„Parodie“ war das Thema, das der Initiator des Literaturkreises, Dr. Hartmut Borchert, für die Zusammenkunft im März gewählt hatte. Der Parodist verzerrt oder verspottet damit ein bekanntes Werk, behält die äußere Form des Originals bei, verändert aber den Inhalt. Die komische Parodie, griechisch „Nebengesang“, verändert lustig und humorvoll des Text des Originals, während die kritische auf stilistische oder inhaltliche Schwächen hinweist.
„Treue Liebe“ vom bekannten Märchenerzähler Wilhelm Hauff (1802 bis 1827, Stuttgart) eröffnet das Abendprogramm. „Steh ich in finst'rer Mitternacht so einsam auf der stillen Wacht, so denk ich an mein fernes Lieb, ob mir's auch treu und hold verblieb. (...) Doch wenn du traurig bist und weinst, mich von Gefahr umrungen meinst, sei ruhig, bin in Gottes Hut! Er liebt ein treu Soldatenblut.“
Taktvoll parodiert ein Anonymus diese Verse: „Steh solo ich um Mitternacht als detrachierter Posten Wacht, so denk ich: Hab ich auch noch Chance bei meinem Lieb so par distance? (...) Doch wenn du grämst dich au contraire, leichtsinnig sei das Militär, sei still, bei unsrer Kompanie changiert man die Pussage nie!“
Die Parodie von Friedrich Detjens auf „Der Jäger Abschied“ von Joseph von Eichendorff hat bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren: „Wer hat dich, du schöner Wald, abgeholzt so hoch da droben?“
Man meint schier, die dumpfen Hiebe der Äxte zu vernehmen. Frech dagegen parodiert Walther Deneke seinen frohen Wandersmann: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den lässt er friedlich still daheim, der lässt vergnügt die andern reisen, er selber geht nicht auf den Leim.“
Im „sächs'schen Radsgeller“
Der mit dem Georg-Büchner- und Fontane-Preis ausgezeichnete Martin Kessel (1901 in Plauen bis 1990 in Berlin) parodiert sein Poem „Vertraute Weise“ sogar selbst. Er lässt den Mond in „Verstörte Weise“ aufgeblasen als Trauerkloß durch die Straßen schleichen und schwankend auf Dächer klimmen. Selbst Goethes tröstliches Nachtlied „Über allen Gipfeln ist Ruh“ animiert einen Anonymus, in „Aus en sächs'schen Radsgeller“ den Text gehörig zu verdrehen.
Von Emanuel Schikaneder (1751 in Straubing bis 1912 in Wien), der mit Mozart befreundet war und das Libretto zur „Zauberflöte“ geschrieben hat, kommt der Vers zum Vortrag: „In diesen heil'gen Hallen kennt man die Rache nicht, und ist ein Mensch gefallen, führt Liebe ihn zur Pflicht.
Dann wandelt er an Freundeshand vergnügt und froh ins bessre Land.“ Mit der Parodie des Theologen David Friedrich Strauß schreitet man dagegen „an Bellinis Hand vergnügt und froh von Tand zu Tand.“
Ebenso banal verfährt Hans von Gumpenberg (1866 in Landshut bis 1928 in München) in seinem „Liebesjubel“ mit dem zarten Liebesgedicht „Ungeduld“ von Wilhelm Müller (1894 in Dessau bis 1927), der in alle Rinden schreiben möchte „Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben“. In seinem zweiten Beitrag zu „Das Wandern ist des Müllers Lust“ lässt Walther Deneke dem Müller noch Schulze, Krause, Schmidt und Lehmann folgen und einen Klub gründen.
Braune Trutschel im Büffelröckchen
Während Johann Georg Jacobi (1740 in Düsseldorf bis 1814 in Freiburg im Breisgau) sein geliebtes Mädchen in leichtem Hirtenkleide gehen sieht und seine Seele ihr mit stillem Beben folgt, parodiert Christoph Hölty (1748 bis 1776) ganz unbekümmert, wie er seiner braunen Trutschel im roten Büffelröckchen, das um ihre dicken Schinken weht, auf beiden Krücken mit Sack und Pack nachhumpelt.
Wörtlich nimmt es ein Anonymus mit Ludwig Uhlands (1887 bis 1862) „Frühlingsglaube“: „Nun armes Herze, vergiss die Qual! Es muss sich alles, alles wenden!“ Seine Kunden bringen ihm „keinen frischen Stoff, kein neues Tuch, doch alte Hosen und Röcke genug“.
An Sterben und Vergehen erinnert W. Friedrich nach Th. Moores aus „Martha“, wenn er die letzte blühende Rose pflückt, die im Grab an seinem Herzen ruhen soll. Kein Geringerer als Viktor von Scheffel denkt aber an seine „Letzte Hose“: „Längst entschwand, was sonst versetzlich, Frack – und Rock – und Mantels Pracht. Nun auch du! Es ist entsetzlich! Letzte Hose, gute Nacht!“ Damit machten sich die Besucher vergnügt und fröhlich auf den Heimweg.
Der Literaturkreis trifft sich wieder am Montag, 16. April, um 19.30 Uhr im Myconiushaus.