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IPTHAUSEN: Friedhofsschändung beim Frühsport

IPTHAUSEN

Friedhofsschändung beim Frühsport

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    Ursprungsort: 1994 wurden die in der Nazizeit zum Treppenbau im Kurpark verwendeten Grabsteine geborgen. Daraus gestaltete Fritz Köth eine Gedenkpyramide im jüdischen Friedhof. Bild unten: Eine Schande – so sah der Friedhof in Ipthausen 1938 aus, nachdem die Insassen des NS-Reichsarbeitsdienstlagers in Königshofen im Rahmen des „Frühsports“ sämtliche Grabsteine umwarfen.
    Ursprungsort: 1994 wurden die in der Nazizeit zum Treppenbau im Kurpark verwendeten Grabsteine geborgen. Daraus gestaltete Fritz Köth eine Gedenkpyramide im jüdischen Friedhof. Bild unten: Eine Schande – so sah der Friedhof in Ipthausen 1938 aus, nachdem die Insassen des NS-Reichsarbeitsdienstlagers in Königshofen im Rahmen des „Frühsports“ sämtliche Grabsteine umwarfen. Foto: Foto/Repro: Reinhold Albert

    Im Jahre 1920 beschlossen die in Königshofen lebenden Juden, eine eigene Begräbnisstätte zu errichten, nachdem auch sie ihre Toten jahrhundertelang auf dem Judenhügel bei Kleinbardorf bestattet hatten. Sie wurde 1921 am östlichen Stadtrand Königshofens auf Ipthäuser Gemarkung eingerichtet.

    Das Friedhofsgedenkbuch der israelitischen Kultusgemeinde Königshofen im Grabfeld überliefert, dass Julie Kohn die jahrelang diskutierte Idee zum Anlegen eines eigenen Friedhofs in die Tat umsetzte. Wie Isabell Klingert in einer am Gymnasium Bad Königshofen verfassten Facharbeit mitteilt, führte Kohn Sammlungen durch, um die Mittel für eine eigene jüdische Grabesstätte aufzubringen. Für 3000 Reichsmark (RM) – das Geld wurde gesammelt – erwarb die israelitische Kultusgemeinde vier benachbarte Äcker an der Eyershäuser Straße.

    Das Grundstück war aufgrund der Nähe zu Königshofen und der geringen Hanglage besonders günstig gelegen. Es eignete sich nicht nur wegen seiner leicht gegen Süden geneigten Lage, sondern auch wegen seiner rechteckig geformten Grundstücksfläche. Der Kaufmann David Friedmann – er hatte ein Geschäft am Marktplatz – stiftete zudem 12 000 Mark, womit die Ummauerung des Friedhofs errichtet werden konnte. Er war übrigens der erste Tote, der auf dem jüdischen Friedhof in Ipthausen beigesetzt wurde.

    Aus dem Gedenkbuch geht der Ablauf der feierlichen Eröffnungszeremonie am 23. Januar 1921 (im jüdischen Kalenderjahr der 14. Schevat 5681) hervor. Dazu begab sich die Gemeinde am Morgen zu einem Gottesdienst in die Synagoge in der Bamberger Straße. Später versammelten sich die Mitglieder vor dem Eingang des neuerrichteten Friedhofs. Zunächst wurden Psalmen gebetet, dann begann die Zeremonie mit einer Ansprache des Lehrers der örtlichen Kultusgemeinde, Julius Herrmann. Darauf folgten ein allgemeines Gebet sowie ein Gebet zum Gedenken an die Verstorbenen der Kultusgemeinde.

    Anschließend fand nochmals eine Versammlung der Mitglieder statt, auf deren Vollzähligkeit großer Wert gelegt wurde. Hierbei stand die Besprechung über den zu gründenden Wohltätigkeits- und Bruderschaftsverein im Vordergrund.

    Das Friedhofsgelände liegt heute inmitten eines Neubaugebiets. Das Areal umfasst knapp 2900 Quadratmeter. Vom Zeitpunkt der Eröffnung 1921 bis 1938 war der Königshöfer jüdische Friedhof mit 43 Gräbern belegt. Dieser rasche Zuwachs erklärt sich dadurch, dass auch andere jüdische Gemeinden im Umkreis von Königshofen diese Möglichkeit der Bestattung ihrer Verstorbenen nutzten.

    Die wenigen, durch zwei Kirschbäume unterbrochenen Grabreihen befinden sich ungefähr in der Mitte des Friedhofs und füllen nur etwa ein Viertel der Fläche aus. Die Gräber sind alle nach Osten ausgerichtet. Die Grabsteinformen sind äußerst schlicht, häufig mit Schrifttafeln versehen. Der letzte lesbare Grabstein ist aus dem Jahr 1939.

    Schändungen, die bereits 1925 und 1938 erfolgten, sind noch heute sichtbar. Es fehlen Grabsteine und Schrifttafeln. Im Frühjahr 1938 wurden von Insassen des Reichsarbeitsdienstlagers in Königshofen sämtliche Grabsteine umgeworfen. Die Tat geschah, nachdem die jungen Männer im Rahmen des Frühsports zufällig an dieser jüdischen Einrichtung vorbeikamen.

    Teile der Steine sollen im städtischen Schwimmbad, im Kurpark und in Privathäusern bei baulichen Maßnahmen im „Dritten Reich“ verwendet worden sein. Nach der Kapitulation Hitler-Deutschlands im April 1945 wurden noch einige Grabsteine in der Scheune des Nazi-Kreisleiters gefunden, die dann wieder auf dem jüdischen Friedhof Ipthausen aufgestellt wurden. Die anderen Steine blieben verschollen. Die Mauer um den Friedhof wurde im „Dritten Reich“ ebenfalls abgebrochen und für bauliche Zwecke verwendet.

    1957 waren auf dem jüdischen Friedhof in Ipthausen noch zwölf Gräber zu erkennen, zehn davon waren unbeschädigt, 46 Grabstätten waren noch auszumachen, davon 21 eingefasst.

    1993 entdeckte Ela Schiller an einer Treppe in der Nähe der Wandelhalle Schriftzeichen. Zum Vorschein kam der Name Rau. Vom Vornamen waren lediglich die Endbuchstaben „el“ zu erkennen. Ein Teil der Steine war also im Kurpark für Baumaßnahmen im „Dritten Reich“ verwendet worden, wie Nachforschungen ergaben. Die Überreste der Grabsteine wurden 1994 geborgen und wieder auf den Friedhof zurückgebracht.

    „Während der Nazizeit 1933 – 1945 als Treppen im Kurpark geschändete Grabsteine. Im Jahre 1997 hierher zurückgeführt.“, lautet der Text einer Tafel, die sich an einer vom damaligen Kreisbaudirektor Fritz Köth entworfenen Gedenkpyramide auf dem jüdischen Friedhof Ipthausen befindet. Im Kurpark steht zudem ein Findling aus den Haßbergen mit einer Inschriftentafel. Hierauf ist vermerkt: „Der Stein, der aus der Erde ruft – Beim Bau dieser Treppen wurden im Jahre 1938 jüdische Grabsteine aus den Friedhöfen Kleinbardorf und Königshofen/Ipthausen verwendet. Im Jahr 1994 ließ die Stadt Bad Königshofen diese Treppen abbauen. Diese Steine befinden sich nunmehr auf dem Gelände des jüdischen Friedhofs im Stadtteil Ipthausen.“

    Links vom Eingangstor des jüdischen Friedhofs befindet sich ein Kupferschild mit folgender Inschrift: „Judenfriedhof – angelegt 1921. Im Besitz der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern“. Durch eine Lücke im schmalen Heckenstreifen dahinter erblickt man ein 1974 errichtetes Mahnmal für die Opfer der NS-Herrschaft mit folgender Inschrift: „1920 – 1942 den Toten zur Ehre und Ewigen Erinnerung an die hier bestatteten jüdischen Bürger aus Königshofen und Umgebung und zum Gedenken an die in den Vernichtungslagern 1933 – 1945 grausam Hingemordeten. Uns Lebenden zur Mahnung, den kommenden Geschlechtern zur eindringlichen Lehre. Errichtet im Jahre 1974 vom Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und auf Anregung der ehemaligen jüdischen Bürger Königshofens im Grabfeld und Umgebung.“

    Literatur: Isabell Klingert: Der jüdische Friedhof in Bad Königshofen-Ipthausen, in: Heimatjahrbuch Rhön-Grabfeld 2015; Anita Sperle-Fleig/Gabi Kokott: Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Diplomarbeit Weihenstephan 1986; Reinhold Albert: Geschichte der Juden im Grabfeld, Kleineibstadt 1990.

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