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Würzburg: Wie Kinder unter der Pandemie leiden: Bedarf an Psychotherapie in Würzburg gestiegen

Würzburg

Wie Kinder unter der Pandemie leiden: Bedarf an Psychotherapie in Würzburg gestiegen

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    Fehlende Kontaktmöglichkeiten in der Corona-Pandemie, zum Beispiel wegen Quarantänemaßnahmen, setzen Kindern und Jugendlichen besonders stark zu.
    Fehlende Kontaktmöglichkeiten in der Corona-Pandemie, zum Beispiel wegen Quarantänemaßnahmen, setzen Kindern und Jugendlichen besonders stark zu. Foto: Symbolbild Getty Images

    Quarantäne. Distanz-Unterricht. Maskenpflicht in der Schule. Ständiges Testen. Abgesagte Geburtstagsfeiern und Partys. Zwei Jahre Corona-Pandemie haben nicht nur den Erwachsenen zugesetzt. Besonders für Kinder und Jugendliche haben sich die vergangenen Monate schwierig gestaltet. Das hat Folgen.

    "Kinder haben zum Beispiel verlernt, sich mit Freunden zu treffen", sagt die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Katrin Kömm, die in Würzburg eine Gemeinschaftspraxis betreibt. Findet eine Zusammenkunft statt, bewirke das bei Kindern oft ein schlechtes Gewissen, "vor allem, wenn sie strenge Eltern haben".

    Das ist nur einer von vielen Punkten. "Je länger sich die Pandemie und die dadurch bedingten Einschränkungen in die Länge gezogen haben, umso größer sind die Belastungen auch für die Kinder geworden", erklärt Professor Dr. Marcel Romanos, Leiter der Kinderpsychiatrie am Universitätsklinikum Würzburg und beruft sich dabei auch auf die Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

    Nachfrage nach Plätzen für Kinder in der Psychotherapie steigt

    Darin wird untersucht, wie sich die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland durch die Pandemie verändert haben. Demnach litten mehr als ein Drittel der Kinder unter einer eingeschränkten Lebensqualität. Die Zahlen seien – wie auch die dritte Befragungsrunde der Studie bestätigt – leicht rückläufig, berichtet Romanos und führt das auf die gelockerten Corona-Maßnahmen in den vergangenen Monaten zurück.

    Prof. Dr. Marcel Romanos, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg.
    Prof. Dr. Marcel Romanos, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg. Foto: Thomas Pieruschek, Uniklinikum Würzburg

    "Das Leben ist wieder normaler geworden ist und die Schulen mussten nicht wie im ersten und zweiten Lockdown schließen. Vielleicht hat auch eine gewisse Gewöhnung an manche Maßnahmen stattgefunden." Dennoch: Entwarnung gibt der Experte nicht. Der Bedarf sei weiter hoch, das merke man sowohl in der Kinderpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg als auch in anderen Fachkliniken der Region. "Es gibt eine deutliche Zunahme von Notfällen." Symptome seien oftmals Ängste und Depressionen.

    "Wir haben mehr als das Doppelte an Anfragen, obwohl auf der Homepage steht, dass wir keine Plätze mehr frei haben."

    Katrin Kömm, Diplompädagogin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin

    Auch in den Würzburger Praxen ist die Nachfrage nach Therapien deutlich angestiegen. "Wir haben mehr als das Doppelte an Anfragen, obwohl auf der Homepage steht, dass wir eigentlich keine Plätze mehr frei haben", sagt Katrin Kömm. Dieser Trend setzte erstmals nach dem ersten Lockdown 2020 ein, weiter ging es nach dem zweiten Lockdown im vergangenen Jahr. Aufgrund der hohen Nachfrage arbeitet die Psychotherapeutin rund ein Viertel mehr als zu Zeiten vor der Pandemie.

    Die hohe Nachfrage bestätigt auch Dr. Klaus Ulrich Öhler, der mit Kollegen eines der größeren ambulanten Behandlungszentren in Würzburg für die Fachgebiete Neurologie, Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie betreibt. "Wir arbeiten hier mit 15 Ärzten und 23 Pädagogen zusammen." Während es vorher immer noch Zeitpuffer gegeben habe, "sind wir jetzt gut ausgebucht".

    Bisher sei es aber immer möglich gewesen, im Notfall noch jemanden aufzunehmen. Überhaupt sehe er Würzburg, was psychotherapeutische Hilfen für Kinder und Jugendliche angeht, gut aufgestellt. Durch seine Arbeit im Berufsverband weiß er, dass es in anderen Städten und Bundesländern ganz anders aussehe.

    Corona-Pandemie selten alleinige Ursache für psychische Erkrankung

    Was die Pandemie als Ursache für psychische Erkrankungen angeht, ist Prof. Romanos vorsichtig: Bei psychischen Erkrankungen spielten meist vielfältige und komplexe Zusammenhänge eine Rolle. Man könne also in vielen Fällen die Pandemie nicht als alleinige Ursache ansehen, es spielten verschiedene Faktoren aus dem laut Experten "biopsychosozialem Umfeld" mit ein. Zudem kommt: Bereits vor der Corona-Pandemie habe es einen Anstieg an Kindern gegeben, die unter psychischen Problemen litten, berichtet er.

    Auffallend sei gewesen, berichtet Psychotherapeutin Kömm, dass junge Erwachsene, die bereits vor der Pandemie eine Therapie abgeschlossen hatten, einen Rückschlag ihrer psychischen Gesundheit durch die Corona-Situation erlitten. Diese Erfahrung hat auch Öhler in seinem Behandlungszentrum gemacht.

    Was genau Kinder und Jugendliche in der Pandemie belastet hat, sei sehr unterschiedlich, fügt Romanos an. Für das eine Kind sei das andauernde Maskentragen in der Schule belastend, ein anderes Kind leide unter sozialer Isolation, ein weiteres unter dem Verlust des Arbeitsplatzes eines Elternteils oder unter Ängsten durch die eigene Erkrankung.

    Gestiegener Medienkonsum durch die Pandemie

    Ziemlich eindeutig auf die Pandemie-Situation zurückzuführen ist indes ein gestiegener Medienkonsum, der in eine Art "Verhaltenssucht" münden kann. So gibt es laut Romanos seit Kurzem eine neue Diagnose namens "pathologischer Medienkonsum", die dieses Phänomen beschreibt. Gerade in den Lockdowns hätten viele Kinder mehr Medien konsumiert, da Eltern arbeiten mussten und die Kinder und Jugendlichen mehr auf sich gestellt waren.

    Laut Professor Dr. Marcel Romanos ist die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie gestiegen.
    Laut Professor Dr. Marcel Romanos ist die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie gestiegen. Foto: Eduardo Parra

    Öhler und Romanos heben zudem hervor, wie wichtig der Austausch mit den Schulen ist. Gerade in den vergangenen Monaten hätten viele Kinder auch mit einem subjektiv empfundenen Leistungsdruck zu kämpfen gehabt, beschreibt Öhler. "Da arbeiten wir eng mit den Schulen zusammen." Öhler ermuntert Eltern, keine Scheu vor einer Therapie des Kindes zu haben. Man könne sich ja auch erstmal zwanglos informieren.

    Brauchen wir mehr Schulpsychologen und Sozialarbeiter?

    Romanos würde sich mehr Schulpsychologen und Sozialarbeiter für die Schulen wünschen und eine bessere Vernetzung der Hilfesysteme. Auf Nachfrage der Redaktion im bayerischen Kultusministerium heißt es, man sei sich der großen Wichtigkeit einer bestmöglichen schulpsychologischen Betreuung bewusst.

    Durch das Programm "Schule öffnet sich" würden seit dem Schuljahr 2018/2019 bis zum Endausbau im Schuljahr 2022/2023 insgesamt 300 Stellen für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen geschaffen. "Bis zum laufenden Schuljahr 2021/2022 wurden bereits 235 Stellen ausgereicht, ein weiterer Ausbau von 65 Stellen ist für das kommende Schuljahr vorgesehen", heißt es aus dem Ministerium weiter.

    Durch diese Aufstockung habe sich die Beratungskapazität der aktuell etwa 970 Schulpsychologinnen bzw. Schulpsychologen seit 2018/2019 bis zum aktuellen Schuljahr bereits nahezu verdoppelt. "Damit nimmt Bayern in der schulpsychologischen Versorgung im Ländervergleich einen Spitzenplatz ein", so ein Ministeriumssprecher. Auch von Seiten der Stadt Würzburg heißt es, dass man das Problem im Blick habe und dabei sei, weitere Stellen für Sozialarbeiter an Schulen zu schaffen, so Schulbürgermeisterin Judith Jörg.

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