Das Thema für die erste Zusammenkunft des Literaturkreises im neuen Jahr hatte Initiator Dr. Hartmut Borchert der Jahreszeit angepasst und brachte amüsante und nachdenkliche „Wintergeschichten“ zum Vortrag.
„Herrn Wendriners Jahr fängt gut an“, mit dieser turbulenten Erzählung von Kurt Tucholsky, 1890 in Berlin geboren, beginnt der Reigen der Prosawerke. Von den vielen „Prost Neujahr“ schon ziemlich genervt und am Ende seiner Belastbarkeit angekommen, bringt der Besuch eines Geschäftsfreundes Herrn Wendriner völlig aus der Fassung. Dieser will einen fälligen Wechsel nicht prolongieren, kommt aber gegen die hartnäckigen Argumente seines Partners nicht an und gewährt schließlich einen Zahlungsaufschub um weitere sechs Monate. Als aber kurze Zeit später der Kaufmann Blumann seinerseits um eine Wechselprolongation nachsucht, lehnt Herr Wendriner unbarmherzig ab. Er weiß um den Erfolg, wie man mit dieser Taktik zu seinem Geld kommt.
Beißende Ironie
Kurt Tucholsky, der 1933 ausgebürgert wurde und sich 1935 in Schweden das Leben nahm, hat sich vieler Pseudonyme bedient, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel, Peter Panter, Kaspar Hauser. Er vertrat einen scharf links gerichteten Humanismus, war Satiriker und Zeitkritiker mit beißender Ironie, aber auch ein humoristischer Erzähler.
Ein grausiges Bild zeichnet Otto Boris (1887 bis 1957) mit „Pfannkucheneis“, einer traurigen Begebenheit an Grönlands Küste. Familienvater Tenak, ein Eskimo, hat seinen Gefährten Tofa getötet, weil dieser das Feuerwasser von den Weißen mitgebracht hat. Nach unbeschreiblichen Mühen und Entbehrungen, dem Wahnsinn nahe, findet er seinen Stamm wieder, wird jedoch von diesem verlassen, was seinem Todesurteil gleichkommt.
Otto Boris, der in Königsberg studiert und dem Hans-Schemmkreis angehört hatte, hinterließ über 50 Bücher, vor allem Tiergeschichten.
Ja, „Was danach geschah“, als die drei Könige sich von Bethlehem wieder auf den Heimweg machten, das deutet Werner Reiser, einst Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung und Dozent an der Journalistenschule in München, erbaulich und nachvollziehbar an, nachdem einer der Könige einem Knecht sein Vertrauen schenkt und sich führen lässt.
Als Dr. Borchert „So sehen Sieger aus“ von Jan Weiler, 1967 geboren, zum Besten gibt, können sich die Besucher entspannt zurücklehnen und sich über einen ehrgeizigen Vater amüsieren, der seinen vierjährigen Sohn für einen absoluten Winner, einen Challenge-Seeker hält, obwohl sich dieser verzweifelt gegen den Skilehrer wehrt.
Dass man „Die Möglichkeiten eines Schneeballs“ nicht unterschätzen darf, lehrt Frank Goldammer (1975 Dresden) mit seiner heiteren, harmlos beginnenden, sich jedoch stetig steigernden Erzählung, die ein unschönes Ende nimmt.
Die Abendveranstaltung endet mit der vergnüglichen Geschichte „Schneerausch“ von Eugen Roth (1895 bis 1976), die sicher Erinnerungen an eigene Erlebnisse mit Kindern oder Enkeln wachberufen hat.
Die nächste Zusammenkunft wurde vereinbart für Rosenmontag, 8. Februar, um 19.30 Uhr im Myconiushaus.