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Haßfurt: 400 Meter tief in den Erdboden: Wird Haßfurt Standort eines weltweit einzigartigen Energiespeichers?

Haßfurt

400 Meter tief in den Erdboden: Wird Haßfurt Standort eines weltweit einzigartigen Energiespeichers?

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    Blick von Sailershausen auf zwei Windräder im Landkreis Haßberge (Archivbild). Die Suche nach Speichern für Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist in vollem Gang.
    Blick von Sailershausen auf zwei Windräder im Landkreis Haßberge (Archivbild). Die Suche nach Speichern für Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist in vollem Gang. Foto: Lukas Reinhardt

    Trotz Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg: Die Herausforderung unserer Zeit heißt Energiewende. Wie diese erfolgreich gelingen könnte, hat sich ein Professor der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg ausgedacht. Er hat einen Speicher entwickelt, mit dem sich zum Beispiel ganz Haßfurt – einschließlich Stadtteile und ansässiger Industrie – mit erneuerbarer Energie versorgen ließe. Dieser Tage haben Studierende das Projekt im Rahmen einer Energiekonferenz im Haßfurter Stadtwerk vorgestellt. Vielleicht wird die Kreisstadt bei der weltweiten Suche nach geeigneten Speicherlösungen noch eine entscheidende Rolle spielen.

    Während einige Technologien bereits etabliert sind, stecken andere noch in den Kinderschuhen oder sind noch nicht mehr als eine Überlegung. Eine solche – zugegeben revolutionäre – Idee hat Professor Dr.-Ing. Matthias Popp von der TH Nürnberg kürzlich in Haßfurt präsentiert. Seine Lösung: Ein Stülpmembranspeicher.

    Bei Strom und Wärme unabhängig von anderen Staaten werden

    Nach der Überzeugung des Professors und seines Gastgebers Norbert Zösch, Geschäftsführer des Stadtwerks Haßfurt, könnte man Putin, den Scheichs und anderen Händlern fossiler Energie durchaus mittelfristig die Nase drehen und sich komplett aus der Nutzung von Öl, Gas und Uran bei der Strom- und Wärmeversorgung verabschieden. Die Mittel dazu sind vorhanden. Sie heißen Windkraft und Solarenergie.

    Im Rahmen einer Energiekonferenz im Haßfurter Stadtwerk stellten fünf Studierende der Technischen Hochschule Nürnberg (von rechts) das Projekt Stülpmembranspeicher vor, das Professor Dr. Matthias Popp (Vierter von links) entwickelt hat.
    Im Rahmen einer Energiekonferenz im Haßfurter Stadtwerk stellten fünf Studierende der Technischen Hochschule Nürnberg (von rechts) das Projekt Stülpmembranspeicher vor, das Professor Dr. Matthias Popp (Vierter von links) entwickelt hat. Foto: Wolfgang Sandler

    "Wir erzeugen unterm Strich ohnehin schon mehr Energie", so Zösch im Gespräch mit dieser Redaktion, "als wir in der Stadt Haßfurt mit Stadtteilen und gesamter Industrie brauchen." Der Haken: "Nur nicht zeitgleich." Deshalb werden so dringend Speichermöglichkeiten gesucht, mit denen sich große Mengen an Strom in Zeiten des Überangebots für Zeiten mit Mangelversorgung ohne Wind und Sonne konservieren lassen.

    Bei dem Begriff "Speicher" denkt man unwillkürlich zunächst an Batterien und Akkus. Aber um überschüssige Energie aus Sonnen- und Windkraft vom Sommer in den Winter zu retten – dafür bedarf es ganz anderer, größerer Lösungen. Ein bereits praktiziertes Modell sind die sogenannten Pumpspeicherkraftwerke. Dabei wird zumeist in gebirgigen Umgebungen Wasser aus einer Art Talsperre über Leitungen bergab durch Turbinen geleitet und so Energie erzeugt. Wenn überschüssiger Strom zur Verfügung steht, wird das Wasser wieder nach oben gepumpt.

    Geografische Voraussetzungen auf dem flachen Land schaffen

    Dafür benötigt man aber gewaltige Flächen und entsprechende geografische Voraussetzungen, um den Höhenunterschied der beiden Wasserbecken zu realisieren. Da diese Voraussetzungen nur selten gegeben sind, so Professor Popp, habe er sich eine zunächst phantastisch anmutende Lösung einfallen lassen. Wenn die Gegend keine geographischen Voraussetzungen für ein Pumpspeicherkraftwerk bietet, müsse man sich solche eben kurzerhand auf dem flachen Land schaffen.

    Popp hat sich überlegt, dass man einen solchen Speicher einfach in der Erde verbuddeln könnte. Das klingt natürlich einfacher als es ist, aber der Hochschullehrer hat das Projekt schon für verschiedene Kommunen von seinen Studierenden durchplanen lassen. Und für Haßfurt zogen die Studenten das Fazit, dass es durchaus möglich wäre, mittels eines solchen Stülpmembranspeichers die gesamte Kreisstadt mit Stadtteilen und Industrie mit elektrischem Strom und Heizwärme zu versorgen.

    Der Energiespeicher funktioniert wie ein Korken in einem Wasserglas

    Die genaue Beschreibung der Erfindung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, darum sei hier nur kurz umrissen, wie das Wunderwerk funktionieren soll. "Wie ein Korken in einem Wasserglas", erklärt Stadtwerkleiter Zösch. In einem 400 Meter tiefen Loch in der Erde mit einem Durchmesser von etwa 130 Metern, das mit Zement ausgekleidet ist, schwimmt ein beinahe genauso großer "Kolben". Hauptsächlich bestehend aus dem ausgehobenen Material und ebenfalls mit Zement ummantelt. Dieser Kolben ist mit einer Stülpmembran ringsum lückenlos mit der Außenwand des Lochs verbunden, sodass die beiden Wasserreservoirs oben und unten sich nicht vermischen und die darin herrschenden unterschiedlichen Drücke bestehen bleiben.

    Der von Professor Matthias Popp entwickelte Stülpmembranspeicher kann eine Stadt wie Haßfurt theoretisch bis zu zwei Wochen mit Strom und Wärme versorgen.
    Der von Professor Matthias Popp entwickelte Stülpmembranspeicher kann eine Stadt wie Haßfurt theoretisch bis zu zwei Wochen mit Strom und Wärme versorgen. Foto: Grafik Dominic Häuslein

    Darauf beruht nämlich der Hintergedanke des Verfahrens. Wenn Wind und Sonne eine Menge überschüssiger Energie erzeugen, kann damit Wasser unter den Kolben gepumpt werden und das riesige Teil hebt sich. Dadurch entsteht ein mechanischer Druck auf die umgebende Flüssigkeit. Wird hingegen elektrische Energie benötigt, lässt man den Kolben das Wasser durch Turbinen zurückdrücken, wodurch wieder elektrische Energie erzeugt wird. Das Wasser bewegt sich in einem geschlossenen Kreislauf. Dieses Prinzip wird in vielen technischen Geräten schon angewandt und heißt Hydraulik.

    Das für den Speicherbetrieb verwendete Wasser wird zudem durch die von Sonnenkollektoren auf Hausdächern gewonnene Energie aufgeheizt und dient so als Wärmespeicher für die Heizung der angeschlossenen Haushalte. Hier wird im Sommer Wasser mit niedriger Temperatur zu den Häusern geleitet und kommt erwärmt durch die Sonnenkollektoren wieder zum Speicher zurück, im Winter genau andersherum.

    Prototyp nahe der Sailershäuser Straße?

    Lange Lebensdauer, hoher Wirkungsgrad, niedrige Betriebskosten und geringe Selbstentladung seien Vorteile der etablierten Pumpspeichertechnik, so Professor Popp. Sein Modell kombiniere all diese Vorteile auf einer kleinen Fläche bei topographischer Unabhängigkeit und ohne nennenswerten Eingriff in das Landschaftsbild gegenüber der Pumpspeichertechnik. "Die unterirdische Bauweise soll die gesellschaftliche Akzeptanz steigern, ganz nach dem Motto: Die beste Technik ist die, welche man nicht sieht."

    Dass das unmöglich Scheinende machbar ist, davon sind Popp und Stadtwerkchef Zösch überzeugt. "Physikalisch ist das möglich", so Zösch. Und Popp hat auch schon ein Modell angefertigt. Jetzt fehlt nur noch die Erprobung in der Praxis. Eine solche Anlage wurde nämlich noch nicht gebaut. "Es wäre schön", so Popp, "wenn wir einen Prototypen errichten könnten."

    Hier kommt Haßfurt ins Spiel. Das Stadtwerk hat der Hochschule die entsprechenden Daten zur Verfügung gestellt, Brunnenbohrungen in der Umgebung eines eventuell angedachten Standorts nahe der Sailershäuser Straße haben den Untergrund als geeignet ausgewiesen. Hier könnte als Pilotprojekt eine deutlich kleinere Version eines Stülpmembranspeichers entstehen, der zunächst einmal ein Neubaugebiet mit elektrischer Energie und Heizwärme versorgt. Auch um zu zeigen, dass die Idee wirklich funktioniert.

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