Nach dem Groben kommt das Gründliche. Nach der mechanischen Reinigung die Mikrobiologie. Wenn die Rechen ihre Arbeit getan haben, wenn erst einmal all das Klopapier, die Taschentücher, Essensreste, großen Feststoffe aus dem Abwasser entfernt sind und sich im Sandfang Körnchen, Schwimmstoffe und Schlamm abgesetzt haben, dürfen die Bakterien ran.

Sie heißen 'Belebungsbecken': Rundbecken, in denen Mikroorganismus die Nährstoffe aus dem Abwasser zersetzen, 24 Stunden lang.
Sie heißen "Belebungsbecken": Rundbecken, in denen Mikroorganismus die Nährstoffe aus dem Abwasser zersetzen, 24 Stunden lang. Foto: Johannes Kiefer

„Belebungsverfahren“ nennen die Klärwerker die biologische Reinigungsstufe mit den Milliarden von winzigen Helfern. Die Anlagen dazu: Belebungsbecken. In vier „Straßen“ mit mehr als 40 000 Kubikmeter Fassungsvermögen und durch eine Turbobelüftung reich mit Sauerstoff versorgt zersetzen Mikroorganismen die organischen Inhaltsstoffe. Ziemlich effektiv und nahezu komplett.

„Wir schaffen fast 99 Prozent“, sagt Peter Stadtmüller, „die Reinigungsleistung ist sehr hoch.“ Selbst Phosphate würden hier zu 95 Prozent eliminiert, Stickstoff immerhin zu über 80 Prozent. Dass eine Kläranlage das Abwasser nur grob mechanisch reinigt und filtert, ist lange Vergangenheit. Seit den 1970er Jahren gilt es, auch Nährstoffe aus dem Abwasser zu holen und zu beseitigen, möglichst vollständig.

Die Rechenanlage: Des Geruchs wegen findet die komplette mechanische Reinigung in Gebäuden statt.  
Die Rechenanlage: Des Geruchs wegen findet die komplette mechanische Reinigung in Gebäuden statt.   Foto: Johannes Kiefer
Blick in die Rechenanlage: Im ersten Schritt, der mechanischen Reinigung, werden die großen Feststoffe aus dem Abwasser geholt.
Blick in die Rechenanlage: Im ersten Schritt, der mechanischen Reinigung, werden die großen Feststoffe aus dem Abwasser geholt. Foto: Johannes Kiefer
Toilettenpapier und vieles, was nicht in die Kanalisation gelangen sollte: Das getrocknete Rechengut. 
Toilettenpapier und vieles, was nicht in die Kanalisation gelangen sollte: Das getrocknete Rechengut.  Foto: Johannes Kiefer

Peter Stadtmüller, Sicherheitsbeauftragter und Ausbilder im Klärwerk des Entwässerungsbetriebs Würzburg, ist „mit der Abwasserthematik aufgewachsen“. Und mit der Weiterentwicklung: Zu Mechanik und Biologie ist die Chemie gekommen, in der chemischen Reinigungsstufe eingeführt wird durch ein Fällungsmittel das Phosphat eliminiert, bevor es mit dem Wasser in den Main gelangen und die Algen animieren würde. Das ist das Ziel, von Peter Stadtmüller und seinen mehr als 80 Kollegen im Klärwerk im Würzburger Stadtteil Zellerau, ganz hinten am Ende der Mainwiesen: „Den Main sauber zu halten. Und etwas für die Umwelt tun.“

Blick über die Kläranlage in der Zellerau. Rechts: der Main. 
Blick über die Kläranlage in der Zellerau. Rechts: der Main.  Foto: Johannes Kiefer

Im 260 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet erstreckt sich der Fluss über 18 Kilometer. Denn der Entwässerungsbetrieb der Stadt Würzburg, kurz EBW, ist auch für elf Umlandgemeinden zuständig: „Fast alle Haushalte der Region, nämlich 99,5 Prozent, sind angeschlossen“, sagt Stadtmüller. Das Klärwerk mit den markanten eiförmigen Faultürmen reinigt damit das Abwasser für rund 200 000 Einwohner. Durch 540 Kilometer Kanäle fließt die braune Brühe ins Herz des Entwässerungsbetriebs, ins Klärwerk. Täglich rund 40 000 Kubikmeter – „bei trockenem Wetter“, sagt Stadtmüller, „bei Regen kann es viel, viel mehr sein“.

Die Faultürme aus der Vogelperspektive. 
Die Faultürme aus der Vogelperspektive.  Foto: Johannes Kiefer

Im Klärwerk angekommen, muss das Abwasser zuerst durch Rechenanlage und Sandfang. Nicht ohne Grund ist die gesamte mechanische Reinigung in geschlossenen Gebäuden untergebracht: „Minimierung von Geruchsemissionen“, sagt Umwelttechniker Stadtmüller nur. 200 Tonnen Rechengut ziehen die drei Stufenrechen – Durchgangsweite: sechs Millimeter – jährlich aus der Brühe. Klopapier, Hygieneartikel, Ohrenstäbchen, Windeln, Kippen, Katzenstreu . . . manchmal auch Spielzeug, Kaffeelöffel oder ein Handy.

„Vieles, was nicht ins Abwasser soll“, sagt Stadtmüller. Die Feuchttücher sind im Klärwerk ein Dauerthema – „zu dick, zu reißfest, die machen der Technik Probleme“. Und, seufzt der Reinigungsspezialist: „Essensreste, sehr unschön. Große, frische Salatblätter, Karotten und Sachen, die in den Biomüll gehören und mit hohem Aufwand zusätzlich entfernt werden müssen.“

Belüfteter Sandfang. 100 Tonnen Sand räumen die Klärwerksmitarbeiter jährlich von den Beckenböden.
Belüfteter Sandfang. 100 Tonnen Sand räumen die Klärwerksmitarbeiter jährlich von den Beckenböden. Foto: Johannes Kiefer

Im belüfteten Sandfang und in der „Vorklärung“ bleiben dann Schwimmstoffe und Schlamm liegen. 100 Tonnen Sand, eingeschwemmt von den Niederschlägen, pumpen die Klärwerksmitarbeiter pro Jahr aus den Beckenböden. So vorbehandelt, landet das längst nicht saubere Wasser bei den Bakterien, den Milliarden von Zersetzern. Rund 24 Stunden lang machen sie sich über die gelösten organischen Verbindungen und Nährstoffe her.

Hier wird das Abwasser biologisch gereinigt. Blick mit der Drohne auf Belebungsbecken.
Hier wird das Abwasser biologisch gereinigt. Blick mit der Drohne auf Belebungsbecken. Foto: Johannes Kiefer

Nächste Station: Nachklärbecken. In vier Rundbecken setzt sich die schwimmende flockige Bakterienmasse langsam nach unten ab. Als Überschussschlamm landet ein Teil der Bakterien-Flocken mit dem „Frischschlamm“ aus der mechanischen Reinigung in den beiden futuristischen, 22 Meter hohen Faultürmen.

Die Kammerfilterpresse, mit der der Klärschlamm entwässert wird.
Die Kammerfilterpresse, mit der der Klärschlamm entwässert wird. Foto: Johannes Kiefer
Entwässerter Klärschlamm, der verbrannt werden wird.
Entwässerter Klärschlamm, der verbrannt werden wird. Foto: Johannes Kiefer

Was tun mit rund 15 000 Tonnen entwässertem Klärschlamm jährlich? Das Gas, das bei der Faulung in den Riesen-Eiern entsteht, treibt die Blockheizkraftwerke an, die für den Strom im Klärwerk sorgen. „Und selbst der ausgefaulte Schlamm, der am Ende übrig bleibt, kann noch genutzt werden“, sagt Peter Stadtmüller. Getrocknet ist der Schlamm so energiereich wie Braunkohle, er wird verbrannt.

Das Wasser? „Ist jetzt gereinigt und kann in den Main abfließen.“

In Trichtergläsern werden die Reinigungsschritte anschaulich. Links ungereinigtes Abwasser, in der Mitte Abwasser nach der mechanischen Reinigung, rechts das geklärte, saubere Wasser.
In Trichtergläsern werden die Reinigungsschritte anschaulich. Links ungereinigtes Abwasser, in der Mitte Abwasser nach der mechanischen Reinigung, rechts das geklärte, saubere Wasser. Foto: Johannes Kiefer

Der Autor

Alice Natter

Alice Natter ist Redakteurin im Themenmanagement. Nach Germanistik- und Geschichte-Studium und Volontariat beim Südkurier in Konstanz war sie Kulturredakteurin und kam 2003 zur Main-Post. Sie war Reporterin in der Regionalredaktion, leitete den Newsdesk Süd und betreute verantwortlich die neue Wochenendausgabe. Als Themenchefin plant, organisiert und redigiert sie vor allem die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen – und schreibt selbst nur ab und an.
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