„Wir hatten mal einen Senat in Bayern: niemand vermisst ihn. Wir haben einen Bezirkstag: Wer braucht ihn?“ Die Frage des Kommentators auf mainpost.de lässt sich mit einem Blick auf die Zuständigkeiten beantworten. 5,5 Milliarden Euro haben die sieben bayerischen Bezirkstage in diesem Jahr zur Verfügung. Für Aufgaben, die man einem Landkreis nicht zumuten will. Behindertenwerkstätten und Förderschulen, Kliniken für seelische Erkrankungen, Freilichtmuseen, regionale Kulturförderung, Beratung in Umweltfragen . . . Nun muss sich nicht jeder für Fischereiwesen und Teichwirtschaft interessieren, auch Volksmusik und Sprache unserer Heimat muss nicht jedermanns Sache sein. Aber dass Menschen mit Behinderung, Suchtkranke, Pflegebedürftige, Menschen mit neurologischen Erkrankungen teils in erheblichem Maße von den Einrichtungen des Bezirks profitieren – spätestens das ist eine Antwort auf die Frage, wer den Bezirkstag braucht.
Eine lange Antwort. Die Frage, die der Kommentator hinterherschickt – „Brauchen wir den Führungskopf Bezirkstag mit solchen Politikern noch?“ – lässt sich mit vier Buchstaben beantworten. Nein. „Solche“ nicht.
Ein unterschätztes Gremium, das vernünftige Politik macht – für die Sache
Der Bezirkstag ist ein oft übersehenes, manchmal wohl unterschätztes Organ der dritten kommunalen Ebene. Was man ihm zugute halten kann: Das hier gewählte Vertreter – ehrenamtlich, wenngleich finanziell entschädigt– in unaufgeregter Weise wichtige, relevante Arbeit tun zum Wohl der Allgemeinheit.
In Unterfranken scheint das zuletzt gut gelungen. Spricht man mit Bezirksräten, gleich welcher Couleur, fallen immer wieder die gleichen Worte. Dass sich der (CSU-)Bezirkstagspräsident sehr um die Einbindung aller bemüht. Dass die Zusammenarbeit im Gremium wohltuend kollegial ist, dass es einen respektvollen, harmonischen Austausch zwischen den Fraktionen gibt. Dass statt Parteipolitik Themen im Vordergrund stehen, dass man sich zusammensetzt und fair um die Sache streitet, nicht um Macht.
Zusammenarbeit, Kommunikation, Austausch: Aufgekündigt?
Korrektur: Man muss die Vergangenheitsform wählen. Die Arbeit der Bezirksräte war konstruktiv-harmonisch, in der vergangenen Wahlperiode. Vor der ersten Sitzung des neu gewählten Bezirkstags an diesem Dienstag aber geht es plötzlich um Posten und Pöstchen und Vergütungen, um Machtverhältnisse in Ausschüssen, maximale Mehrheiten. Um es deutlich zu sagen: ums Ausbooten.
Die CSU – stärkste Fraktion mit 37,6 Prozent, aber mit 8,6 Prozent Minus auch Wahlverlierer – hat mit einem Antrag, der es in sich hat, das gute Miteinander aufgekündigt. Mit dem zweiten Wahlverlierer, der SPD, hat man nicht nur die Präsidentenposten unter sich ausgemacht, sondern sich auf eine Geschäftsordnung verständigt, die das Wählervotum eines farbigeren, ausgewogeneren Bezirkstags ad absurdum führt. Die der CSU die absolute Mehrheit in den wichtigen Ausschüssen sichert. Und, in letzter Konsequenz, das Gesamtgremium zum Kaffeekränzchen degradiert.
CSU-Rechentrick – mit Unterstützung der schwachen SPD

Neun statt acht Sitze soll es in den Ausschüssen künftig geben, was rechnerisch bedeutet: für jede Fraktion und Ausschussgemeinschaft einen, vier für die CSU. Also plus den Bezirkstagspräsidenten als Vorsitzenden: fünf für die CSU. Warum nicht gleich auf zehn Sitze erweitern? Weil das für die zweitestärkste Fraktion, für die Grünen, einen zweiten Sitz bedeuten würde. Und die CSU nicht die absolute Mehrheit hätte?
Eine Unterstellung, mag sein. Wie aber kommt man auf die Idee, die vorberatenden Ausschüsse zu beschließenden machen zu wollen? Wie, wenn man nicht die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung, also die Entmachtung des Plenums im Sinn hat?
In Schwaben gehen die beiden stärksten zusammen: Bezirkstagspremiere für schwarz-grün
In Schwaben haben sich die beiden stärksten Fraktionen CSU und Grüne gerade auf ein schwarz-grünes Koalieren und Einbinden aller anderen verständigt. In Unterfranken zeugt der Antrag der CSU in ungewöhnlicher Koalition mit der geschwächten SPD von einem überkommenen Politikverständnis, das mit Demokratie wenig zu tun hat und das im Bezirkstag zugunsten vernünftiger Sacharbeit längst überwunden schien. Ein trauriges Ränkespiel.