Die wunderbaren Klänge des gut halbstündigen Konzerts der Musikschule Schweinfurt im Foyer zum Jahresschluss waren kaum verklungen, da war die Besinnlichkeit und gute Laune im Stadtrat weggeblasen. Von einem Plädoyer des Grünen-Stadtrates Thomas Schmitt pro Klimaschutz, pro Ausrufung des Klima-Notstandes, gespickt mit Kritik an der Verwaltung, wie man sie in dieser Form schon lange nicht mehr von den Grünen im Stadtrat gehört hat.
Hintergrund ist ein vor einigen Monaten gestellter Antrag, in dem die Grünen die Verwaltung auffordern, die Stadt solle wie 67 andere deutsche Städte oder das Europäische Parlament kürzlich den Klima-Notstand ausrufen und darüber hinaus zukünftig alle Entscheidungen in allen Bereichen städtischen Handelns unter den Vorbehalt klimaschützenden Handelns stellen. Im Umweltausschuss gab es schon eine kontroverse Debatte dazu, bei der Grünen-Fraktionssprecher Reginhard von Hirschhausen für sein freilich nur teilweise geäußertes Verständnis für die Haltung der Verwaltung vor allem wegen des Begriffes Klima-Notstand unter anderem von SPD-Rat Johannes Petersen und Ulrike Schneider (Freie Wähler/Schweinfurter Liste) kritisiert worden war.
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Zwei Wochen später klangen die Grünen deutlich weniger konziliant, es war fast schon eine Abrechnung mit der städtischen Klimapolitik bisher, die Thomas Schmitt verlas. Er erklärte, Umweltreferent Jan von Lackum habe es "beim Thema Klima-Notstand ähnlich wie beim Thema Sichere Häfen geschafft, ein brennendes Thema mit juristischer Wortklauberei so zu dekonstruieren, dass außer einem 'Weiter so' nicht mehr viel übrig bleibt."
"Was macht die Stadt Schweinfurt? Abwiegeln, beschwichtigen, bremsen, hinausschieben, verzögern, falsche Prioritäten setzen."
Thomas Schmitt (Grüne) über die Klimaschutzpolitik der Stadt
Schmitt warnte eindringlich, "wenn wir nicht umsteuern, droht der Klimakollaps", verwies auf Studien, die nicht nur weltweit und für Deutschland messbar einen Temperaturanstieg durch den menschengemachten Klimawandel nachwiesen, sondern für Unterfranken sogar noch höhere Werte. "Was macht die Stadt Schweinfurt?", fragte Schmitt: "Abwiegeln, beschwichtigen, bremsen, hinausschieben, verzögern, falsche Prioritäten setzen."
Es gebe kein Geld für Elektrobusse bei den Stadtwerken, dafür würden aber Parkplätze in den Parkhäusern verbreitert, damit große Fahrzeuge dort stehen können. Der ÖPNV werde vernachlässigt, die Stadt sei dabei alles andere als ein Vorreiter. Für den Radverkehr gebe es ein klares Konzept, umgesetzt werde zu wenig wegen Personalmangel. Der Begriff Klima-Notstand, der aus dem Englischen "climate emergency" abgeleitet wurde, bedeute aus Schmitts Sicht "öffentlich und privat schnell und massiv umzusteuern. Wir müssen klotzen, nicht kleckern."

Dass diese deutlichen Worte weder von Verwaltungsseite noch der CSU goutiert wurden, war schnell klar. Sowohl Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) als auch Umweltreferent Jan von Lackum waren erstaunt über die aus ihrer Sicht deutlich andere Wortwahl als im Umweltausschuss. Von Lackum betonte, aus juristischer Sicht könne man den Begriff Notstand in dieser Form nicht annehmen, da "immer Einschränkungen der Freiheit damit verbunden sind."
"Klimaschutz wird hier ernst genommen. Er ist eine zentrale Zukunftsaufgabe"
Umweltreferent Jan von Lackum.
Die Kritik Schmitts, die Stadt tue zu wenig in Sachen Klimaschutz, wies er deutlich zurück. "Klimaschutz wird hier ernst genommen. Er ist eine zentrale Zukunftsaufgabe", so von Lackum – und zwar nicht erst, seit es das Klimaschutzkonzept der Stadt gebe. Der Vorschlag der Verwaltung sieht so aus, dass sie bei allen Vorlagen zu Entscheidungen ausführt, welche Konsequenzen es für den Klimaschutz hat. "Damit geben wir ihnen das Handwerkszeug, zu entscheiden", so von Lackum. Letztlich setzte sich diese Position auch durch: Mit klarer Mehrheit entschied der Stadtrat, den Grünen-Antrag abzulehnen und der Verwaltungsempfehlung zu folgen, keinen Klima-Notstand auszurufen, den Klimaschutz als wichtiges Ziel festzuschreiben und die Beschlüsse wie beschrieben zu konkretisieren.
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SPD-Rat Johannes Petersen war ebenfalls überrascht: Positiv von den Grünen im Vergleich zur Umweltausschusssitzung. Die Verwaltungsvorlage "ist nur Symbolik", so Petersen, "es ist fünf vor zwölf, wir müssen jetzt handeln." Reginhard von Hirschhausen betonte, natürlich stehe er zu dem eigenen Antrag. In der vorherigen Sitzung sei er "lustvoll missverstanden worden."

Ulrike Schneider (Freie Wähler/Schweinfurter Liste) bescheinigte Thomas Schmitt, "jetzt grüner zu klingen". Sie kritisierte die Verwaltung, dass der Vorschlag, die Auswirkungen auf den Klimaschutz aufzuzeigen, zu wenig sei. Mit der Kommunalwahl im März 2020 im Nacken werde man nun aktiv, "hoffen wir, dass es ein andauernder Prozess ist."
CSU-Stadtrat Bernd Weiß warnt vor Panikmache beim Thema Klimaschutz
Bernd Weiß (CSU) sorgte dafür, dass die Debatte grundsätzlich wurde. Als Jurist könne er den Begriff Notstand nicht mittragen, unterstützte er Jan von Lackum in dessen Position. Er kritisierte die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg, die Politiker weltweit aufgefordert habe, "in Panik zu geraten" wegen des Klimawandels. Er wolle Klimaschutz nicht kleinreden, "Panik ist aber kein guter Ratgeber", so Weiß. Man müsse den Fridays for Future-Aktivisten sagen, dass "unsere Welt, in der wir leben, ein Supertanker ist, der einen U-Turn nicht so einfach machen kann." Man müsse erklären, dass konsequenter Klimaschutz teuer ist und wehtun werde, "ob das die Gesellschaft aushält, ist die Frage."
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Der AfD-Abgeordnete Richard Graupner sah das ebenso und forderte: "Wir müssen nicht das Klima schützen, sondern die Industrie und Arbeitsplätze in Schweinfurt." CSU-Stadtrat Florian Dittert verwahrte sich dagegen, der CSU abzusprechen, sie hätte kein Herz für Klimaschutz. Die bisherigen Anträge seiner Fraktion zeigten, "dass es uns nicht nur um Symbolik geht."

Die CSU-Position natürlich nicht unkommentiert ließen Ulrike Schneider, Kathi Petersen, Marietta Eder (SPD) und Frank Firsching (Linke). "Greta ist unglaublich wichtig. Die Intellektuellen begreifen nun, dass es Greta braucht, um aufzuwachen", so Schneider. Marietta Eder forderte, auf Fridays for Future zu hören, "wir müssen beim Klimaschutz anpacken und es zu unserem Thema machen."