Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Würzburg: Urteil: Ärzte und Sterbehelfer dürfen Suizid ermöglichen

Würzburg

Urteil: Ärzte und Sterbehelfer dürfen Suizid ermöglichen

    • |
    • |
    Ein Altenpfleger hält in einem Pflegeheim die Hand einer Frau. Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe in Deutschland für verfassungswidrig erklärt.
    Ein Altenpfleger hält in einem Pflegeheim die Hand einer Frau. Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe in Deutschland für verfassungswidrig erklärt. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Das Bundesverfassungsgericht hat die Tür für organisierte Angebote zur Sterbehilfe in Deutschland weit aufgestoßen. Das bisherige Verbot verletze das Recht des Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Sterben, urteilten die Karlsruher Richter am Mittwoch nach Klagen von Schwerkranken, Sterbehelfern und Ärzten. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Das gilt ausdrücklich für jeden, nicht nur für unheilbar Kranke. (Az. 2 BvR 2347/15 u.a.).

    Kirchen sehen das Urteil kritisch

    Die beiden großen Kirchen reagierten besorgt. Von Ärzten und aus der Politik kam ein geteiltes Echo. Die Bundesregierung will das Urteil zunächst prüfen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz beklagte, nun werde die Selbsttötung zur selbstverständlichen Therapieoption. Der Gesetzgeber habe kein Instrument, dem noch Riegel vorzuschieben. 

    Kritisch sieht das Urteil auch Würzburgs Bischof Franz Jung: "Die Zulassung organisierter Angebote der Selbsttötung kann dazu führen, Druck auf alte und kranke Menschen auszuüben, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen", ließ er auf Anfrage mitteilen. Für Christen gelte nach dem Urteil um so mehr, alte und kranke Menschen zu begleiten und sie nicht alleine zu lassen. Genau dies sei bislang durch den Paragrafen 217 geschehen, findet Sabine Dittmar, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Bad Kissingen. Die gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion begrüßt das Urteil. Nun erhielten Patienten und Ärzte Rechtssicherheit. 

    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts bei der Verkündung des Urteils: von links Sibylle Kessal-Wulf, Vorsitzender Andreas Voßkuhle, Peter M. Huber, Johannes Masing und Ulrich Maidowski.
    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts bei der Verkündung des Urteils: von links Sibylle Kessal-Wulf, Vorsitzender Andreas Voßkuhle, Peter M. Huber, Johannes Masing und Ulrich Maidowski. Foto: Uli Deck, dpa

    Die Karlsruher Richter erklärten den Strafrechtsparagrafen 217, der seit Dezember 2015 "geschäftsmäßige" Sterbehilfe verbietet, für nichtig, weil er "die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert". Eine Regulierung soll aber möglich sein. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte, auch das Handeln von Suizid-Assistenten genieße einen weitreichenden grundrechtlichen Schutz. Ohne Dritte könne der Einzelne seine Entscheidung zur Selbsttötung nicht umsetzen. 

    Aktive Sterbehilfe bleibt tabu

    Dabei hat "geschäftsmäßig" nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt". Aktive Sterbehilfe – also eine Tötung auf Verlangen, etwa durch eine Spritze – bleibt verboten. Bei der assistierten Sterbehilfe wird das tödliche Medikament nur zur Verfügung gestellt, der Patient nimmt es selbst ein. Bisher bieten vor allem Sterbehilfe-Vereine so etwas an. Sie hatten ihre Aktivitäten in Deutschland 2015 weitgehend eingestellt. Ärzte sind nach Eindruck der Richter nur selten dazu bereit. Das Urteil verpflichtet auch keinen Mediziner, gegen seine Überzeugung Sterbehilfe zu leisten. Anspruch auf Hilfe gebe es nicht.

    Nach Voßkuhles Worten hat der Gesetzgeber "ein breites Spektrum an Möglichkeiten", um die Suizidhilfe zu regulieren. Das Urteil nennt beispielhaft Sicherungsmechanismen wie gesetzlich festgeschriebene Aufklärungs- und Wartepflichten. Die Zuverlässigkeit von Anbietern könne über Erlaubnisvorbehalte gesichert werden. Besonders gefahrträchtige Formen könnten verboten werden. Die Umsetzung erfordere möglicherweise Anpassungen des Betäubungsmittelrechts, hieß es. Auch das Berufsrecht der Ärzte und Apotheker müsse entsprechend ausgestaltet werden.   (mit Material von dpa)

    • Das komplette Urteil des Bundesverfassungsgerichts

    Was Palliativmediziner aus der Region zum Urteil sagenErleichtert über das Urteil zeigen sich Palliativmediziner in der Region. Der Paragraf 217 habe für große Verunsicherung bei den Ärzten gesorgt, so Rainer Schäfer, Chef der Palliativmedizin am Würzburger Juliusspital. "Die Angst war da." Dass die Verfassungsrichter den Paragrafen komplett kassieren würden, hatte Schäfer nicht erwartet - eher mit einer Einschränkung gerechnet. Nun aber könnten Palliativmediziner wieder offener mit Patienten umgehen und unbefangen auch über einen möglichen Sterbewunsch sprechen. Dies sei positiv für das Arzt-Patienten-Verhältnis. Die Palliativmedizin sieht Schäfer durch das Urteil "als echte Alternative" gestärkt und gefordert: "Wir wollen auf die Menschen eingehen - natürlich mit der Hoffnung, einen Suizid zu verhindern."Wieder näher am Patienten und weniger am Paragrafen - das erhofft sich auch Birgitt van Oorschot, leitende Oberärztin am Palliativzentrum der Uniklinik Würzburg, nach dem Urteilsspruch. Palliativmediziner bräuchten Freiraum und Zeit. Der Paragraf 217 habe mehr Probleme als Lösungen geschaffen. Dass sich Menschen nicht zu einem Suizid gedrängt fühlen, hält van Oorschot für eine Aufgabe der Gesellschaft. Wie Schäfer erwartet auch sie nun Regelungen und Kriterien, um einen Missbrauch zu verhindern. So sei etwa zu überlegen, Suizidhilfe im Falle von Depressionen auszuschließen. (aj)

    Wenn Sie Gedanken quälen, sich selbst das Leben zu nehmen, dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können. Der Krisendienst am Kardinal-Döpfner-Platz 1 ist Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr geöffnet, Tel. (0931) 571717, und täglich von 18.30 bis 00.30 Uhr ist unter derselben Nummer ein telefonischer Bereitschaftsdienst erreichbar.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden