Am Ende half Unterfrankens jüngstem „Anlügeberater“ nicht mal die Audienz beim Papst: Mit dem Klicken der Handschellen platzten Ende Oktober 2009 Helmut Kieners schillernde Versprechen vom schnellen Reichtum wie Seifenblasen. Aber noch jetzt lobt sich der Anlageberater in höchsten Tönen: Krise war anderswo, Finanz-Guru Kiener will mit seinem Hedgefonds K1 „einen Nettogewinn in der Höhe von über 770 Prozent“ erzielt haben, heißt es immer noch im Internet.
Hier kommen Sie zur Vorgeschichte und einem Lebenslauf Kieners
Auch FBI ermittelt gegen Aschaffenburger Hedgefonds-Manager
In Wahrheit kreist der Pleitegeier über seinen Fonds. Trotz lebhafter Bemühungen seines Münchner Promianwalts sitzt der 50-Jährige statt in seiner sonnigen 23-Millionen-Villa in Florida (oder dem 60-Millionen-Euro-Flugzeug) weiter in Untersuchungshaft. Die Würzburger Staatsanwaltschaft gilt in solchen Fällen als widerstandsfähig. Auch in der Schweiz, den USA, in Liechtenstein und den Britischen Jungferninseln will man wissen, wo etwa 280 Millionen Euro geblieben sind und wer dem Diplompsychologen half, Banken und Bürger jahrelang so „einzuseifen“, dass sie knapp eine Milliarde Euro in seine Hedgefonds investierten – seit 2001 gegen den (offenbar wenig effektiven) Widerstand der deutschen Finanzaufsicht Bafin.
Kiener war Psychologe und Verkäufer von Anzeigen in Telefonbüchern, ehe er sein Auskommen als Finanzberater fand. Offenbar haben seine Fabulierkünste über ein „halbautomatisiertes Allokations-System“ genügt, um den Glauben zu nähren, der fränkische Finanz-Guru habe die Formel zur wundersamen Geldvermehrung gefunden. Banken und Kunden überließen ihm Millionen.
Inzwischen suchen Detektive das Personal, das man braucht, um so viel Geld zu verwalten – bisher ebenso vergeblich wie die Fonds, in die Kiener Millionenbeträge der Anleger gesteckt haben will. Peinliche Fragen musste sich PriceWaterhouseCooper (PWC) gefallen lassen, eine renommierte Wirtschaftsprüfer-Gesellschaft, die Kieners Gesellschaft 2004 einwandfreie Buchführung attestierte. Das machte sich gut in Hochglanzprospekten, schuf Vertrauen bei Anlegern – auch wenn ein Insider heute sagt: Es sei gar nicht geprüft worden, ob es die Wunder-Rendite wirklich gab. Ins Zwielicht geriet auch die VP-Bank in Liechtenstein, die Kunden (auch in München) K1-Zertifikate anbot – und eigentlich zuvor prüfen musste. Das Gleiche gilt für Lebensversicherer Vienna Life, der Kieners Wundertüte seinen Kunden anbot.
Am besten aber fragt die Staatsanwaltschaft Würzburg – die der Spur nach Liechtenstein folgte – Aurelia Frick, die junge Justizministerin von Liechtenstein. Schon bisher litt der Ruf des Fürstentums darunter, dass deutsche Steuerflüchtlinge hier ein Versteck fanden. Nun holt die 34-jährige Ministerin (seit März 2009) ihre Vergangenheit ein: Bis Ende 2008 war die Juristin noch Direktorin der Vertriebsgesellschaft Kieners in London. Aber just, als Ermittlungen gegen den Anlageberater ruchbar wurden, überließ sie den Posten ihrem Vater Anton.
Die Würzburger Staatsanwaltschaft – an der Spitze der frühere Chef der Abteilung für Wirtschaftsdelikte Dr. Dietrich Geuder – will derzeit über Details ihrer Ermittlungen nichts sagen. Bekannt ist aber, dass das Rechtshilfeersuchen aus Würzburg auch im Fürstentum zu Ermittlungen wegen Geldwäsche führte.
„Frau Frick sieht sich in diesem Fall als eine Geschädigte wie viele andere“, betonte flugs ein Regierungssprecher. Im offiziellen Lebenslauf der Ministerin wird diese Tätigkeit aber nicht erwähnt, die nun für neue unliebsame Schlagzeilen über Liechtenstein sorgte. In nichtöffentlicher Sitzung musste die Ministerin dem Landtag Rechenschaft ablegen.
Ein Sprecher in Vaduz bestätigt, dass Aurelia Frick in London Treuhänderin der liechtensteinischen Treuhandgesellschaft Fidaura war – und dadurch bis Ende 2008 Aufsichtsrätin in Kieners Vertriebsfirma K1 Fund Distribution. Der Sprecher betonte, Aurelia Frick sei ihren Pflichten zur Prüfung sorgfältig nachgekommen. Sie habe Details zu dem Geschäftsmodell wissen wollen. Als keine befriedigende Antwort kam, habe sie ihr Mandat niedergelegt und die Fonds nie aktiv an den Kunden zu bringen versucht. Warum ihr Vater – trotz solcher Bedenken – von ihr das Amt übernahm, ist eine offene Frage.
In Würzburg zählen beide nicht zu den Verdächtigen, wie Leitender Oberstaatsanwalt Dietrich Geuder auf Anfrage sagte. In Liechtenstein wurde zunächst gegen fünf Personen ermittelt, zu denen die Ministerin ebenfalls nicht gehörte. Inzwischen wird gegen sieben Personen ermittelt.
Indessen gilt Kiener als erster Hedgefonds-Gründer in Deutschland, der mit der Art von Geldanlage Schiffbruch erlitten hat. Warnungen von Finanzexperten gab es aber – wie in den USA – seit Jahren, dass gerade die schwer zu kontrollierende Anlageform der Hedgefonds zum Betrug förmlich reizt.
Aufgeflogen ist er so nebenbei: Das FBI ermittelte gegen zwei Geldwäscher, die Tarnfirmen im Steuerparadies Britische Jungferninseln gründeten. Laut Anklage des Bezirksgerichts in Philadelphia erzählten sie einem als Kunden getarnten FBI-Agenten, dass sie auch für Kiener tätig waren. Das brachte Ermittler dazu, sich die Geschäfte näher anzusehen. Dadurch verfestigte sich der Eindruck, dass Kiener Millionen abgezweigt hat, statt sie in seine Hedgefonds zu investieren.
Renommierte Banken wie Barclays, Société Générale, BNP Paribas und JPMorgan vermissen einen dreistelligen Millionenbetrag. Gleiches gilt für 8000 Kunden. Kieners Anwälte meinen, dem 50-Jährigen könnten „allenfalls schlechte Investitionsentscheidungen vorgeworfen werden, nicht jedoch Untreuehandlungen“, heißt es. Das Geld sei „sämtlichst in vernünftigen Sachwerten investiert“ und „in Form des Werts vorhanden“.
Das sieht der Insolvenzverwalter Grant Thornton anders, der die Fonds abwickeln soll und vergeblich nach 350 Millionen Euro angelegter Gelder suchte: Auf den Konten ist Ebbe, Thornton teilt zur Jahreswende Kieners Anlegern mit: „Unsere Untersuchungen weisen darauf hin, dass diese Anlagewerte, soweit sie existieren, mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Wert aufweisen.“ Schon bringen Kunden ihre Anwälte in Stellung. Einer von ihnen, Dr. Walter Späth aus Berlin, erklärt: „Wir prüfen Schadensersatzansprüche gegen Helmut Kiener, die Vermittler der Anlage, die Kontenprüfer, aber auch gegen Depotbanken und Prospektverantwortliche.“
Bekannte des inhaftierten Kiener erinnern sich daran, wie gerne er im Rampenlicht stand: als Sponsor bei der X-MAS Gala in Würzburg wie bei Schickeria-Partys mit Peter Kraus, Rosi Mittermaier und Elmar Wepper oder 2008 bei der Privataudienz bei Papst Benedikt. Am Ende half ihm weder das noch der Diplomatenpass von Guinea-Bissau. Er kam in Untersuchungshaft wie eine Reihe anderer Finanz-Gurus zuvor, die in Unterfranken besonders reichhaltig gedeihen.
Mit großer Geste geht sein Imperium nun unter. In der Gläubigerversammlung können Kieners Kunden am 1. Februar hören, was von ihrem Geld übrig ist. Liquidierer Thornton hat dazu eingeladen – am Firmensitz der K1-Fonds auf den British Virgin Islands.