Es ist sicher ein ungewöhnlicher Anblick, wenn zwei Schüler die stellvertretende Leiterin ihrer Schule auffordern, zu verschwinden. Doch genau das passiert in einem Video auf der Homepage der Dr.-Auguste-Kirchner-Realschule in Haßfurt. "Stopp! Heute ohne Lehrer!", sagen Antonina Bachman und Stefan Kreckel. Dann schnippen die beiden Sechstklässler mit den Fingern und Konrektorin Christine Gehringer verschwindet aus dem Bild.
Der 26-sekündige Clip ist die Begrüßung auf einer Internetseite. Diese Seite richtet sich vor allem an Grundschüler, die sich bald entscheiden müssen, auf welche weiterführende Schule sie künftig gehen wollen, sowie an deren Eltern. Denn am 10. Mai beginnen die Anmeldungen.
Die großen Schüler führen die kleinen
Ohne Pandemie und Lockdown gäbe es im März für diese einen Infoabend, auf dem die Haßfurter Realschule sich präsentiert. Der übliche Ablauf dabei: Während sich die Eltern im "Silberfisch", dem Ganztagsgebäude des Schulzentrums, anhören, was Lehrer und Schulleitung zu erzählen haben, bekommen ihre Kinder eine Schulführung – und zwar nicht durch Lehrer, sondern durch Schüler.

"Am Infoabend ist das immer so: Die großen Schüler führen die kleinen Schüler", sagt Konrektorin Gehringer. Schließlich wissen die Schüler selbst am besten, was andere Kinder an der Schule besonders interessieren dürfte. Üblicherweise war es die Schulfirma der Realschule, die diese Führungen übernahm.
Mehr Vorlaufzeit, mehr Planung
Doch bereits im vergangenen Jahr machte Corona den Infoabend unmöglich, und so fiel auch die Schulführung aus. Schon damals hatte die Schule auf die ungewöhnliche Situation mit der Idee reagiert, einen Film zu drehen, mit dem die Führung wenigstens in digitaler Form stattfinden konnte. Der entstand allerdings unter großem Zeitdruck, außerdem befand sich das Schulgebäude damals derart im Umbau, dass die Schulführung eher zur Baustellenführung wurde. Damals waren es Schulleiter Hartmut Hopperdietzel und die zweite Konrektorin Christine Rottmann, die im Film alles präsentierten.

Diesmal hingegen war die Situation eine andere: Im Jahr 2020 hatte die Schule schnell auf eine unerwartete Situation reagieren müssen, 2021 hingegen war lange vorher absehbar, dass ein neuer Film her musste, um die Schule vorzustellen. Viel Planung, viel Vorlaufzeit – und eine Idee: Wie auch bei den normalen Infoabenden, sollten es diesmal nicht Lehrer, sondern Schüler der Realschule sein, die den Grundschulkindern die Schule vorstellen. "Das ist authentischer, als wenn es ein Lehrer macht", meint Benjamin Krumpholz. Er ist einer der Lehrer, die die Schul-Homepage betreuen, und war auch derjenige, der die Idee zu diesem Video-Konzept hatte.
Vorbereitung per Videochat
Und so entstand auf der Schul-Homepage eine eigene Unterseite, die sich speziell an die künftigen Schüler richtet. Antonina Bachman und Stefan Kreckel sind dabei nicht nur in der Begrüßung zu sehen, sondern auch noch in weiteren Videos, die man auf der Seite anschauen kann. Das Herzstück davon ist die virtuelle Schulführung, bei der die beiden Zwölfjährigen künftigen Schülern verschiedene Stellen des Schulhauses zeigen.
Ein Casting oder eine Bewerbung gab es nicht: Die Lehrer, die sich das Projekt ausgedacht hatte, überlegten sich gleich, welche Schüler sie sich gut als Präsentatoren für den Film vorstellen konnten, und sprachen Antonina Bachman und Stefan Kreckel direkt an. Dann trafen sich die beteiligten Lehrer und Schüler über das Microsoft-Programm "Teams" zu einer Videokonferenz, in der sie das Projekt planten.
Eigene Ideen der Schüler
"Die Texte konnten wir frei sprechen", berichtet Antonina Bachman. Zwar war der Inhalt dessen, was sie und Stefan Kreckel sagen sollten, vorher abgesprochen, die Worte durften sich die beiden aber selbst suchen. Und sie konnten auch eigene Ideen einbringen, welche Orte an der Schule sie den "Neuen" zeigen wollen. "Uns waren ein paar Orte wichtig, aber es waren auch Ideen der Schüler dabei", berichtet Lehrer Benjamin Krumpholz.

"Das Klettergerüst war gar nicht eingeplant", erinnert sich Antonina Bachman an einen Ort, der erst auf Vorschlag der beiden Sechstklässler in die Schulführung aufgenommen wurde. Immerhin sollen die Kinder ja nicht nur sehen, wo und wie sie künftig lernen sollen, sondern auch, wie sie ihre Pausen abwechslungsreich gestalten können.
Schule will ihre Vielfalt zeigen
Abwechslungsreich präsentiert sich die Schule auch sonst in dem Video. "Wir haben versucht, die Vielfalt unserer Schule abzubilden", sagt Anke Männer, eine andere Lehrerin, die an dem Projekt beteiligt war. So geht es durch verschiedene Klassenzimmer, den Werkraum, die Schulküche, die Sporthalle und andere Räume – und dabei dürfen die Schüler auch mal einen Blick ins Lehrerzimmer oder das Büro des Schulleiters werfen. Ein Blick in den Computerraum soll außerdem zeigen, dass die Schule nicht im analogen Zeitalter steckengeblieben ist.

"Man kann sich relativ schnell einen guten Überblick verschaffen", meint Michael Beinke, der dritte im Bunde der Lehrer, die die Homepage betreuen und die virtuelle Schulhaustour gemeinsam mit den Schülern geplant haben. "Wichtig war uns, dass wir von der ganzen Textflut wegkommen wollten", erklärt Benjamin Krumpholz. Denn gerade in Corona-Zeiten würden Schüler und Eltern sowieso mit schriftlichen Infos überschüttet. Deshalb sollte die virtuelle Schulführung eher visuell sein.
Kinder sollen sich wohl fühlen
"Wichtig ist, dass die Kids sich auch wohl fühlen", sagt Anke Männer. "Sie sollen merken, dass man sich auf sie freut. Sie sollen sich willkommen fühlen." Schüler Stefan Kreckel berichtet: "Meine Nachbarin hat gemeint, es hat ihr sehr gut gefallen." Auch sonst habe es schon positive Rückmeldungen auf die Aktion gegeben.
Um auf die Internetseite hinzuweisen, auf der die Tour durch die Schule zu sehen ist, hat die Realschule Postkarten drucken lassen. Auf denen zu sehen ist ein Bild, das Antonina Bachman und Stefan Kreckel zeigt – gemalt von der Zehntklässlerin Anna-Lena Sievert. Daneben steht ein QR-Code, der auf die Seite führt. Wer bei der Schule anruft und erklärt, dass er sich für den Übertritt auf die Realschule interessiert, bekommt diese Karte zugeschickt.