch keine realistische Option: "Für einen einzelnen Mittelständler ist der bürokratische Aufwand einfach zu groß."
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Brigitte Ziegra-Schwärzer und Sachgebietsleiter Oliver Weidlich sind bei der Regierung von Unterfranken verantwortlich für den Regionalplan Würzburg 2, in den auch der Raum Kirchheim fällt. Sie bereiten die Entscheidung darüber vor, wo ein Vorranggebiet für Bodenschätze eingerichtet wird. Die Bodenschätze hier hat der Regionale Planungsverband zuletzt 2008 betrachtet. Die Bohrungen des LfU werden die Regionalplaner in Zukunft als Grundlage für eine Fortschreibung des Plans nutzen.
Regionalplaner sehen möglich Konflikte zwischen Kalkabbau und Waldschutz
Die erste "Potentialfläche", die das LfU ermittelt hat, liegt zwischen Kleinrinderfeld und Geroldshausen. "Mit einem Blick in den Regionalplan und das Rauminformationssystem erkennt man gleich, dass es hier schwierig werden könnte, ein Vorranggebiet auszuweisen", erklärt Ziegra-Schwärzer. Die Fläche liegt zu großen Teilen im Guttenberger Forst, der in diesem Bereich als Bannwald gesichert ist und damit als unersetzlich gilt. Im Süden der Potentialfläche befindet sich zur Zeit eine Photovoltaikanlage, im Osten ist ein Vorranggebiet für Windräder ausgewiesen.

Diese Nutzungskonflikte zeigen, dass es hier problematisch werden wird, ein großes, zusammenhängendes Gebiet für den Muschelkalkabbau auszuweisen. Dass schließe aber nicht aus, dass vielleicht auf einzelnen, kleineren Flächen Steinbrüche genehmigt werden könnten, erklärt Weidlich.
Bund Naturschutz will Wald erhalten
Auch in den weiteren Potentialflächen könnten Konflikte auftreten. Große Wälder sind betroffen, die im Regionalplan eine besondere Bedeutung haben. Oliver Weidlich erklärt, wie die Regionalplaner die Situation einschätzen: "Wälder haben Funktionen, die im Waldfunktionsplan dargestellt sind. Im Raum Kirchheim befinden sich zum Beispiel Wälder mit besonderer Bedeutung für den Klimaschutz und für das Landschaftsbild." In der Planung gelte es abzuwägen, welche Wälder man roden und anderswo wieder aufbauen könne, und welche unersetzlich sind.
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Steffen Jodel, Geschäftsführer der Würzburger Kreisgruppe des Bund Naturschutz, sieht das kritisch: Bis ein neuer Wald die Funktionen des alten erfüllen könne, brauche es sehr viel Zeit, gibt der Biologe zu bedenken. "Der Klimawandel macht es neuen Bäumen außerdem immer schwerer, Wurzeln zu schlagen." Es sei fatal, in einer so waldarmen Region Bäume zu fällen.
Das sagt der Kirchheimer Bürgermeister
Die Wälder in den Potentialflächen III und IV gehören zu großen Teilen der Gemeinde Kirchheim, der Wald in Fläche V komplett. Björn Jungbauer, Bürgermeister der Gemeinde, war von Beginn an über die Bohrungen des Landesamts für Umwelt informiert. Er war es auch, der den Abbruchunternehmern die frohe Kunde von den neuen möglichen Abbauflächen überbrachte. "Da haben schon einige mit ganz gespitzten Ohren zugehört", sagt er.
Die Stimmung unter den Kichheimern sei gemischt, so Jungbauer. "Die Einen sehen den Schmutz auf den Straßen und die kaputte Landschaft – die Anderen denken an die Arbeitsplätze und die Steuereinnahmen."
Er kann sich nicht vorstellen, dass im Gemeindewald bald großflächig Muschelkalk abgebaut wird, er und der Gemeinderat würden einem Abbau dort nicht zustimmen. Für die Privatflächen außerhalb des Waldes kann Jungbauer keine Aussage treffen. "Letztlich müssen wir schauen, was im Regionalplan festgelegt wird." Sollte es eine Vorrangfläche geben, stünden die Chancen gut, dass dort tatsächlich Steinbrüche entstehen. Sicher ist aus Jungbauers Sicht nur eines: "Dass es eine spannende Diskussion im Planungsausschuss geben wird."
In einer früheren Version dieses Textes wurde nicht deutlich, dass es im Kirchheimer Gemeindewald auch dann keinen Kalksteinabbau geben wird, wenn dort ein Vorranggebiet ausgewiesen werden sollte. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.