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Ochsenfurt: Corona-Kontrollen: Wann die Polizei die Wohnung betreten darf

Ochsenfurt

Corona-Kontrollen: Wann die Polizei die Wohnung betreten darf

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    Nicht nur im öffentlichen Raum wird die Einhaltung von Corona-Maßnahmen kontrolliert (hier ein Archivfoto aus der Stuttgarter Innenstadt). Auch in Privatwohnungen kann die Polizei Verstöße verfolgen.
    Nicht nur im öffentlichen Raum wird die Einhaltung von Corona-Maßnahmen kontrolliert (hier ein Archivfoto aus der Stuttgarter Innenstadt). Auch in Privatwohnungen kann die Polizei Verstöße verfolgen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

    "Verstoß gegen Lockdown: In der Toilette vor der Polizei versteckt" - so lautet die Überschrift zu einem Beitrag, den diese Redaktion unlängst auf Grundlage des Polizeiberichts veröffentlicht hatte. Der Fall aus Leinach, bei dem die Polizei in einer Wohnung Personen aus vier verschiedenen Haushalten angetroffen und damit einen Verstoß gegen die 8. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) festgestellt hatte, wirft Fragen auf.

    Bürger wollen wissen, ob sie nun jederzeit befürchten müssen, dass die Polizei bei ihnen klingelt und sich in der Wohnung umschauen möchte, um etwaige Verstöße gegen die seit Anfang November geltenden Kontaktbeschränkungen aufzudecken. Unter welchen Voraussetzungen dürfen die Beamten das tun?

    Kontrollen finden nur anlassbezogen statt

    "Die unterfränkische Polizei führt eigeninitiativ keine Kontrollen von und in Wohnungen im Hinblick auf die Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung durch", beantwortet die Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken eine Nachfrage dieser Redaktion. Jedoch werde sie anlassbezogen tätig, also etwa wenn ihr Verstöße mitgeteilt würden oder sie aufgrund einer gemeldeten Ruhestörung nach dem Rechten sehe. Dann finde eine ganzheitliche Einsatzbewältigung statt. Das bedeutet, dass sämtliche und unabhängig vom Einsatzanlass festgestellten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten beanstandet würden.

    So einen Fall hatte es vor wenigen Tagen in Ochsenfurt gegeben. Dort waren laut Polizeibericht drei Männer auf der Straße kontrolliert worden, einer flüchtete zu Fuß. Als er eingeholt wurde, fand sich eine geringe Menge Amphetamin bei ihm, so der Bericht. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen sei bekannt geworden, dass die drei Männer soeben aus einer nahe gelegenen Wohnung gekommen seien und dass sich dort weitere Personen aufhalten und feiern würden. Als der Wohnungsinhaber die Beamten schließlich einließ, fanden sich dort drei weitere "Partygäste" und eine geringe Menge Amphetamin, schreibt die Polizei weiter. Ergebnis: Anzeigen nach der 8. BayIfSMV für die Gäste und für den Wohnungsinhaber zusätzlich eine wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

    Betreten der Wohnung nur unter bestimmten Voraussetzungen

    Nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfe die Polizei eine Wohnung betreten, betont die Pressestelle. Die Befugnis zum Betreten einer Wohnung zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach der BayIfSMV ergebe sich als Mindermaßnahme zur Wohnungsdurchsuchung aus dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und der Strafprozessordnung. Auch das Infektionsschutzgesetz liefere eine Rechtsgrundlage, wonach der Inhaber einer Wohnung verpflichtet sei, den zuständigen Behörden seine Räumlichkeiten zugänglich zu machen.

    Zusammengefasst geht es hier also um das Thema Gefahrenabwehr, um die Gesundheit der Bevölkerung. Zu diesem Zweck kann unter Umständen auch eine Wohnung betreten werden. Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, müssen die Beamten in jedem Einzelfall beurteilen. Als Anhaltspunkte könnten also beispielsweise neben einem Hinweis auf eine Zusammenkunft oder Party auch Musik und viele Stimmen aus der Wohnung oder Leute denkbar sein, die von draußen zu erkennen sind.

    Weiteres weiß Henrik Eibenstein, Wissenschaftlicher Referent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Würzburg. "Im Hinblick auf etwaige Ordnungswidrigkeiten besteht grundsätzlich keine Pflicht der Polizei, diese zu verfolgen," antwortet Eibenstein auf Fragen dieser Redaktion. "Das ihr dahingehend eingeräumte Ermessen hat sie pflichtgemäß auszuüben." Es werde hier stets auf den Einzelfall ankommen, wobei es kaum zu beanstanden sein werde, wenn die Polizei angesichts des staatlichen Verfolgungsinteresses an Verstößen gegen Kontaktbeschränkungen hier aktiv wird, schreibt der Jurist weiter.

    Henrik Eibenstein, wissenschaftlicher Referent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Würzburg.
    Henrik Eibenstein, wissenschaftlicher Referent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Würzburg. Foto: Nicole Grzeszcuk

    "Teilweise hört man, dass in solchen Fällen seitens der Betroffenen mit einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz argumentiert wird, wenn die Polizei doch auch bei ähnlichen Sachverhalten angeblich untätig geblieben ist. Das greift rechtlich allerdings schon nicht durch: Der Gleichheitsgrundsatz entfaltet keine Wirkung im Unrecht. Einfacher gesprochen: Es gibt keine Gleichheit im Unrecht", so Eibenstein.

    Grundgesetz garantiert Unverletzlichkeit der Wohnung

    Wie also verhält man sich, wenn die Polizei vor der Tür steht und fragt, ob da vielleicht mehr als der erlaubte Personenkreis in der Wohnung ist? Dem Wohnungsinhaber stehe es frei, diese Frage zu beantworten, sagt dazu Henrik Eibenstein. Und wie soll die Polizei dann Erkenntnisse gewinnen können, wo doch Art. 13 des Grundgesetzes die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert? "Das Bundesverfassungsgericht umschreibt den Schutzbereich von Art. 13 GG ziemlich unverklausuliert und formuliert im Wortlaut: In seinen Wohnräumen hat der Einzelne das Recht, in Ruhe gelassen zu werden", antwortet der Diplom-Jurist.

    Eine Durchsuchung greife in diese Lebenssphäre ganz erheblich ein, weshalb sich polizeiliche Maßnahmen hieran messen lassen müssten. Grundrechte seien keineswegs schrankenlos garantiert, vielmehr könnten sie beschränkt werden. Für die Durchsuchung einer Wohnung sei jedoch angesichts des besonderen Schutzes der Wohnung grundsätzlich ein richterlicher Beschluss nötig. Allerdings, so Eibenstein, gebe es einen Unterschied zwischen dem - unter Umständen zulässigen - Betreten und dem Durchsuchen einer Wohnung.

    Betreten ist nicht gleich durchsuchen

    "Sofern sich der Wohnungsinhaber dem Betreten oder Durchsuchen der Räume widersetzt, ist es der Polizei freilich möglich, dies auch zwangsweise durchzusetzen. Rechtsgrundlage hierfür ist nicht die Corona-Schutz-Verordnung, sondern das Bayerische Polizeiaufgabengesetz oder die Strafprozessordnung", klärt Eibenstein auf. "Allerdings darf die Polizei hier nicht aus einer unter Umständen zulässigen Betretung – wenn sie sich sodann in der Wohnung befindet – faktisch eine Durchsuchung machen. Das Öffnen von Türen, Schubladen etc. ist nicht mehr Bestandteil des Betretens."

    Wer glaubt, dass ein solcher Polizeieinsatz bei ihm zu Unrecht erfolgt sei, könne ihn im Übrigen im Nachhinein auch gerichtlich überprüfen lassen, sagt Henrik Eibenstein. Und ein Nachbar, der der Polizei einen Hinweis gegeben hat, der sich später als unbegründet herausstellt? Muss der Konsequenzen fürchten, etwa eine Anzeige wegen falscher Verdächtigung? "Das dürfte nur in besonders seltenen Fällen diskutabel werden", so Eibenstein. Etwa, wenn der Nachbar gegenüber einer Behörde wider besseren Wissens behaupte, es hielten sich 20 Personen aus 15 Hausständen in einer Wohnung auf, und er genau wisse, dass dort in Wirklichkeit nur zwei Menschen sind.

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