„Diese Ausstellung, eine Raumausstellung aus Aktendeckeln, Collagen und gerahmten Registerausschnitten, ist in Wirklichkeit das genaue Hinsehen auf etwas, was Stück für Stück verschwindet. Die Künstlerin sieht ihre Arbeit als Bestandsaufnahme, aktuelle Themen der Zeit zu reflektieren.“ Dies betonte Renate Ortloff, die Kulturbeauftragte des Landkreises Haßberge, bei der Ausstellung „ad acta“ im Interkommunalen Bürgerzentrum. Die Werke sind dort auch noch bis zum 10. November zu den Öffnungszeiten der Verwaltung zu sehen.
Künstlerin Gabi Weinkauf war im Jahre 2018 die Gewinnerin des „Kunstpreises Landkreis Haßberge“ und in diesem Zusammenhang wurde ihr angeboten, sich mit einem Workshop oder einer Ausstellung als Künstlerin im Landkreis Haßberge vorzustellen. Sie lebt jetzt zwar nicht mehr im Haßbergkreis, dennoch ist sie mit diesem stark verbunden, denn als gebürtige Ochsenfurterin – ihr Vater war in der Zuckerfabrik beschäftigt – kam sie im Alter von zwei Jahren nach Zeil und ging dann auch in Haßfurt zur Schule. Heute lebt und arbeitet sie in Güntersleben.
Als Mutter von drei Kindern begann sie im Jahre 1999 mit Kursen und Seminaren im Fach Malerei. Dabei führte sie ihr Weg auch nach Italien. Intensiv startete sie im Jahre 2005 mit einem Studium an der freien Akademie der bildenden Künste in Essen und von nun an waren Malerei, Grafik und Bildhauerei ihr Betätigungsfeld.
Hoher künstlerischer Anspruch
„Dass Gabi Weinkauf nicht nur mit kreativen Installationen beeindruckt, sondern auch Zeichnen, Sticken und Nähen kann, und das mit einem hohen künstlerischen Anspruch, sollte man wissen“, betonte Renate Ortloff bei der Eröffnung der Ausstellung. Im Landkreis sei sie auch nicht nur mit der Installation „Vergessen“ bekannt geworden. „Das waren Rutenbündel aus Weiden auf einer Höhe von zwei Metern, einer Länge von 2,50 Metern und einer Breite von einem Meter aufgeschichtet. Sie sorgte damals beim Wettbewerb für viel Aufsehen und gewann damit auch den Kunstpreis.“
Erst kürzlich bei der Eröffnung von „Kunststück“ im Schloss Weißenbrunn habe sie mit einer Videoaufnahme auf sich aufmerksam gemacht, die eine am Meer aufgebaute Installation zeigte, die mit jedem Wellenschlag vom Meer verschluckt wurde. „Dazu passend wurde das Musikstück ,Die Harfen von Babylon' gespielt, was insgesamt sehr faszinierte. Natürlich waren auch die großen Gemälde von ihr an diesem Abend ein Hingucker.“
Ortloff stellte heraus, „dass Themen künstlerisch umzusetzen, für sie ein Vergnügen ist. Das können Nebensächlichkeiten des Lebens sein oder große Themen wie Ungerechtigkeit und Willkür oder das Verlorengehen von etwas Selbstverständlichem.“ Neben ihrer viel geschätzten Kreativität sei es ihre zupackende, entschlossene Art, die beeindrucke. Ihre Ideen umzusetzen, erfordere mal höchst körperlichen Einsatz und mal Fingerspitzengefühl.
Mit der Ausstellung „ad acta“ reflektiert sie wieder einmal zu einem aktuellen Thema der Zeitgeschichte, wenn Aktendeckel nicht nur als Schrank füllendes Teil fehlten, sondern damit auch die Gerüche und Handlings dieser Teile. Für Personen aus der Verwaltung sei diese Ausstellung besonders spannend, da es sich bei den aufgebauten Stücken um Originale aus der öffentlichen Verwaltung handle. „Sich bewusst machen, dass alles Neues auch etwas anderes verdränge, so sehe ich diese Ausstellung. Es hat eben alles seine zwei Seiten“, betonte die Kulturbeauftragte.
Stellvertretender Bürgermeister Reinhold Giebfried bedankte sich bei Gabi Weinkauf, dass sie in Hofheim ihre Kunst präsentiere und wunderte sich, wie man auf die Idee komme mit alten Ordnern ein solches Werk zu schaffen. Einen Ordner verbinde man ja mit dem Griff zu einem Schriftstück, ebenso mit Ordnung und dass es nicht in Vergessenheit gerät. So wünschte er auch der Ausstellung viel Erfolg.
Künstlerin Gabi Weinkauf gestand ein, dass sie schon allein der Raum der Remise in Hofheim dazu reizte, eine Installation zu einem Thema zu bieten, das man auch gerne mit „arte povera“ verbinde, einem italienischen Ausdruck für „arme“ oder „verarmte Kunst“. Einer der bekanntesten Künstler sei Jannis Kounellis (1936-2017) gewesen, der auf subtile Weise die Industrialisierung und Mechanisierung des damaligen Italiens kritisierte und bewiesen habe, dass er mit sparsamsten Mitteln spektakuläre Inszenierungen schaffen kann.
„Wenn ich sie erst mal habe, geht es erst los und ich frage mich, was ich damit erzählen könnte.“
Auch sie arbeite mit Materialien, die nichts mehr wert seien oder keine Bedeutung mehr hätten wie Wäsche, Weide, Prothesen oder alten Becken. „Wenn ich sie erst mal habe, geht es erst los und ich frage mich, was ich damit erzählen könnte“. So sei es ihr auch bei der Ausstellung „ad acta“ ergangen. Sie musste ja aus den Akten alles erst herausreißen und sei dann auf viele bemerkenswerte Dinge gestoßen. Die ältesten Zeugnisse stammten dabei aus dem Jahre 1896 oder auch aus der Zeit der Weltkriege 1919 und 1942/43. Besonders angetan zeigte sie sich auch von der Schrift, die teilweise einem Kunstwerk gleiche und die es heute nicht mehr gebe. „Schließlich mag ich auch den Geruch der alten Akten und will damit etwas gestalten“.
Die Eröffnung dieser Ausstellung bekam insofern noch einen besonderen Akzent, indem Jazzgitarrist Holger Schliedstedd einen musikalischen Akzent setzte. Der Berliner „Jazz-Profi“ hält sich nämlich derzeit bei Gitarrenbau Gräfe in Lendershausen auf, um sich eine neue Gitarre zu bauen. Er leitet in Berlin die Band „e la luna“, gastierte in letzter Zeit in Italien und auch Rumänien und beeindruckte nun in Hofheim die Gäste der Ausstellung.