Josef Manger aus Adelsberg lässt der tödliche Unfall seines Sohnes im Dezember vergangenen Jahres keine Ruhe. Er fragt sich, warum der Holzlaster, in den sein Sohn frühmorgens im Dunkeln seitlich gekracht ist, aus seiner Sicht nur so spärlich beleuchtet war. „Solche Fahrzeuge sollten eigentlich eine gelbes Warnlicht haben“, findet er. Vermutlich nahm sein Sohn den Anhänger nicht oder nur im allerletzten Augenblick wahr, da er praktisch ungebremst dagegen geprallt war. Bremsspuren fanden sich keine, nur die Bremslichter leuchteten nach dem Unfall noch.
Am Dienstag, 7. November, muss sich der Fahrer des Holzlasters wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht Gemünden verantworten. Ihm wird vorgeworfen, dass er dem 39-Jährigen die Vorfahrt genommen habe. Zu einer Verhandlung kommt es nur, weil der 46-jährige Fahrer einer Spedition aus dem Landkreis Bad Kissingen gegen den Strafbefehl mit einer Geldstrafe und einem einmonatigen Fahrverbot Einspruch einlegt.
Bremsspuren fanden sich keine
Der Unfall in der Nähe von Wiesenfeld geschah am 15. Dezember gegen 5.45 Uhr. Der Lkw-Fahrer wollte ein Stück oberhalb der ICE-Brücke, hinter einer Kuppe mit einem mit Langholz beladenen Anhänger aus einem Feldweg auf die Staatsstraße in Richtung Karlstadt einbiegen. Noch während des Abbiegens prallte der 39-Jährige, der von Karlstadt kommend auf dem Weg zur Arbeit war, mit seinem Skoda in den mitten auf seiner Fahrbahn stehenden Anhänger. Der Wagen geriet darunter, sodass der 39-Jährige in seinem Auto eingeklemmt wurde und kurze Zeit später an der Unfallstelle starb. Eine routinemäßige Kontrolle auf Alkohol im Blut des Unfallopfers kam auf 0,0 Promille.
Im Frühjahr stellten die Eltern des tödlich Verunglückten ein Kreuz an der Unfallstelle auf. Der Tod ihres Sohnes quält sie weiterhin. Zum einen stellen sie sich die Frage, wer Handy und Geldbeutel ihres Sohnes aus dem Unfallwagen stahl, aber vor allem, warum er den Anhänger offenbar nicht gesehen hat, warum der an der Seite nicht besser beleuchtet war.
Laut Unfallgutachten war Anhänger vorschriftsmäßig beleuchtet
Der Redaktion liegt das Unfallgutachten der DEKRA vor. Demnach kollidierte der Verunglückte mit einer Geschwindigkeit von 65 bis 80 Stundenkilometern, bei erlaubten 100, mit dem Laster. Der Lkw-Fahrer muss die Scheinwerfer des Skoda gesehen haben, als er in die vorfahrtberechtigte Straße einfuhr. Gegenüber der Polizei gab er laut Akte auch an, das etwa 300 Meter entfernte Auto wahrgenommen zu haben. Aus dem Gutachten geht hervor, dass der Anhänger vorschriftsmäßig mit funktionsfähigen sogenannten Seitenmarkierungsleuchten, kleinen Lämpchen an der Seite, beleuchtet war.
Warum der Autofahrer praktisch ungebremst in den Anhänger krachte, darüber macht sich auch der Gutachter Gedanken. Womöglich sei er durch die Lkw-Scheinwerfer, die ihm entgegen strahlten, geblendet oder abgelenkt gewesen und hat so den Anhänger nicht erkannt. „Ohne gezielte Aufmerksamkeit auf das Ausfahren des Gliederzuges ist der Anhänger des Lkw, auf Grund des dunklen Aufbaus, nicht einfach erkennbar“, steht im Gutachten zu lesen. Der besser beleuchtete Heckbereich des Anhängers stand zum Unfallzeitpunkt noch auf dem Wirtschaftsweg.
Nur kleine Leuchten an der Seite
Auf Fotos der Redaktion und im Gutachten ist zu sehen, dass der Anhänger seitlich nur die kleinen Seitenleuchten hatte. Warum keine Rundumleuchte, warum keine Reflektorstreifen an den Ladestützen oder an der Ladefläche? Das fragt sich Vater Josef Manger. Sein Sohn könnte womöglich noch leben, hätte er den Anhänger durch eine bessere Beleuchtung wahrgenommen, glaubt er.
„Mir geht es darum“, sagt der Vater, „dass andere geschützt werden, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“ Eine Rundumleuchte etwa sei ja kein großer Aufwand und man sehe sie schon von Weitem. Wenn der Landkreis Unterhaltsarbeiten an Straßen mache, seien die Fahrzeuge immer ordentlich beleuchtet. „Da hat jeder so eine Leuchte drauf“, wundert sich der Adelsberger.
Autofahrer womöglich von Scheinwerfern des Lkw geblendet
Werner Schech, Niederlassungsleiter der DEKRA in Würzburg, ist der Fall bekannt, er erstellt auch selbst Gutachten. Auf Anfrage sagt er, dass Seitenmarkierungsleuchten, wie sie der Holztransporter hatte, eigentlich ausreichen sollten. Er räumt aber ein, dass im vorliegenden Fall, der Verunglückte wohl vom Abblendlicht des Lkw abgelenkt oder geblendet war. Die Leuchtstärke der Seitenmarkierungsleuchten trete hinter die der Scheinwerfer zurück.
„Wenn man mehr macht an der Seite, würde das Beleuchtungsbild verschwimmen und man sieht womöglich nicht, was da auf einen zukommt“, sagt er. Die Markierungen an Fahrzeugen seien, geregelt in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), einheitlich gehalten, damit man erkenne, ob ein Lkw oder ein Pkw oder eine Baustelle auf einen zukomme.
Rundumleuchten für Lkw nur bei Übergröße
Rundumleuchten dürfen laut Schech nur Lkw haben, deren Abmessungen nicht der StVZO entsprechen, etwa weil sie Überlänge haben. Zur Frage möglicher Reflektorstreifen sagt Experte Schech, dass aktive seitliche Leuchten prinzipiell besser seien als etwas Reflektierendes.
Laut DEKRA-Pressesprecher Wolfgang Sigloch sind gelbe reflektierende Streifen, sogenannte Konturmarkierungen, für seit dem 10. Juli 2011 neu zugelassenen Fahrzeugen vorgeschrieben – „und zwar in einer durchgehenden horizontalen Linie“. Vertikale Markierungen, etwa an den Rungen von Holzlastern seien nicht vorgesehen. Rundumleuchten sind nur für bestimmte Fahrzeuge, etwa Straßenreinigung/-unterhalt, Müllabfuhr, Pannenhilfe oder Lkw mit Überlänge oder -breite vorgesehen.
Vorschriften werden in Berlin gemacht
Bei der Polizei sagte man dem Vater des Opfers, dass die Vorschriften bezüglich der Beleuchtung in Berlin gemacht würden. „Das kann doch nicht sein, dass man da nichts machen kann und es müssen Leute sterben“, so Manger. „Soll ich jetzt dem Bundesverkehrsminister schreiben?“ Die Redaktion hat das vor Monaten getan, aber keine Antwort erhalten.
Auf Anfrage sagt der Spediteur, dem der am Unfall beteiligte Holzlaster gehört: „Das Fahrzeug war TÜV-mäßig in Ordnung.“ Zugmaschine und Anhänger seien vorschriftsmäßig beleuchtet gewesen. Er habe sich schon öfter die Frage gestellt, wie es zu dem tragischen Unfall habe kommen können. Einen solchen habe er vorher noch nie erlebt. Er würde es begrüßen, wenn durch eine neue gesetzliche Regelung die seitliche Beleuchtung von Lkw und Anhängern verbessert würde. Neue Fahrzeuge hätten ohnehin schon Reflektorstreifen and er Seite.
Verbesserungen in den vergangenen Jahren
Es habe sich aber schon einiges getan in den letzten Jahren, so der Fuhrunternehmer: Vor 20 Jahren habe es überhaupt keine seitliche Beleuchtung gegeben, dann erst Katzenaugen, dann Leuchten und für neue Fahrzeuge Reflektorstreifen. „Früher bist du bestraft worden, wenn du zusätzliche Lichter an deinem Auto hattest“, sagt er.
Wie es auch geht, zeigt das Holztransportunternehmen des Gemündeners Karl Ditterich: An der Seite haben seine Fahrzeuge und Anhänger allesamt reflektierende Streifen, außerdem vorne und hinten Rundumleuchten – die sind bei Überlänge ein Muss und werden bei Ditterichs Fahrzeugen auch bei schwierigen Ausfahrten kurzzeitig angeschaltet.
„Wenn du irgendwo aus dem Wald rausfährst, ist das von Vorteil“, sagt Ditterich. „Für uns und für den anderen Verkehrsteilnehmer.“ Erst recht bei dichtem Nebel oder Dunkelheit. Die zusätzlichen Kosten schätzt der Unternehmer auf 1000 bis 1500 Euro pro Lastzug. „Das ist es uns auf jeden Fall wert.“ Der Spediteur des Unfall-Holzlasters findet die Idee des Kollegen Ditterich mit Rundumleuchten bei schwierigen Ausfahrten gut.
Am 9. November wäre der Verunglückte 40 Jahre alt geworden.