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Schweinfurt: Elektro-Mobilität: Warum ZF voll auf Schweinfurt setzt

Schweinfurt

Elektro-Mobilität: Warum ZF voll auf Schweinfurt setzt

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    Chef der E-Mobilität bei ZF in Schweinfurt: Jörg Grotendorst.
    Chef der E-Mobilität bei ZF in Schweinfurt: Jörg Grotendorst. Foto: ZF

    Frage: ZF will bei der Elektromobilität Vollgas geben. Sie sagten jüngst gar, dass ZF bei seinen Produkten für die Automobilbauer „alles elektrifizieren wird“. Was heißt das für den Standort Schweinfurt, der ja im Konzern bei der Elektromobilität eine große Rolle spielt?

    Jörg Grotendorst: Schweinfurt ist quasi die Wiege der Elektrifizierung bei ZF. Seit 2008 produzieren wir bereits den elektrischen Anteil in Hybridantrieben in Schweinfurt. Der Standort wird in diesem Bereich weiterwachsen – vor allem mit Fachkräften und hochgradig ausgebildeten Ingenieuren zur Elektrifizierung. Schweinfurt ist für uns der Industrialisierungs- und Pilotstandort für unsere Serienproduktion.

    Woher wollen Sie denn diese Fachkräfte bekommen? Mainfranken ist ja nicht Frankfurt, Hamburg, Berlin oder München. Ist die Region dafür aufgestellt, Ihnen diese Fachkräfte zu bieten?

    Grotendorst: Ja, das ist sie. Aber Schweinfurt ist auch nicht unser einziger Standort. Natürlich haben wir auch in Deutschland und über die Welt verteilt mehrere Entwicklungszentren.  Mit einem Standort allein kann man den Bedarf an Fachkräften grundsätzlich nicht mehr decken. Schweinfurt ist Kernzentrum der Elektromobilität, aber nicht der Ort des Geschehens allein.

    ZF ist Schweinfurts größter Arbeitgeber. Hier ein Blick auf eines der Werke im Süden der Stadt.
    ZF ist Schweinfurts größter Arbeitgeber. Hier ein Blick auf eines der Werke im Süden der Stadt. Foto: Oliver Schikora

    Am ZF-Standort in Schweinfurt arbeiten 9500 Menschen. Wie viele werden es in fünf Jahren sein?

    Grotendorst: Der Standort wird eine ähnliche Größe aufweisen wie heute, aber der Schwerpunkt des Geschäfts verlagert sich schrittweise. Wir haben in Schweinfurt Verantwortung für Mitarbeiter, die an anderen Themen außerhalb der Elektromobilität arbeiten. Da sich die gesamte Branche radikal verändert, werden wir Mitarbeiter aus den anderen Produktionslinien in die E-Mobilität übernehmen müssen. Wir sind also in einem kontinuierlichen Veränderungsprozess, um Menschen und Arbeitsplätze abzusichern, indem wir sie von bestehenden in neue Technologien überführen.

    ZF eröffnet in diesem Jahr in Serbien ein Werk mit 1000 Mitarbeitern, das ähnliche Aufgaben haben soll wie Schweinfurt. Wie ist das zu verstehen? Ist es ein erster Schritt ins Ausland, was die Produktion in der E-Mobilität angeht?

    Grotendorst: Ja, so ist das zu verstehen. Wir haben in Osteuropa noch attraktivere Lohnniveaus als in Deutschland. Haben dort auch ein attraktiveres Umfeld, was Investitionen und Energiekosten angeht und folgen damit im Übrigen unseren Kunden. Das machen wir eben nicht exklusiv: Wenn man sich die Landkarte der großen Werke der Automobilbauer anschaut, dann produzieren unsere Kunden auch zum Beispiel in Rumänien oder Ungarn. Insofern gilt: Kerntechnologien sowie Industrialisierungs- und Pilotanlagen sind in Deutschland, aber der Wettbewerb ist global.

    Trotzdem: Müssen sich die Schweinfurter wegen des neuen Werkes in Serbien Sorgen machen?

    Grotendorst: Nein. Das ist eine Marktentwicklung, die in jeder Branche üblich ist. Wir können in Deutschland Hochtechnologie entwickeln, aber müssen unheimlich aufpassen, dass wir uns an einem Standort nicht mit der Produktion festfressen und hinterher keinen Ausweg mehr finden. Es gab gerade in Franken zum Beispiel einige namhafte IT- und Fernsehhersteller, die diesen Schwenk nicht rechtzeitig geschafft haben, so dass es diese Unternehmen heute nicht mehr gibt. Das wird uns nicht passieren.

    Wenn ZF Vollgas geben will bei der Elektromobilität: Ist der Markt überhaupt reif für dieses Tempo? Sind wir Europäer scharf genug aufs E-Auto, damit Sie all Ihre Elektroantriebe absetzen können?

    Grotendorst: Europa ist übrigens nicht der größte Markt dafür, sondern China wegen der Regierungsinitiative zur Verminderung der Emissionen in den großen Städten. Was Europa angeht, stellt sich die Frage: Wenn die Gesetzesvorgaben nicht gewesen wären – wäre Europa dann bereit gewesen für den Airbag, für den Katalysator, für den Diesel-Partikelfilter? Die Luftreinhaltung und Schadstoffreduktion sind ein gesellschaftliches Problem. Darum hat sich auch die Politik zu kümmern. Heute ist es so, dass man sich für viel Geld ein Auto kaufen kann - ohne Rücksicht zu nehmen auf den ökologischen Fußabdruck beim CO2. Dafür muss es politische Rahmenbedingungen geben. Dadurch entsteht nachhaltig auch ein Geschäft: Es gibt weltweit mittlerweile viele Produzenten von Airbags, Katalysatoren oder Diesel-Partikelfiltern.

    Die Autohersteller brauchen für E-Mobilität  in steigendem Maße Batterien. Deutschland ist kein Batterieland, die Produkte kommen in der Hauptsache aus Asien. Das wird als gefährliche Abhängigkeit angesehen.

    Grotendorst: Ich sehe das anders. Es gilt jetzt, hierzulande den schon bestehenden Kreislauf der Wiederverwertung von Rohstoffen bei den Lithium-Ionen-Batterien aufzubauen. Im Moment brauchen wir für diese Batterien frische Ressourcen aus der Erde. Wenn der Markt aber etabliert ist, ist es viel wichtiger, von Anfang an einen Recyclingkreislauf zu haben, damit die Rohstoffe in den Lithium-Ionen-Batterien nicht im Müll verschwinden.

    All die Elektroautos müssen ja permanent aufgeladen werden. Geschieht das auf einen Schlag zum Beispiel nach Feierabend, haben die Stromversorger ein Problem. Ist ZF in dieser Hinsicht mit den Stromanbietern im Gespräch?

    Grotendorst: Wir sind in verschiedenen Gremien engagiert, unter anderem in der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität(Anm. der Red.: ein Expertenforum des Bundesverkehrsministeriums), wo die CO2-Reduzierung in Deutschland mit Blick auf die Einhaltung der Pariser Klimaschutzverträge diskutiert wird. Dort sprechen wir mit allen Branchenpartnern, also zum Beispiel Natur- und Umweltschutzverbänden, Energieversorgern und Betreibern des Öffentlichen Personenverkehrs. Im Übrigen engagieren wir uns auch in Schweinfurt: Es gibt Hybridautos als Dienstfahrzeuge. An den Ladesäulen schenken wir den Mitarbeitern den Strom. Außerdem planen wir in Schweinfurt, Parkplätze mit Solardächern zu versehen, um diesen Strom dann für E-Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Was Ihre Frage angeht: Das ist eine Art Dinosaurier-Denken. Denn bislang ist man es gewohnt, erst dann an die Tankstelle zu fahren, wenn der Tank leer ist. Es ist ein Umdenken notwendig: Nach Feierabend muss bei E-Fahrzeugen gar nicht der große Energiebedarf vorhanden sein. Man wartet nicht mehr ab, bis die Batterie leer ist, sondern man lädt immer, wo sich die Möglichkeit bietet. Und damit fährt man immer mit voller Batterie los.

    Was für ein Auto fahren Sie eigentlich?

    Grotendorst: Einen Plug-in-Hybrid.

    Schon mal im Elektrobetrieb stehengeblieben?

    Grotendorst: Natürlich nicht mit einem Hybridfahrzeug. Aber mit einem Elektroauto bin ich schon schwitzend mit Tempo 30 auf der Standspur der Autobahn Richtung Ziel gerollt.

    Schon mal wegen der lückenhaften Ladesäulen-Infrastruktur in Deutschland geflucht?

    Grotendorst: Ja, sehr häufig. Das ist wirklich ein Mangel. Wir benötigen unbedingt ein durchsetzbares Parkverbot von Falschparkern auf Ladeplätzen.

    Jörg Grotendorst und die E-Mobilität bei ZF Die ZF Friedrichshafen AG mit ihren 149 000 Mitarbeitern weltweit ist in neun "Divisionen" unterteilt, die die Produktpalette des Konzerns abdecken. Elektromobilität ist eine der Divisionen. Sie hat 5000 Beschäftigte an diversen Standorten. Zentrale der Division ist Schweinfurt. Jörg Grotendorst (49), der Leiter der Division, ist gelernte Elektriker und Diplom-Ingenieur für Nachrichtentechnik. Er kam nach Stationen u.a. bei Continental, Siemens, Ford und Daimler Ende 2015 zu ZF. Elektromobilität setzt der gebürtige Münsterländer auch als Privatmann um: Für sein Hybrid-Auto hat er in seinem Wohnhaus die Elektro-Ladestation selbst gebaut. ZF hat vor wenigen Tagen mit einer neuen Konzernstrategie ein dickes Ausrufezeichen hinter die Elektromobilität gesetzt. Insofern kommt dem Standort Schweinfurt eine wachsende Bedeutung zu.

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