Unterfrankens Wirtschaft geht es blendend. Die Arbeitslosigkeit ist binnen der letzten zehn Jahre von fünf auf drei Prozent gesunken; in weiten Teilen der Region herrscht Vollbeschäftigung. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die Nachfrage nach Arbeitskräften boomen. Will man aber erreichen, dass die unterfränkische Wirtschaft auch in zehn Jahren noch blendend dasteht, müssen – längst überfällige – Veränderungen schleunigst in die Wege geleitet werden. Das war der Tenor beim Kongress der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) zum Thema „Perspektiven des bayerischen Arbeitsmarkts“, der am Mittwoch in den Residenzgaststätten in Würzburg stattfand.
Drängendes Problem: Fachkräftemangel
Welcher Art die Veränderungen sein müssen, um eines der drängendsten Probleme, nämlich den Fachkräftemangel, zu lösen, ist allerdings strittig. „Weg mit den Frühverrentungsanreizen! Statt der Rente mit 63 brauchen wir eine Lebensarbeitszeit bis 67!“, betonte etwa in seinem Impulsreferat Ivor Parvanov, vbw-Leiter für Gesellschaftspolitik. Dass Fachkräftegewinnung aber auch bedeuten kann, pragmatisch die Ressourcen besser zu nutzen, die man vor Ort hat, machte Klaus Beier, Vize-Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern von der Bundesagentur für Arbeit deutlich. Unterstützt durch „Geld vom Bund“ und entsprechende Förderprogramme seien in Unterfranken in letzter Zeit gezielt ältere Arbeitssuchende über 50, Schwerbehinderte und Langzeitarbeitslose in Arbeit gebracht worden. „Bei den Langzeitarbeitslosen ist dadurch die Arbeitslosenquote um 58 Prozent zurückgegangen!“, betonte Beier. Baier verwies auf ein weiteres Programm, das schwerer vermittelbare junge Leute in Ausbildung und Arbeit bringt und dabei sogar den „Spätstarter bis 35“ mit einbezieht. „Unser Ziel muss es sein, durch Qualifizierungen Arbeitslosigkeit gerade bei den Jungen gar nicht erst entstehen zu lassen.“
Wirtschaft will flexiblere Arbeitszeiten
Doch reicht die Nutzung heimischer Resourcen, um Arbeitskräfte zu finden? Nein, man brauche ein Zuwanderungsgesetz, das es ausländischen Fachkräften leicht mache, in Deutschland zu arbeiten, sagte bei der anschließenden Podiumsdiskussion der Aschaffenburger Bundestagsabgeordnete Karsten Klein. Wie auch Hans Jürgen Fahn, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler aus Aschaffenburg, machte sich Klein weiter für flexiblere Arbeitszeiten stark - Arbeitszeiten also, die durchaus auch mal das Schreiben von einigen Mails am Samstag umfassen können. Dem widersprach vehement Kathi Petersen, SPD-Landtagsabgeordnete aus Schweinfurt. „Flexibilisierung darf nicht einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer gehen“, meinte sie. Vermischten sich Beruf und Privatleben, leide die Familie.
Einig waren sich die Abgeordneten, was die Notwendigkeit der Digitalisierung des Arbeitslebens angeht. Fahn mahnte „bessere Übertragungsgeschwindigkeiten für Unterfranken“ an. Kerstin Celina, Würzburger Landtagsabgeordnete der Grünen, steht nach eigener Aussage der Digitalisierung positiv gegenüber, sieht aber die Gefahr, dass dann, wenn etwa Arbeit zunehmend nicht zu festen Arbeitszeiten im Büro, sondern am Laptop unterwegs gemacht wird, Unternehmen zunehmend sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge abbauen. Zuvor hatte für die Arbeitsagentur Klaus Beier gesagt, dass man gar nicht oft genug betonen könne, wie stark die Digitalisierung sich in naher Zukunft auf ganze Branchen auswirken werde, wie sehr sie auch Berufsbilder verändern werde. Er forderte, Ausbildungsinhalte schneller als bisher an die Digitalisierung der Arbeit anzupassen.
Arbeit in Unterfranken wird sich ändern
Beier rechnet damit, dass mit fortschreitender Digitalisierung in naher Zukunft in Würzburg neun Prozent, in Schweinfurt 30 Prozent und in Rhön-Grabfeld 20 Prozent der Arbeitsstellen ersetzbar werden. „Das bedeutet nicht, dass Arbeitsplätze wegfallen. Es bedeutet, dass sich die Inhalte ändern“, so Beier. Beratende Tätigkeiten und personalisierte Dienstleistungen würden in Zukunft immer wichtiger.
Überzogene Akademisierung?
Für die CSU warnte der Würzburger Landtagsabgeordnete Oliver Jörg vor dem „überzogenen Trend zur Akademisierung“. Mit Bezug auf Bestrebungen, die Pflegeausbildung zu einem Studium zu machen, sagte Jörg: „In der Pflege gebraucht werden nicht Leute, die studiert haben, sondern Leute, die neben dem Bett stehen und etwas tun.“