„Geht's noch?“ - deutlicher könnte Joachim Mantel sein Unverständnis über die aktuelle Diskussion um die Tauglichkeit des Lohrer Feuerwehrbootes für den Main kaum zum Ausdruck bringen. Unter der Regie des 66-Jährigen, der von 1996 bis 2014 Kommandant der Lohrer Feuerwehr war, wurde das nun in den Fokus gerückte Einsatzboot „Laura“ vor gut 25 Jahren angeschafft. Darüber, dass der Hersteller des Aluboots mit 15-PS-Außenborder heute erklärt, dass das Vehikel nicht für den Einsatz auf Fließgewässern gebaut sei, schüttelt Mantel nur den Kopf. Für ihn sei die Diskussion um das Boot ein Beispiel, wie sich Deutschland durch das Verstricken in Regularien zunehmend selbst lähme.
Die Vorgeschichte: Im 2021 erstellten Bedarfsplan für die Lohrer Feuerwehren hatte das beauftragte Fachbüro darauf hingewiesen, dass das Einsatzboot aufgrund der aus Motorisierung und Bauart resultierenden Klassifizierung nicht für fließende Gewässer geeignet sei.
Der Hinweis hatte zunächst keine Konsequenzen. Zwar beantragte Kommandant Sebastian Mademann seither alljährlich die Anschaffung eines für den Main zugelassenen Bootes. Allerdings führte die Finanznot der Stadt stets dazu, dass das Boot wieder aus der Anschaffungsliste gestrichen wurde.
Nur wenige Einsätze mit dem Boot
Mademann erklärt das damit, dass er habe abwägen müssen. Er habe jeweils zugunsten der Ausrüstung entschieden, die häufiger benötigt wird. Mit dem Boot habe man pro Jahr nur rund ein halbes Dutzend Einsätze. In den vergangenen Jahren sei es dabei nie um das Retten von Menschen gegangen.
Allerdings, so Mademann, habe er in den vergangenen Jahren etliche Lehrgänge besucht, bei denen unter anderem die Tauglichkeit von Booten für verschiedene Einsatzfelder Thema war. In der Folge drängte der Kommandant auf Klärung des Problems.
Gegenüber dem Stadtrat schloss er vor einigen Wochen nicht aus, dass das Boot der Lohrer Feuerwehr bei der Leitstelle in Würzburg für Alarmierungen abgemeldet werden muss. Das würde unter Umständen bedeuten, dass im Ernstfall die Feuerwehren Karlstadt, Gemünden oder Marktheidenfeld anrücken müssten. Sie alle haben für den Main zugelassene Boote.
Joachim Mantel, der frühere Kommandant, ist hingegen der Ansicht, dass das aktuelle Einsatzboot geradezu ideal ist. Er habe sich damals bewusst für die Anschaffung dieses relativ kleinen Bootes entschieden, weil das Lohrer THW und die örtliche Wasserwacht des Roten Kreuzes über große Boote verfügen.
„Für extreme Hochwassereinsätze nie gedacht“
Während solch große Boote nur an mit Anhängern befahrbaren Slipstellen zu Wasser gelassen werden könnten, reichten vier Feuerwehrleute aus, um das Einsatzboot der Feuerwehr überall am Mainufer ins Wasser zu heben, sagt Mantel. Da der Außenbordmotor hochgeklappt oder schnell demontiert werden könne, sei das Einsatzboot beispielsweise auch als Eisschlitten nutzbar.
Man habe dem Hersteller seinerzeit geschildert, wofür man das Boot brauche. Daraufhin habe der Hersteller zum schließlich auch gekauften Boot geraten. Dass das per Definition als Rettungsboot 1 (RTB1) nur für stehende Gewässer gedacht ist, habe über all die Jahre nie gestört, sagt Mantel. Das Boot sei als schnelles Rettungsmittel gedacht, nicht als leistungsstarkes Arbeitsboot. Für Ausnahmefälle wie „extreme Hochwassereinsätze war es nie eingeplant“, sagt Mantel.
Dass nun überhaupt über die Tauglichkeit des Lohrer Einsatzbootes gesprochen werde, liege daran, dass sich heute „jeder für das Worst-Case-Szenario absichern will“. Deshalb bekomme man heute weder von offiziellen Stellen noch vom Hersteller eine Aussage. Vom Hersteller des Bootes, der Firma Barro Bootsbau aus Kellmünz, war bislang keine Einschätzung zu erhalten.
Mantel sagt, dass es im Kern um die praktische Nutzbarkeit des Bootes gehe. Darüber müsse der Einsatzleiter bei jedem Einsatz entscheiden. Dass es zu einem Unfall oder Problem kommt, das auf Bauart und Ausstattung des Bootes zurückzuführen ist, hält er für äußerst unwahrscheinlich. Natürlich berge jeder Feuerwehreinsatz Risiken. Diese müssten stets von den Verantwortlichen bewertet werden.
Kommandant fordert Klarheit
Nach Ansicht von Mantel ließe sich die rechtliche Ungewissheit lösen, indem die Stadt als Dienstherr „unbürokratisch“ eine schriftliche Erklärung angibt. Tenor: Man kenne die Problematik der formal fehlenden Tauglichkeit des Bootes, gehe das Risiko jedoch ein. Dieses Risiko werde in jedem Einzelfall bewertet. Notfalls bleibe das Boot eben an Land, skizziert Mantel seine Vorstellung von der Erklärung, die Bürgermeister und Kommandant unterzeichnen sollten.
Bürgermeister Mario Paul und Feuerwehrkommandant Sebastian Mademann halten das jedoch für nicht umsetzbar. „Warum sollte ich mich in meiner Freizeit und im Ehrenamt auf juristisches Glatteis begeben“, fragt Mademann mit Blick auf Mantels Vorschlag. Er wolle als Kommandant rechtliche Sicherheit für sich und seine Einsatzkräfte. Die stünden im Ernstfall in der Verantwortung.
Auch der Bürgermeister erklärt, dass ein Schreiben wie von Mantel vorgeschlagen undenkbar sei: „Das kann und würde ich nicht tun.“ Eine Stadt könne keinen „pauschalen Freibrief“ ausstellen, weil das die Verantwortung für Entscheidungen nur auf die Einsatzkräfte abwälze.
Paul: Kooperation zwischen Feuerwehr und THW verbessern
Die einzige kurzfristige Lösung besteht in Pauls Augen darin, dass, wie beabsichtigt, die Kooperation von Feuerwehr und THW weiter verbessert wird. Das Lohrer THW hat mehrere Boote, die für Einsätze auf dem Main ausgelegt sind.
Allerdings gehört die Wasserrettung nicht zu den originären Aufgaben des THW. Da die Helfer nicht nur aus Lohr, sondern dem gesamten Altkreis kommen, sind die Ausrückzeiten des THW im Ernstfall länger.
Paul und Mademann sind jedoch zuversichtlich, dass sich das Zusammenspiel der Hilfsorganisationen und ihrer Boote in den geplanten Gesprächen weiter verbessern lässt. Die Frage nach der Tauglichkeit des Einsatzbootes der Feuerwehr wird freilich bleiben. Mademann jedenfalls kündigt an, gemäß den Vorgaben des Feuerwehrbedarfsplans weiter die Anschaffung eines auch formal für den Main tauglichen Bootes zu beantragen.
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