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Früher sterben und weniger von der Rente? Vorschlag will Systemfehler beheben

Rente

Früher sterben und weniger von der Rente? Vorschlag will Systemfehler beheben

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    Ein Leben lang gearbeitet und trotzdem eine niedrige Rente? Für nicht wenige Seniorinnen und Senioren ist das die Realität. Eine DIW-Analyse bestätigt zudem: Wer wenig verdient, profitiert auch selten besonders lang von seiner Rente.
    Ein Leben lang gearbeitet und trotzdem eine niedrige Rente? Für nicht wenige Seniorinnen und Senioren ist das die Realität. Eine DIW-Analyse bestätigt zudem: Wer wenig verdient, profitiert auch selten besonders lang von seiner Rente. Foto: Robert Kneschke, stock.adobe.com (Symbolbid)

    Wer weniger verdient, stirbt früher – und bekommt oft weniger Rente. Eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, wie tief die Ungleichheit im deutschen Rentensystem tatsächlich reicht. Und warum sie unter einem CDU-Kanzler Friedrich Merz nach der Bundestagswahl 2025 wieder verstärkt in den Fokus rücken könnte.

    Deutschland vor einem Rentenproblem: Die Deutschen leben immer länger – aber nicht alle gleich

    Deutschland steht am Beginn eines politischen Richtungswechsels. Friedrich Merz wird am 6. Mai 2025 zum Kanzler gewählt und die schwarz-rote Koalition aus Union und SPD wird ihre Arbeit aufnehmen – und doch bleiben viele Probleme unausgesprochen. Eine echte Rentenreform? Fehlanzeige im Koalitionsvertrag, auf den sich die Parteien bereits im April geeinigt hatten. Dabei ist das Thema drängender denn je. Die Gesellschaft altert rapide – jede fünfte Person in Deutschland ist bereits über 66 Jahre alt, wie das Statistische Bundesamt vermeldete. Gleichzeitig wird klar: Die steigende Lebenserwartung ist ungleich verteilt. Wer arm ist, lebt kürzer – und erhält am Ende weniger aus dem Rentensystem. Ein Systemfehler mit tiefgreifenden sozialen Folgen.

    Denn kürzlich veröffentlichte Analysen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen: Männer mit sehr niedrigem Einkommen sterben in der Altersgruppe zwischen 55 und 76 Jahren deutlich häufiger als wohlhabende Männer – ihre Sterberate ist rund 60 Prozent höher. Bei Frauen hängt die Sterblichkeit weniger stark vom eigenen Einkommen ab – dafür umso mehr vom Haushaltseinkommen. Auch Bildung spielt in den von dem DIW veröffentlichten Grafiken hinsichtlich der Sterberate zwischen 55 und 76 Jahren eine Rolle. Die DIW-Grafiken zeigen, dass die Sterberate bei Männern mit niedriger Bildung etwa doppelt so hoch ausfällt, als bei solchen mit hoher Bildung. Noch gravierender wird das Bild, wenn man die „gesunden Lebensjahre“ betrachtet. Armutsgefährdete Männer verbringen im Schnitt sechs Jahre weniger ohne Pflegebedarf als wohlhabende Männer. Bei Frauen beträgt der Unterschied nur drei Jahre.

    Die Zahlen des DIW legen nahe: Menschen mit geringem Einkommen zahlen oft jahrzehntelang in die Renten- und Pflegeversicherung ein – sterben dann aber mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit bereits zwischen dem 55. und 76. Lebensjahr. Wohlhabendere Menschen hingegen leben nicht nur länger, sondern beziehen aufgrund höherer Einzahlungen auch deutlich mehr Rente – und das über einen längeren Zeitraum.

    Langes Leben, hohe Renten – Warum das Äquivalenzprinzip problematisch wird

    Bei der Rente in Deutschland wird dies aufgrund des sogenannten Äquivalenzprinzips zum Problem. Es bedeutet laut der Bundeszentrale für politische Bildung, dass die Höhe der im aktiven Versichertenleben eingezahlten Beiträge der durchschnittlichen erwarteten Versicherungsleistung entsprechen muss. Im Kern: Wer während seiner Berufstätigkeit mehr einzahlt, bekommt am Ende während der Rente auch mehr heraus.

    Was im ersten Augenblick fair klingt, wird in den neuen Analysen des DIW allerdings scharf kritisiert. Denn Menschen mit hohem Einkommen können nicht nur mehr in die Rentenversicherung einzahlen und profitieren dadurch im Alter von höheren Leistungen, sondern sie beziehen ebendiese durch ihre höhere Lebenserwartung auch noch länger als der Durchschnitt. Johannes Geyer vom DIW schreibt in seinem Bericht daher: „Wir haben bei der Rente eine Umverteilung von unten nach oben.“

    Der Grundmechanismus einer umlagefinanzierten Rente – Absicherung gegen Langlebigkeit – werde durch die Einkommensunterschiede ad absurdum geführt. Besonders Männer mit geringem Einkommen würden früher sterben und so kaum von ihren Renteneinzahlungen profitieren.

    Was sich bei der Rente in Deutschland ändern müsste

    Was also müsste sich ändern, um mehr Gerechtigkeit im Rentensystem zu schaffen? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) spricht sich klar dafür aus, das bisherige Prinzip der Beitragsäquivalenz aufzuweichen. Der Gedanke, dass die Höhe der Rente streng an die Höhe der eingezahlten Beiträge gekoppelt sein muss, erscheint zwar auf den ersten Blick gerecht – doch er ignoriert die systematische Ungleichheit in der Lebenserwartung. Wer weniger verdient, zahlt oft jahrzehntelang in die Renten- und Pflegeversicherung ein, stirbt aber mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit früher und hat dadurch weniger vom System. Dieses Argument stützt auch die Bundeszentrale für politische Bildung in einem Beitrag mit Verweis auf kurzfristig Beschäftigte und niedrige Einkommen: „Die große – und zunehmende – Spannweite der Arbeitseinkommen wird so ins Alter hinein übertragen.“

    Das DIW hält es deshalb für gerechtfertigt, die Rentenformel anzupassen und kleine Renten stärker aufzuwerten – etwa über eine progressive Rentenformel. Das bedeutet: Wer wenig verdient hat, soll für jeden eingezahlten Euro mehr Rente bekommen als bisher. Wer hingegen deutlich über dem Durchschnitt verdient hat, bekommt zwar weiterhin mehr, aber in einem geringeren Verhältnis zu seinen Einzahlungen. So würden niedrige Rentenansprüche stabilisiert oder sogar erhöht, während besonders hohe Renten gedeckelt würden. Das Ziel: mehr soziale Ausgewogenheit im Alter – ohne das System grundsätzlich auf den Kopf zu stellen.

    Allerdings warnen andere Fachleute davor, das Äquivalenzprinzip zu vorschnell infrage zu stellen. Der Ökonom Peter Bofinger kritisierte etwa schon im vergangenen Jahr eine Rentenpolitik, die sich zu stark auf Verteilungsaspekte stützt. Wer die Lebenserwartung als Kriterium für eine Umverteilung heranziehe, müsse konsequenterweise auch über geschlechtsspezifische Unterschiede reden – Frauen leben im Schnitt länger, bekommen aber keine niedrigere Rente. Stattdessen plädierte Bofinger dafür, die gesetzliche Rentenversicherung durch eine Pflichtversicherung für Selbstständige und die Umlenkung der Riester-Förderung zu stärken. So ließe sich das Rentenniveau stabil halten, ohne das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit zu gefährden.

    Rente ab 2025 – Das plant die Koalition unter Kanzler Friedrich Merz

    Im Koalitionsvertrag von Union und SPD finden diese Überlegungen – in die eine noch in die andere Richtung – allerdings nicht statt. Zwar verspricht die neue Regierung, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent zu stabilisieren, wie aus einer Zusammenfassung der Tagesschau hervorgeht. Doch echte Strukturreformen fehlen. Stattdessen steht fast jede neue Ausgabe unter Finanzierungsvorbehalt – auch bei der Rente. Die Ausweitung der Mütterrente und die neue „Frühstart-Rente“ sind teure Projekte, die primär aus Steuermitteln finanziert werden sollen. Ob sie langfristig zu mehr struktureller Gerechtigkeit führen werden, ist bisher aber nicht absehbar.

    Zur Wahrheit der DIW-Analysen gehört aber auch: Menschen mit hohem Einkommen bleiben im Alter länger gesund und werden später pflegebedürftig. Gerade Männer mit geringem Einkommen verbringen wie oben genannt im Schnitt rund sechs Jahre weniger ihres Lebens ohne Pflegebedarf als wohlhabende Männer. Das bedeutet auch: Menschen mit höherem Einkommen belasten das Pflege- und Gesundheitssystem im Alter seltener und kürzer – was man bei aller berechtigten Kritik an der Rentenungleichheit ebenfalls anerkennen muss. Der Zusammenhang zwischen Bildung, Einkommen, Gesundheit und Lebenserwartung ist komplex – und zeigt auf, wie dringend ein gerechtes Gesamtsystem für die Renten in Zukunft gebraucht wird.

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    1 Kommentar
    Hans-Martin Hoffmann

    Ich gebe ja zu, dass Norwegen ein Spezialfall ist, aber mMn wäre es auch bei uns gescheiter gewesen, einen Staatsfonds einzurichten statt dieses unsägliche Riester-System, wo im Endeffekt schwerpunktmäßig die Anbieter profitiert haben und die Einzahler/innen nur unter sehr günstigen Umständen (s. z. B. www.vzbv.de/pressemitteilungen/stoppt-die-riester-rente)...

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