Schulden zu machen, scheint ein Trend dieser Zeit zu sein. Was die künftige Bundesregierung mit Kreditaufnahmen im Umfang Hunderter Milliarden Euro vormacht, gilt im kleineren Stil für die meisten Kommunen. Die Gemeinde Sulzheim ist ein gutes Beispiel hierfür. Jahrelang war sie schuldenfrei. In den kommenden Jahren jedoch wird der Schuldenstand nahezu explosionsartig nach oben schnellen.
Der im Januar verabschiedete Gemeinde-Haushalt 2025 sieht allein für dieses Jahr neben dem fast kompletten Verlust der Rücklagen von 1,7 Millionen Euro die Aufnahme von Darlehen in Höhe von gut 2,75 Millionen Euro vor. Das Geld fließt in die Erweiterung der Kinderkrippe in Alitzheim. Weitere Investitionen, vor allem ins Kanalnetz, aber auch in ein Neubaugebiet in Vögnitz, erfordern weitere Darlehen. Bis Ende 2028 dürfte die Gemeinde mit 5,35 Millionen Euro in der Kreide stehen, was 2624 Euro pro Einwohnerin und Einwohner entspricht. Nur um sich die Dimension nochmals klarzumachen: Vier Jahre zuvor, Ende 2024, waren es null Euro.

Kann Bürgermeister Jürgen Schwab da noch ruhig schlafen? Offensichtlich ja. Er sagt: "Die Menschen brauchen sich nicht verrückt machen." Der Gemeinde drohe keine Schuldenfalle oder gar ein Bankrott. "Als Unternehmer würde ich es auch so machen." Solange man Schulden aufnimmt, um zu investieren, sei das generell nichts Schlechtes, meint Schwab, der im Hauptberuf ein Planungsunternehmen führt, das Kraftwerke zur Arbeitssicherheit berät.
Bürgermeister: Gemeinde bleibt finanziell handlungsfähig
Wenn eine Gemeinde Darlehen über fünf Millionen Euro mit einer möglichst niedrigen Tilgungsrate über eine Laufzeit von 20 Jahren aufnehme, dann bleibe sie während dieser Zeit finanziell handlungsfähig. So sieht es der Sulzheimer Bürgermeister. Und auch der Kämmerer der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Gerolzhofen, René Borchardt, der die Gemeinde Sulzheim angehört, sieht das grundsätzlich ähnlich. Muss er wohl auch, denn schließlich verantwortet er den Sulzheimer Haushalt, genauso wie die Haushalte der weiteren sieben VG-Kommunen. Alle erstelle er unter gleichen Maßstäben, sagt er. Dies betreffe auch die Aufnahme von Schulden.
Entscheidend sei laut Borchardt immer die freie Finanzspanne einer Gemeinde. Die besagt, wie viel Geld ihr nach Abzug alle Ausgaben, inklusive Schuldendienst, pro Jahr bleibt, auch für Ungeplantes. Und hier stellt Borchardt fest: Sulzheim bewahrt sich eine freie Finanzspanne. Andernfalls wäre der Haushalt auch nicht genehmigungsfähig gewesen. Allerdings schmilzt die freie Finanzspanne im Lauf der Jahre dahin wie Eis in der Sonne. In diesem Jahr sind es laut Prognose 690.000 Euro, im Jahr 2028 nur noch 155.000 Euro.
Kämmerer: Es könnte eine kritische Lage drohen
Deshalb mahnt der Kämmerer: Sulzheim könne mit Blick auf die freie Finanzspanne durchaus "eine kritische Lage drohen". Womöglich müsste zusätzlich gespart werden. Auch mehr Einnahmen würden helfen, etwa durch ein Anheben der Hebesätze für Grundsteuern. Bei diesen läge Sulzheim teils weit unter dem Landesdurchschnitt.

Wie andere Gemeinden musste Sulzheim seinen Haushalt angesichts der geplanten Verschuldung dem Landratsamt Schweinfurt zum Genehmigen vorlegen. Die Aufsichtsbehörde erteilte am Ende ihren Segen. Doch der Prüfbericht steckt voll mahnender Worte.

Diese beziehen sich etwa auf die geplante Pro-Kopf-Verschuldung, die Ende 2028 dreieinhalbmal so hoch sein könnte wie der Landesdurchschnitt (Stand: 2023). Bereits im kommenden Jahr, heißt es im Bericht weiter, "erreicht die Verschuldung eine kritische Höhe". Ab dem Jahr 2027 käme "erschwerend hinzu", dass der Schuldendienst mehr als sechs Prozent der Einnahmen aus dem Verwaltungshaushalt betragen dürfte.
Landratsamt: Absehbare Ausgaben sind nicht berücksichtigt
Die Gemeinde Sulzheim könnte bis 2028 "an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit" gelangen, warnt das Landratsamt eindringlich. Und das, obwohl die im Bereich der VG absehbaren Schulbaumaßnahmen, die Sulzheim mitzufinanzieren hat, in den geplanten Ausgaben noch nicht einmal in einem realistischen Umfang berücksichtigt seien. Zusätzliche Kredite dafür seien dann möglicherweise nicht mehr zu erhalten.

Wann und in welchem Umfang Kosten für die Grund- und Mittelschule in Gerolzhofen anfallen, steht noch nicht fest. Zudem verweist Kämmerer Borchardt darauf, dass wohl nicht alle im Sulzheimer Haushalt ausgeführten Ausgaben – allein für dieses Jahr über 30 – umzusetzen sind. Dies könnte die tatsächlichen, anfallenden Ausgaben verringern.
An den Investitionen führt laut Bürgermeister Schwab jedoch kein Weg vorbei. Allein die Kanalarbeiten seien dringend geboten. Bereits vor 30 Jahren habe dafür ein Kostenvoranschlag über umgerechnet 680.000 Euro vorgelegen. Heute müsse man für die aufgeschobene Maßnahme drei bis vier Millionen Euro zahlen. Die Zeiten, in denen die Gemeinde Schulden vermieden und Rücklagen gebildet hat, hatten so betrachtet auch ihren Preis. "Schulden machen ist generell nichts Schlechtes", sagt Schwab. Auch ist die Inflation für ihn nicht nur ein Preistreiber. Diese habe aus dem Blickwinkel des Schuldners auch ihre guten Seiten.