Knauf ist ein familiengeführtes Unternehmen mit rund 220 Produktionsstandorten in mehr als 80 Ländern. Mit seinem zweiten Nachhaltigkeitsbericht legt die unterfränkische Baustoffgruppe Rechenschaft über ihre unternehmerische Verantwortung ab. Im Gespräch äußern sich die beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Knauf Gruppe, Alexander Knauf und Manfred Grundke, zu den Themen Nachhaltigkeit und Verantwortung, Vertrauen und Transparenz.
Frage: Was verstehen Sie unter dem Begriff der „unternehmerischen Verantwortung“?
Alexander Knauf: Knauf ist nicht irgendein Unternehmen, sondern eine besondere Art von Unternehmen – ein Familienunternehmen. Als solches denken wir nicht in kurzfristigen Maßstäben, sondern von Generation zu Generation. Dadurch ist ein langfristiges Denken in allem, was wir tun, inbegriffen. Dazu gehört ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, und zwar allen Ressourcen. Mit der Umwelt, der Ressource Zeit – also unseren Mitarbeitern –, aber auch mit Kapital.
Manfred Grundke: Nachhaltigkeit ist für ein Familienunternehmen keine besondere Herausforderung. Nachhaltigkeit gehört zum Selbstverständnis eines Familienunternehmens, denn während eine Kapitalgesellschaft sich im Wesentlichen an der Rendite orientiert, konzentriert sich ein Familienunternehmen darüber hinaus auf die geordnete Übergabe des Vermögens an die nächste Generation. Damit ergibt sich, dass Entscheidungen nachhaltig und nicht kurzfristig orientiert sein müssen.
Nachhaltig können auch die negativen Seiten unternehmerischer Entscheidungen sein. Wie stellen Sie sicher, dass nur die positiven Folgen nachhaltig sind?
Grundke: Von dieser Perspektive aus gesehen steht Nachhaltigkeit bei Knauf an ganz besonderer Stelle. Unsere natürlichen Ressourcen stecken in den Steinbrüchen. Hier legen wir sehr großen Wert auf die Rekultivierung nach der Nutzung. Viele positive Beispiele zeigen, dass schon oft aus einem industriell genutzten Steinbruch später ein regelrechtes Biotop geworden ist. Und wenn Sie die synthetischen Gipse nehmen, dann sehen Sie, dass wir mittlerweile mehrere Millionen Tonnen Rauchgas-Entschwefelungsgips als Sekundärrohstoff verwenden. In den kommenden Jahren werden wir zunehmend Recyclingmaterial in den Produktionsprozess zurückführen.
Im Idealfall ist es so, dass wir die Luftreinhaltung unterstützen durch Entschwefelung von Abgasen und am Ende den so gewonnenen Gips wieder als Recyclingmaterial in die Wertschöpfungskette zurückführen.
Knauf: Das sind genau die beiden Punkte. Was sich zunächst als Eingriff in die Natur darstellt, können wir zu einem Vorteil für die Natur wandeln. Ein renaturierter Steinbruch ist ein Biotop mit einer höheren Artenvielfalt als vorher. Wir wollen damit auch zeigen, dass es nicht nur um den Abbau von Ressourcen geht, sondern darum, zusammen mit den Menschen und der Umwelt nachhaltig Erfolg zu haben.
Familienunternehmen gelten allgemein als verlässlich und vertrauenswürdig, gleichzeitig aber auch als nicht sehr transparent. Wie weit würden Sie gehen, um mit Transparenz Vertrauen zu schaffen? Wo ist Ihre Grenze?
Knauf: Ich glaube, die Trennlinie ist recht klar. In unserem Nachhaltigkeitsbericht haben wir klare Kennzahlen gewählt, an denen wir unser Handeln messen wollen. Bei diesen Zahlen sind wir klar und transparent. Die Trennlinie bei Familienunternehmen verläuft genau zwischen dem Unternehmen und der Familie. Die Familie ist privat, wie bei jedem von uns.
Grundke: Man muss auch unterscheiden zwischen dem, was zur Beurteilung des Unternehmens und seines Verhaltens notwendig ist und was der reinen Befriedigung von Neugier dient. Wenn es nur um Neugier und Sensationslust geht, dann sind wir zurückhaltender. Aber wenn es um die Beurteilung des Unternehmens und seines Verhaltens in der Gesellschaft und in der Umwelt geht, kann jeder alle Informationen haben, die dazu notwendig sind.
Knauf ist ein weit verzweigtes Unternehmen, mit zahlreichen Tochter- und Landesgesellschaften, die mitunter sehr autonom handeln. Gleichzeitig haben Sie zentrale Vorgaben wie die Unternehmenswerte. Wie stellen Sie sicher, dass beim Thema Nachhaltigkeit alle an einem Strang ziehen?
Grundke: Ich glaube, dass jedes kurzfristige Verhalten, das sich nicht an nachhaltigen Parametern orientiert, am Ende des Tages dem Unternehmen mehr schadet als nützt. Wenn ein Unternehmen der Knauf Gruppe meinen sollte, man könne bei der Rohsteingewinnung – ich bleibe mal dabei – Raubbau betreiben, nur um Abbaukosten zu optimieren, bekäme es sehr schnell Schwierigkeiten mit der Gemeinde oder der Region. Wir legen Wert darauf, dass wir zusammen mit den Menschen in den Regionen unser Geschäft betreiben und nicht auf ihre Kosten. Das ist, wenn Sie so wollen, ein selbstregulierender Faktor, weil sich der Betreffende sonst selbst schaden würde.
Knauf: Unsere Unternehmenswerte sind die beste Art und Weise, den Landesgesellschaften die Aufgaben ins moralische Pflichtenheft zu schreiben. Wir geben ihnen hier mit, wie die DNA von Knauf aussieht und wie sie mit der Umwelt umzugehen haben.
Inwiefern treibt der Gedanke der Nachhaltigkeit die Innovationstätigkeit bei Knauf?
Grundke: Ich nehme einmal das klassische Beispiel: Die Rauchgas-Entschwefelungstechnologie wurde von Babcock Noell und Knauf gemeinsam entwickelt. Die ersten Anlagen sind von Knauf gebaut worden. Später haben wir uns aus dem Anlagengeschäft zurückgezogen und uns rein auf die Herstellung von Baustoffen konzentriert. Im Bereich der Putze haben wir maschinenverarbeitbare Putze entwickelt. Bei den Dämmstoffen kamen die ersten formaldehydfreien Bindemittel für Glas- und Steinwolle von Knauf. Die Liste lässt sich beliebig weiterführen. Immer ist der Gedanke umweltfreundlicher Technologien und moderner Baustoffe gezielt durch Innovationen weiterverfolgt worden.
Knauf: Es gibt interne und externe Treiber, die uns zur Nachhaltigkeit führen. Intern haben wir natürlich ein Interesse, den Energieverbrauch, beispielsweise in unserer Produktion, zu optimieren. Gleichzeitig fragen uns auch unsere Kunden immer wieder: Wie kann man Gebäude noch energieeffizienter gestalten? Wie hoch ist der Recyclinganteil im Produkt? Und so kommen interne und externe Kräfte zusammen, die ihren Niederschlag in der Entwicklungstätigkeit finden.
Qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu halten, ist für viele Unternehmen eine immer größere Herausforderung. Was tut Knauf, um im Wettbewerb um Talente gute Karten zu haben?
Knauf: Ich möchte das mit den drei Schlagworten Anziehen, Behalten und Entwickeln zusammenfassen. Wir legen großen Wert darauf, die besten potenziellen Mitarbeiter für Knauf zu interessieren. Das fängt in den Schulen an, wo wir etwa die MINT-Initiative für die Naturwissenschaften fördern. Unsere Mitarbeiter informieren an Hochschulen und nehmen an Absolventenmessen teil. Viele besonders qualifizierte Absolventen entscheiden sich für ein Familienunternehmen, weil sie hier früher die Ergebnisse ihrer Arbeit sehen können, als wenn sie nur eine Nummer in einem Großkonzern wären.
Auch im Rahmen der Mitarbeiterpflege machen wir viel. Dazu gehört der tägliche Umgang, aber vor allem die Anerkennung von Leistung. Bei unserer Hauptversammlung ist ein wesentlicher Teil die Ehrung der Jubilare, die Knauf durch langjährige, kompetente, loyale Mitarbeit die Treue erwiesen haben. In der Mitarbeiterentwicklung führen wir intensive Gespräche, die dann Basis sind für eine strukturierte Entwicklung – für Ausbildung und Karriereplanung. Für junge Leute spielt auch die Work-Life-Balance eine große Rolle, die wir bei Knauf gut realisiert haben.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen für die Zukunft bei Knauf?
Grundke: Der Baustoff Gips wird seit über 5000 Jahren erfolgreich eingesetzt, und wir sind – was unser Geschäft betrifft – davon überzeugt, dass sich daran nichts ändert. Was Dämmstoffe betrifft, wird trotz der derzeit niedrigen Energiekosten die Frage der Energieeffizienz ein langfristiges Thema sein, für das wir gut aufgestellt sind. Jetzt geht es darum, durch geeignete Mitarbeiterqualifikation die Voraussetzungen für die nächsten 50 oder 60 Jahre einer erfolgreichen Entwicklung zu schaffen. Viele Unternehmen mögen eine ähnliche Strategie haben, aber sie haben nicht die gleichen Mitarbeiter.
Wie steht es mit politischen, wirtschaftlichen Risiken? Der Russland-Ukraine-Konflikt wirkt sich doch sicher auch auf Ihr Geschäft aus?
Grundke: Sicher hat das Auswirkungen. Aber da Knauf immer Wert darauf legt, dass die Wertschöpfung weitestgehend in der Währung erfolgt, in der auch die Rechnungsstellung vorgenommen wird, ist die Auswirkung zwar ärgerlich, aber nur im Rahmen der Wechselkursparitäten wichtig. Uns trifft das nicht so sehr wie Unternehmen, die etwa in einer Hartwährung produzieren und in Rubel fakturieren müssen. Die Geschäfte in der Landeswährung laufen relativ ungestört. Der russischen Konjunktur ging es ohnehin nicht so gut. So ist es nun mal, wenn man weltweit unterwegs ist.
Das Interview mit Alexander Knauf und Manfred Grundke ist Teil des Nachhaltigkeitsberichts 2013/2014. Wir veröffentlichen das Gespräch mit Genehmigung der Knauf Gruppe.
Knauf und die Nachhaltigkeit
Fakten: Knauf ist nach eigenen Angaben ein international führender Hersteller von Baustoffen mit Hauptsitz im fränkischen Iphofen. Das Unternehmen wurde 1932 gegründet und befindet sich nach wie vor in Familienbesitz. Knauf gilt weit über die eigene Branche hinaus als Synonym für Gips. Heute zählt Knauf weltweit zu den führenden Herstellern moderner Dämmstoffe, Trockenbausysteme, Putze und Zubehör, Wärmedämm-Verbundsysteme, Farben, Fließestriche, Bodensysteme sowie Baumaschinen und -werkzeuge. Die Unternehmensgruppe erwirtschaftete 2014 einen Umsatz von rund 6,4 Milliarden Euro (2013: 6,27 Mrd. Euro) und beschäftigte 26 500 Mitarbeiter (2013: 25 700).
Bericht: Mit seinem zweiten Nachhaltigkeitsbericht legt Knauf Rechenschaft über seine unternehmerische Verantwortung ab. Das Unternehmen beschreibt den Einfluss seiner Tätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft, dokumentiert zentrale Kennzahlen sowie Ziele und Maßnahmen, mit denen es seine Aktivitäten steuert. Im Vergleich zum ersten Knauf Nachhaltigkeitsbericht von 2012 wurde für den aktuellen Bericht das Spektrum der berichtenden Unternehmen von vier auf elf erweitert. Der Bericht deckt Unternehmen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Großbritannien, Spanien und Portugal ab. Diese Gesellschaften umfassen zusammen etwa 20 Prozent des Umsatzes und 14 Prozent der Mitarbeiter der Knauf Gruppe. Text: afk
„Die Familie ist privat, wie bei jedem von uns.“
Alexander Knauf