Fünf Lebensläufe, die sich ähneln. Sie alle sind junge Migranten und leben derzeit in Bad Königshofen. Den Blick auf ihre Zukunft öffneten die Zwillinge Nikta und Nika Behdarvand aus dem Iran, Shahid Sadaat aus Afghanistan, Yasser Khalfa aus Syrien und Eugen Rerich aus Kasachstan. beim Clubabend der Bad Königshöfer Lions. Präsidentin Brigitte Schmidt begrüßte dazu die Distrikt-Governorin für Nordbayern, Petra Neuner. Die Bamberger Sozialmedizinerin, die an der Justizvollzugsanstalt in Bamberg arbeitet, berichtete ausführlich über die Lions World Convention, die im vergangenen Jahr in Mailand stattfand. "Es sind immer wieder tolle Begegnungen. Es wird natürlich auch kontrovers diskutiert, aber es entstehen so auch internationale Freundschaften", so Neuner.
Anschließend erzählten die fünf in Bad Königshofen ansässigen Migranten über ihre Erfahrungen im Rahmen von Integrationsmaßnahmen. Die Bad Königshöfer Lions unterstützen seit Längerem diese Maßnahmen vor allem im Rahmen der Finanzierung von Sprachkursen.
Religiöse Repressionen an der Tagesordnung
Die Zwillinge Nikta und Nika Behdarvand sind 16 Jahre alt, seit knapp eineinhalb Jahren in Deutschland und besuchen in Bad Königshofen die Mittelschule. Ihr Vater war im Iran Immobilienmakler. Die Familie, die sich nicht dem religiösen Diktat der Moslems unterwerfen wollte und religionslos ist, sah sich permanenten Repressalien ausgesetzt. Die beiden Mädchen konnten bei den Erinnerungen an diese Zeit die Tränen nicht unterdrücken. Über die Türkei, Serbien und Bosnien kamen sie nach einem dreimonatigen Fußmarsch schließlich nach Deutschland. Vom Ankerzentrum in Bamberg, wo Asylverfahren rechtsstaatlich beschleunigt erledigt werden, führte sie ihr Weg schließlich nach Bad Königshofen. Ihr Ziel ist es, in Deutschland Abitur zu machen und Medizin zu studieren.
Shahid Sadaat ist 24 Jahre alt, lebte in Afghanistan und ist seit vier Jahren in Deutschland. Mit sechs Jahren eröffnete ihm sein Vater, dass er ihn nicht ernähren könne und "verschenkte" ihn an seinen Onkel in Pakistan. Dort arbeitete er als kleines Kind acht Stunden am Tag in der Bäckerei des Onkels, wurde wie ein Sklave gehalten. Er kehrte nach Afghanistan zurück, arbeitete zwei Tage in der Woche bei der Polizei, ging nebenbei zur Schule und machte sein Abitur. "Diese Zeit hat mich hart gemacht. Eines Tages hielt ich nach einem Bombenattentat das Bein meines besten Freundes in der Hand". Über Bulgarien und Serbien kam er schließlich nach Österreich und dann nach Deutschland. Sein Asylantrag wurde mehrfach abgelehnt, er ist "geduldet". Er arbeitet in einem Supermarkt in Bad Königshofen und macht dort seit August 2019 eine Ausbildung. Die Hoffnung auf eine Aufenthaltsgenehmigung gibt er jedoch nicht auf. Sein Berufsziel ist es, Medizin zu studieren.
Viel Schreckliches gesehen
Yasser Khalfa kommt aus Syrien und ist seit 2016 in Deutschland. Seine Erfahrungen in seinem Heimatland bringt er wie folgt auf den Punkt: "Ich habe so viel Schreckliches gesehen und erlebt und schon längst keine Angst vor dem Tod mehr." Mit achtzehn Jahren wollte er "nur noch raus" aus Syrien. Seine Mutter wollte ihr Heimatland nicht verlassen. Schließlich setzte er mit anderen in einem Schlauchboot nach Griechenland über und kam über mehrere Zwischenstationen nach Würzburg. Sein Traum war es immer, Musik zu studieren. Bekannte empfahlen ihm die Berufsfachschule für Musik in Bad Königshofen. Im dritten Jahr hat er hier das Fach "klassische Gitarre" belegt. "Die Berufsfachschule ist mein neues Zuhause, meine Familie geworden." Auch die Tatsache, dass ihm in Bad Königshofen ein "rechter Nachbar" mehrfach Gewalt androhte und er daher die Wohnung wechseln musste, kann sein insgesamt positives Bild von Bad Königshofen nicht beeinträchtigen. "In fünf Jahren möchte ich mein Studium abgeschlossen und einen Arbeitsplatz als Musikpädagoge haben", beschreibt er seine Zukunftspläne.
Eugen Rerich kam 2003 zusammen mit seinen Eltern als Spätaussiedler aus Kasachstan nach Deutschland. Die Familie war nicht politisch verfolgt, sondern suchte eine andere Lebensgrundlage. Der heute 28-Jährige machte den qualifizierenden Hauptschulabschluss, besuchte die Wirtschaftsschule und machte an der Fachoberschule sein Fachabitur. Heute arbeitet er als Steuerfachangestellter in einer Bad Königshöfer Steuerberatungskanzlei und ist verheiratet. "Ich habe in vielen Bereichen, unter anderem als Fußballer beim TSV Bad Königshofen neue soziale Bindungen gesucht, habe mich nicht von Freunden und Bekannten runterziehen lassen und das Sozialsystem ausgenutzt, sondern bin meinen Weg gegangen. Ich habe einen Teil meines Lebens in Kasachstan verbracht, verbinde aber mit diesem Land keine Heimatgefühle mehr. Meine Heimat ist Deutschland."