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Würzburg: Warum ein Würzburger Architekt ein Denkmal für Hanau gestalten möchte

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Warum ein Würzburger Architekt ein Denkmal für Hanau gestalten möchte

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    Bei einem Gestaltungswettbewerb für ein geplantes Mahnmal für die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau 2020 waren insgesamt 118 Vorschläge eingereicht worden. Fünf Entwürfe haben es in die Endauswahl geschafft - darunter einer des Würzburger Architekten Matthias Braun.
    Bei einem Gestaltungswettbewerb für ein geplantes Mahnmal für die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau 2020 waren insgesamt 118 Vorschläge eingereicht worden. Fünf Entwürfe haben es in die Endauswahl geschafft - darunter einer des Würzburger Architekten Matthias Braun. Foto: Ivana Biscan

    Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtovic, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Paun, Said Nesar Hashemi und Fatih Saraçoglu - ihre Namen sollen niemals vergessen werden. Diese neun Menschen wurden Opfer eines Einzeltäters, der am 19. Februar 2020 im hessischen Hanau aus rassistischen Motiven getötet hat. Mit einem Denkmal will die Stadt Hanau künftig an sie erinnern.

    Bei dem Gestaltungswettbewerb für das geplante Mahnmal waren insgesamt 118 Vorschläge eingereicht worden, ein Fachbeirat und eine Jury trafen die Vorauswahl. Fünf Entwürfe haben es in die Endauswahl geschafft - darunter der Entwurf "Bruchstücke" des Würzburger Architekten Matthias Braun, der unter anderem bereits den DenkOrt Deportation am Würzburger Hauptbahnhof realisiert hat. Im Gespräch erklärt er, warum ihm die Gestaltung von Gedenkstätten ein persönliches Anliegen ist und welche Rolle Spiegelflächen dabei spielen. 

    Frage: Warum haben Sie sich für das Denkmal in Hanau beworben?

    Matthias Braun: Der rassistische Anschlag am 19. Februar 2020 mit neun Todesopfern hat mich zutiefst erschüttert und bewegt. Als ich von der Auslobung eines Wettbewerbs für ein Mahnmal in Hanau erfuhr, war für mich schnell klar, dass ich daran teilnehmen werde - auch wenn mir bewusst war, wie schwierig dieses Thema zu bearbeiten ist. Denn das schreckliche Ereignis lag zum Zeitpunkt der Bearbeitungsphase gerade einmal ein dreiviertel Jahr zurück und die Wunden sind noch ganz frisch. Trotzdem habe ich die Herausforderung angenommen und versucht, die Themen Tod, Mord, Gedenken und die damit verbundenen Emotionen in einem künstlerisch gestalteten Mahnmal zu verarbeiten.

    Der Entwurf "Bruchstücke" des Künstlers Matthias Braun aus Würzburg.
    Der Entwurf "Bruchstücke" des Künstlers Matthias Braun aus Würzburg. Foto: Frank Rumpenhorst

    Wie kamen Sie auf die Idee für das Modell? Können Sie etwas über den Entstehungsprozess erzählen?

    Braun: Ein Bild eines Künstlers, das Scherben zeigt und auf das ich zufällig im Internet gestoßen bin, inspirierte mich zu meinem Entwurf "Bruchstücke". Eine Wandscheibe mit 2,50 Meter Länge und 2,50 Meter Höhe aus Cortenstahl, das eine lebendige rostfarbene Textur besitzt, symbolisiert die vielfältige Gemeinschaft, zu der jeder Einzelne in seiner Individualität unabhängig von Staatsangehörigkeit, Religion oder Hautfarbe gehört. Durch die Wucht der Tat sind Teile aus der Gesellschaft förmlich herausgerissen worden. Die neun Fragmente aus spiegelpoliertem Edelstahl stehen für die Opfer des Mordanschlags. Die Bruchstücke machen den Verlust sichtbar. Auf einer Seite des Denkmals sind auf den Spiegelflächen die Namen der Opfer mit Geburtsjahr schwarz eingraviert. Auf den entsprechenden Gegenstücken der anderen Seite der Wandscheibe können die Angehörigen etwas ganz persönliches zum Beispiel ein Porträt, den Spitznamen, ein Bild oder Ähnliches eingravieren lassen. Dadurch entsteht ein persönlicher Bezug der Angehörigen zu dem Mahnmal. Dieser Aspekt hat sich erst in der zweiten Bearbeitungsphase ergeben, als der Entwurf im Kreis der Angehörigen vorgestellt wurde. Den Wunsch nach einer individuellen Gestaltungsmöglichkeit, der dort geäußert wurde, habe ich so versucht, in mein Konzept zu integrieren.

    Welche Symbolik steckt hinter den Spiegeln?

    Braun: Ein Aspekt ist, dass durch Verwendung der Spiegel die Wandscheibe optisch fragmentiert und so die Idee der Bruchstücke stärker herausgearbeitet wird. Sie wirkt aus der Entfernung, als hätte sie Löcher beziehungsweise Fehlstellen. Das Thema des Verlusts wird dadurch eindringlich visualisiert. Ein zweiter wichtiger Gesichtspunkt ist, dass sich die Betrachter des Mahnmals auf den Edelstahlflächen spiegeln. Die Namen der Opfer bekommen so ein Gesicht. Das Denkmal wird plötzlich lebendig und der Betrachter geht unweigerlich eine Verbindung mit der Gedenkstätte ein, sobald er sein Spiegelbild entdeckt. Dadurch möchte ich natürlich auch Denkprozesse anregen. Auch die gesamte Umgebung spiegelt sich auf den Flächen: Menschen, Autos, Häuser, Bäume, der Himmel...

    Sie haben schon einige Gedenkstätten entworfen. Ist Ihnen dies auch ein persönliches Anliegen?

    Braun: Ja, das ist es. Ich bin geschichtlich sehr interessiert und es ist immer wieder spannend, sich in die jeweiligen Themenkomplexe einzuarbeiten und zu versuchen, die Aufgabenstellung in eine ansprechende Architektur oder in ein Kunstobjekt zu übersetzen, das die Menschen anspricht und zum Nach-­- und Gedenken anregt. In den letzten Jahren hat sich das nach und nach entwickelt. Inzwischen habe ich in Schwetzingen die Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus, in Würzburg die Erweiterung der Gedenkstätte 16. März 1945 und den DenkOrt Deportationen 1941 - 1944 und zuletzt in Kirchhain das Mahnmal am jüdischen Friedhof realisiert.

    Im Rennen sind noch vier weitere Entwürfe. Wie rechnen Sie sich Ihre Chancen aus?

    Braun: Alle fünf Arbeiten, die es von den ursprünglich 118 aus aller Welt eingereichten Arbeiten in die letzte Runde geschafft haben, sind sehr gut und besitzen ganz unterschiedliche Qualitäten. Es liegt nun an den Angehörigen, der Stadt Hanau und der Jury, den Entwurf zu finden, der die vielfältigen und komplexen Ansprüche, die an ein solches Mahnmal gestellt werden, am besten erfüllt. Zusätzlich findet parallel eine Bürgerbefragung statt, in der ein Stimmungsbild eingefangen wird und das den Entscheidungsträgern behilflich sein soll. Wenn die Wahl auf mein Konzept fällt, würde ich mich natürlich sehr freuen.

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