Petra Müller-März ist eine zentrale Figur in Würzburgs Frauenszene. Wenn man sich eingehend mit ihr unterhält, wird schnell klar, dass Themen wie Gleichstellung, Emanzipation und Gewalt gegen Frauen sie nicht nur beruflich, sondern auch privat tief bewegen. 32 Jahre lang war sie in der städtischen Erziehungsberatung tätig, ehe sie 2015 zur Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Würzburg ernannt wurde. Ende September geht sie in den Ruhestand.
Im Gespräch schildert Müller-März die großen Herausforderungen, mit denen sie in den letzten Jahren konfrontiert war, und reflektiert über die bedeutendsten Meilensteine ihrer Karriere.
Frau Müller-März, nach neun Jahren im Amt der Gleichstellungsbeauftragten gehen Sie nun in den Ruhestand. Wie fühlt sich das für Sie an?
Petra Müller-März: Die Gefühle sind sehr gemischt, da beginnt schließlich ein neuer Lebensabschnitt. Auf der einen Seite empfinde ich große Freude über die neu gewonnene Freiheit. Auch wenn mir die Arbeit viel Spaß gemacht hat, war ich doch häufig durch Termine gebunden. Auf der anderen Seite ist da ein wenig Trauer, da es sich um einen Abschied handelt und ich ein Thema loslassen muss, das mich schon begleitet, lange bevor ich Gleichstellungsbeauftragte wurde. Seit den 80er Jahren bin ich in feministischen Frauenkreisen in Würzburg aktiv. Doch das bleibt mir auch weiterhin.

Warum braucht eine Stadt überhaupt eine Gleichstellungsbeauftragte?
Müller-März: Das Grundgesetz gibt uns ein Versprechen: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Doch im Alltag ist das leider nicht so. Im politischen Bereich bundesweit sieht man beispielsweise, dass Frauen und Männer in Gremien nicht gleichberechtigt vertreten sind. Doch Politik gestaltet ja unsere Rahmenbedingungen - gerade auch im kommunalen Bereich. Jede Stadträtin und jeder Stadtrat bringt ihre und seine Lebenserfahrungen mit ein. Der Stadtrat in Würzburg stellt nahezu eine Ausnahme dar, hier liegt der Frauenanteil bei 46 Prozent.
Ein anderes großes Thema ist die gerechte Vereinbarkeit von unbezahlter Sorgearbeit und Erwerbstätigkeit. Wenn Frauen sich entscheiden, Mutter zu werden, gehen sie oft ein langfristiges finanzielles Risiko ein. Es ist wichtig, die Menschen darüber aufzuklären, welche Konsequenzen ein Hauptverdiener-Modell in der Familie haben kann. Das kann funktionieren, solange die Ehe intakt bleibt. Doch wir sehen ein starkes wirtschaftliches Ungleichgewicht. Und leider wissen wir auch, wie viele Ehen jährlich geschieden werden und dass Frauen oft weiterhin in der Teilzeit bleiben und somit wenig Geld im Alltag und auch wenig Geld im Alter haben.
Ein weiteres bedeutendes Thema ist die Gewalt gegen Frauen. Jede dritte Frau erlebt in ihrem Leben Gewalt, jede vierte in der Partnerschaft. In Würzburg haben wir diesbezüglich relativ gute Beratungsangebote, bundesweit ist die Situation jedoch weniger zufriedenstellend. Dies sind nur einige der vielen externen Themen, mit denen sich eine Gleichstellungsbeauftragte auseinandersetzen muss. Auch sind wir nach dem Bayerischen Gleichstellungsgesetz verwaltungsintern dafür zuständig, den Vollzug des Gesetzes zu fördern und zu überwachen. Ich denke aber, das verdeutlicht die Wichtigkeit dieser Arbeit.

Können Sie uns von den größten Herausforderungen erzählen, die Ihnen während Ihrer Amtszeit begegnet sind?
Müller-März: Eine der größten Herausforderungen während meiner Amtszeit war und ist, ein grundlegendes Bewusstsein und Akzeptanz für das Thema Gleichstellung zu schaffen. Viele Menschen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Rolle einer Gleichstellungsbeauftragten, doch nur wenige verbinden sie mit dem Verfassungsauftrag aus Artikel 3: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Es ist also oft nötig, den Menschen ins Gedächtnis zu rufen, worum es eigentlich geht: um Gerechtigkeit und darum, die Versprechen unseres Grundgesetzes in die Praxis umzusetzen.
Herausfordernd war auch die Eröffnung unseres Regenbogenbüros, das wir mit Unterstützung des Stadtrats und einer Förderung des Bayerischen Sozialministeriums realisieren konnten. Trotz großer Unterstützung gab es auch erheblichen Gegenwind aus der Stadtgesellschaft. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Stadt klar zum Thema bekannt und damit die LGBTQ-Community sichtbar gemacht hat – etwas, das längst überfällig war.

Eine dritte, besonders schwierige Aufgabe war das Thema sichere medizinische Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen in Konfliktsituationen, gemäß dem Schwangerschaftskonflikt-Gesetz. Eine wohnortnahe medizinische Versorgung war nicht gesichert. Hier habe ich von 2021 bis 2024 einen Arbeitskreis moderiert. Dank engagierter Mediziner:innen ist eine wohnortnahe medizinische Versorgung nun wieder möglich. Das hat gedauert und war nicht einfach, da es auch ein emotionales Thema ist und die Verortung im Strafgesetzbuch Mediziner:innen abschreckt, die Versorgung anzubieten.
Was waren die bedeutendsten Erfolge und Meilensteine, die Sie in Ihrer Zeit als Gleichstellungsbeauftragte erreicht haben?
Müller-März: Der erste Meilenstein überhaupt war 2018, da war ich noch nicht so lange im Amt. Da habe ich viele verschiedene Frauengruppen zum Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht eingeladen. Daraus entstand ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm sowie eine Broschüre mit dem Titel "Würzburgerinnen machen Politik". Diese Broschüre ist ein echtes Stück Geschichtsunterricht: Wir haben darin den Weg zum Frauenwahlrecht beschrieben und alle Stadträtinnen von 1919 bis heute porträtiert. Darauf bin ich nach wie vor sehr stolz.
Besonders stolz bin ich auch auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Stadtgesellschaft. Es gibt in Würzburg so viele verschiedene Frauengruppen und Organisationen, und es ist uns gelungen, mit all diesen Akteurinnen gut zusammenzuarbeiten. Das war wirklich großartig. Auch innerhalb der Stadtverwaltung haben wir uns einen guten Stand erarbeitet.

Inwiefern äußert sich dieser gute Stand?
Müller-März: Das Zugehen auf uns, auf mich und meine vier Kolleg:innen, hat sich verändert. Heute werden wir häufig kontaktiert, um sachlich und gezielt zu verschiedenen Themenbereichen unseren Beitrag zu leisten. Auch haben sich viele Kolleg:innen bei der Erstellung des ersten Gleichstellungspolitischen Aktionsplans beteiligt.
Haben Sie Ratschläge für Ihre Nachfolgerin?
Müller-März: Ich erteile keine Ratschläge. Sie muss ihren eigenen Weg gehen. Dabei gibt es nur zwei Rahmenbedingungen zu beachten: das Bayerische Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Gleichstellungssatzung des Stadtrats der Stadt Würzburg.
Zum Abschluss noch ein Blick in die Zukunft: Wann ist der Tag erreicht, an dem die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt ihr Büro ruhigen Gewissens räumen kann?
Müller-März: Das weiß ich leider nicht. Es sind so viele Themen, die gleichstellungsrelevant sind, dass es noch viel zu tun gibt. Wir werden uns noch lange Zeit damit beschäftigen müssen.
Die Nachfolgerin von Petra Müller-März wird ab dem 1. Oktober Monika Kraft, bislang stellvertretende Fachbereichsleiterin Jugend und Familie der Stadt Würzburg.
Hinweis: In diesem Text finden Sie eine gegenderte Formulierung, weil dies der Gesprächspartnerin wichtig war.