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Lohr: Gerresheimer will die Behälterglas-Sparte verkaufen: Was das für das Werk in Lohr bedeutet

Lohr

Gerresheimer will die Behälterglas-Sparte verkaufen: Was das für das Werk in Lohr bedeutet

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    Der Gerresheimer-Konzern plant eine größere Umstrukturierung. Im Mittelpunkt steht die Sparte, zu der auch die Lohrer „Glashütte“ gehört.
    Der Gerresheimer-Konzern plant eine größere Umstrukturierung. Im Mittelpunkt steht die Sparte, zu der auch die Lohrer „Glashütte“ gehört. Foto: Johannes Ungemach (Archivfoto)

    Erst vor wenigen Wochen hat Gerresheimer in seiner Lohrer Glashütte mit der Erneuerung einer Schmelzwanne eine Großinvestition von rund 100 Millionen Euro abgeschlossen. Für die Zukunft, so hieß es damals, sei in Lohr der Bau eines Logistikzentrums zusammen mit einem Partner geplant. Nun wirft eine neue Ankündigung aus der Konzernzentrale Fragen auf, wie es mit dem Lohrer Werk, den Planungen und den Beschäftigten weitergeht. 

    Um 18.20 Uhr am Montagabend informierte der börsennotierte Gerresheimer-Konzern in einer in solchen Fällen vorgeschriebenen Ad-hoc-Meldung die Finanzmärkte über die Absicht, seine Behälterglas-Sparte zu verkaufen. Zu ihr gehört auch das rund 450 Mitarbeitende zählende Lohrer Werk. 

    Die Ankündigung des Unternehmens

    Kurz nach der Ad-hoc-Meldung verschickte Gerresheimer eine ausführlichere Pressemitteilung. Darin hieß es in etwas gestelzten Formulierungen, dass sich der Konzern nach einer „umfassenden strategischen Prüfung“ entschieden habe, sein Moulded-Glass-Geschäft, also die Sparte Behälterglas, zu „separieren“, um anschließend einen Verkaufsprozess zu starten. Man sehe für die Sparte die besten Wachstumschancen außerhalb des Gerresheimer-Konzerns. Gerresheimer selbst wolle sich im Zuge einer strategischen Transformation auf Verpackungen und Verabreichungssysteme für Medikamente spezialisieren und sich zu einem reinen System- und Lösungsanbieter für die Pharma- und Biotech-Branche wandeln, so die Mitteilung weiter. 

    Kommt die Verkaufsabsicht überraschend?

    Angesichts der jüngsten Großinvestition in Lohr könnte es überraschen, dass der Konzern sich nun von diesem und anderen Werken der Sparte trennen will. In der Branche und auch in der Finanzwelt indes stand Gerresheimer schon länger unter Beobachtung. Nicht zuletzt die schwächelnde Nachfrage im Kerngeschäft, etwa in der Kosmetikbranche, versetzte den Aktienkurs in eine Talfahrt. Lag der Aktienkurs im September 2023 noch bei 123 Euro, rangierte er an diesem Montag nur noch bei knapp über 41 Euro. Im Frühjahr 2025 machten kurzzeitig gar Aussagen die Runde, dass der gesamte Gerresheimer-Konzern zum Verkauf stehe. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung überrascht es nicht, dass man sich in der Unternehmenszentrale Gedanken über eine strategische Neuausrichtung machte. Das Abtrennen der Sparte Behälterglas ist nun offenbar das Ergebnis. Der Prozess, die Sparte vom Gesamtkonzern abzutrennen, sei am Montag gestartet worden, heißt es in der Mitteilung. 

    Was gehört zu der Sparte?

    Der Bereich Behälterglas umfasst laut Gerresheimer acht Werke in Europa, Amerika und Asien. In ihnen wird ein breites Spektrum an Glasbehältern produziert, beispielsweise für die Pharma-, Kosmetik-, Lebensmittel- und Getränkebranche. Der Standort Lohr ist dafür bekannt, dass hier Maggi-Flaschen fabriziert werden. In Deutschland gehören noch Werke in Essen und Tettau dazu, weitere gibt es in den USA, Belgien, Italien und Indien.

    Die Behälterglas-Sparte von Gerresheimer war erst im vergangenen Jahr gewachsen, als das italienische Unternehmen Bormioli Pharma zugekauft wurde. Laut Gerresheimer erzielte die Sparte mit rund 3700 Beschäftigten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 735 Millionen Euro und eine Umsatzrendite von rund 20 Prozent.

    Wie erklärt der Konzern den Schritt?

    Wie Unternehmenssprecherin Jutta Lorberg am Dienstag gegenüber der Redaktion erklärte, ist es das Ziel, durch die Trennung der Sparte Behälterglas ebenso wie dem bei Gerresheimer verbleibenden Kerngeschäft rund um das Thema Pharma optimale Wachstumschancen zu ermöglichen. Als Spezialist rein für Pharma-Produkte könne sich Gerresheimer ganz anders am Markt positionieren. Das Abtrennen der Sparte Behälterglas liege nicht an deren wirtschaftlicher Situation. Im Gegenteil, so Lorberg, „es ist ein starkes Geschäft“ mit gut aufgestellten und modernen Werken. Die Millioneninvestitionen der vergangenen Jahre am Standort Lohr seien nicht so zu bewerten, dass es um ein „Aufhübschen der Braut“ gegangen sei. Vielmehr, so Lorberg, habe es sich um turnusmäßige und laufende Investitionen sowie Modernisierungen gehandelt. 

    Was könnten Auswirkungen für Lohr sein?

    Lorberg sieht durch den geplanten Verkauf der Sparte keinerlei Auswirkungen auf das Lohrer Werk: „Es wird nichts infrage gestellt. Das Geschäft wird ganz normal weiterlaufen.“ Und weiter: „Die Mitarbeitenden müssen sich keinerlei Gedanken oder Sorgen um ihre Arbeitsplätze haben.“ Die Arbeitsverträge ebenso wie alle Besitzstände, etwa Jahre der Betriebszugehörigkeit, gingen in der Regel auf einen neuen Eigentümer über.

    Am Produktportfolio auch des Lohrer Werkes würde sich durch einen Verkauf nichts ändern, sagt Lorberg. Sie geht auch davon aus, dass ein Eigentümerwechsel keine Auswirkungen auf die Absicht habe, das Lohrer Werk in Kooperation mit einem Dienstleister um ein neues Logistikzentrum zu erweitern.

    Vor einigen Wochen hatte Andreas Kohl, der in Lohr ansässige operative Leiter der Behälterglasproduktion von Gerresheimer, betont, welche Bedeutung das neue Logistikzentrum für das Werk hätte. Als Fläche ins Auge gefasst ist die letzte große freie Industriefläche, die die Stadt derzeit im Industriegebiet Süd vermarktet. Gerresheimer habe großes Interesse daran, so Kohl vor einigen Wochen.

    Wie sieht der Betriebsrat die Entwicklung?

    Harald Merz, seit neun Jahren Betriebsratsvorsitzender im Lohrer Gerresheimer-Werk, spricht davon, dass die Nachricht vom geplanten Verkauf im Laufe des Dienstags die Runde durch den Betrieb gemacht habe, erst über Flüsterpost, später auch über Aushänge. Wirklich überrascht sei er nicht von der Entwicklung. Anlass zu großer Sorge sehe er auch nicht. In den vergangenen Jahren sei massiv in die Lohrer Glashütte investiert worden. „Das Lohrer Werk hat Zukunft. Wir sind stark genug“, ist Merz daher überzeugt. Er sehe jedenfalls durch einen eventuellen Verkauf „definitiv keine Auswirkungen“ auf das operative Geschäft. „Wir werden vielleicht unter anderer Flagge fahren, bleiben aber auf Kurs.“ Freilich werde sich der Sparten-Betriebsrat zeitnah Gedanken machen, wie er sich zu der Entwicklung stelle und Einfluss nehmen könne. In der kommenden Woche werde es dazu ein Treffen in Essen geben. 

    Wie geht es weiter?

    Laut Gerresheimer-Sprecherin Lorberg wird es in den nächsten Monaten darum gehen, die Sparte Behälterglas aus dem Konzern herauszulösen und eine eigenständige Einheit zu bilden. Es gehe darum, den Bereich rechtlich und organisatorisch wie ein separates Unternehmen aufzustellen. Voraussichtlich im Frühjahr 2026 solle dann der eigentliche Verkaufsprozess eingeleitet werden. Er werde sicher einige Zeit in Anspruch nehmen.

    Wie groß der Kreis möglicher Interessenten ist und wie schnell ein solcher Verkauf über die Bühne gehen könne? Darüber könne man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren, antwortet Lorberg.

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