Die Welt hat einen Nord- und einen Südpol, die weit auseinander liegen und sich nicht ins Gehege kommen. Polarisation aber, also weit und unversöhnlich auseinander zu liegen, ist fast inflationär in Mode gekommen. Die Amis sind polarisiert in Demokraten und Republikaner, die Pandemie hat in Freunde und Feinde der damit verbundenen Maßnahmen geteilt. Selbst so ein bisschen Samstagabendunterhaltung wie "Wetten, dass...?" polarisiert die Fernsehnation.
Warum es immer schwerer wird nur "irgendwie" eine Meinung zu haben
Mit windelweichen Äußerungen wie "fand ich jetzt echt nicht so gut, ey" oder "war schon ganz okay" kommt man nicht mehr durch. Heutzutage muss man schon klare Kante beziehen, um nicht als Meinungsweichei weit weg von jeder frostigen Polkappe im Regen zu stehen. Es gibt nur noch Schwarz oder Weiß. Grautöne, die es möglich machen würden, dass man mal mit der anderen Seite sachlich redet, fehlen im polarisierten Meinungsdschungel.
So schwarzweiß wie einst der Ball
Da passt es ins Bild, dass selbstverständlich auch das Gekicke in Katar extrem polarisiert. Auf der einen Seite verkünden die Gegner beinahe gebetsmühlenartig, dass sie gerade wieder ein WM-Spiel durch ihren Boykott in die Bedeutungslosigkeit verbannt haben. Auf der anderen Seite Leute, die sich wenig mainstreamtauglich sagen: Hey, ich will doch nur ein bisschen Fußball gucken. Die Fußball-Welt ist wieder so Schwarz-Weiß geworden, wie einst der Ball war oder die Übertragung des Endspiels anno 1954.
Das ganze Affentheater einfach lächerlich zu finden, ist übrigens auch nicht mehr so leicht, denn zum Lachen, ganz besonders über polarisierende Themen, sollte man inzwischen vorsichtshalber in den Keller gehen.