Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Michelau: Das erste Mal mit 39 - und dann immer wieder: Wie Marlis Bohnengel ihre Leidenschaft für Frankenwein lebt

Michelau

Das erste Mal mit 39 - und dann immer wieder: Wie Marlis Bohnengel ihre Leidenschaft für Frankenwein lebt

    • |
    • |
    Weinfachhändlerin und Sommelière mit eigenem Wein: Marlis Bohnengel aus Michelau im Keller des Sulzfelder Weinguts Luckert, wo gerade ihr vierter eigener Weinin diesem Fass reift.
    Weinfachhändlerin und Sommelière mit eigenem Wein: Marlis Bohnengel aus Michelau im Keller des Sulzfelder Weinguts Luckert, wo gerade ihr vierter eigener Weinin diesem Fass reift. Foto: .Thomas Obermeier

    Marlis Bohnengel öffnet die Tür ihres kleinen Hauses in Michelau - müde und beseelt. In der Nacht erst kam sie von einem Kurztripp nach Bremen in den Steigerwald zurück. Das Deutsche Weininstitut zeichnete die beste Weinfachhandlungen 2023 aus. Und ganz oben bei der Preisverleihung stand die Bamberger Vinothek "Edelfrei", die Marlis Bohnengel mit aufgebaut hat. Dass das Leben der 45-Jährigen seit einigen Jahren ganz dem Wein gehört, zeigen schon die markanten Tattoos auf ihren Unterarmen: ein kleiner Weinberg und die Wörter "Freude im Glas".

    Marlis Bohnengel bezeichnet sich als Spätzünderin. Erst mit 39 fand sie den Mut, ihre Leidenschaft für Wein zu ihrem Beruf zu machen: "An dem Tag, an dem mein Sohn den Schulabschluss in der Tasche hatte, kündigte ich meinen sicheren Job als Kinderpflegerin im öffentlichen Dienst und fing neu an", erzählt sie. "Das erste Mal nicht vernünftig sein. Das erste Mal nicht das tun, was andere erwarten. Das erste Mal nicht die eigenen Bedürfnisse und Wünsche hinten anstellen, um für andere da zu sein."

    Daheim lagert sie ihren Wein im Schlafzimmer - wegen der Temperatur 

    Wer Marlis Bohnengel ist, zeigt ihre Antwort auf die Frage, wo ihr Wein lagert. Ihr Haus in Michelau hat keinen Keller, auch ein Weinschrank lässt sich nirgends entdecken. Sie öffnet die Tür zum Schlafzimmer: "Hier. Ich schlafe sozusagen mit mehr als 100 gut aussehenden und noch besser schmeckenden Weinen. Es ist das einzige Zimmer im Haus mit gleichbleibend kühler Temperatur."

    In der Gastronomie hatte die Michelauerin schon seit ihrer Jugend immer mal wieder gejobbt. Nach ihrer Kündigung vor über fünf Jahren begann Marlies Bohnengel dann, Vollzeit in der Vinothek des renommierten Hotels "Zur Schwane" in Volkach (Lkr. Kitzingen) zu arbeiten. Aller Unkenrufe zum Trotz – "Das ist noch zu früh" oder "Das ist aber sehr anspruchsvoll" – meldete sie sich kurz nach ihrem Neuanfang für den Praxisstudiengang zur Sommelière der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt an.

    Mit 40 Jahren ließ sich Marlis Bohnengel das erste Mal tätowieren. Auf ihren Unterarmen sind ihre drei ersten Weine verewigt – und demnächst noch der vierte.
    Mit 40 Jahren ließ sich Marlis Bohnengel das erste Mal tätowieren. Auf ihren Unterarmen sind ihre drei ersten Weine verewigt – und demnächst noch der vierte. Foto: Thomas Obermeier

    Benedikt May, Jung-Winzer aus Retzstadt (Lkr. Main-Spessart), war damals einer ihrer Mitschüler. "Marlis war die Älteste im Kurs und brachte wenig Vorwissen mit. Aber sie hat sich reingebissen und entpuppte sich als eine der Fleißigsten", erinnert sich der 30-Jährige. "Irgendwie war sie auch ein bisschen unsere Mutter. Sie umsorgte uns, mit ihrer herzensguten Art und auch mit allerlei Leckereien."

    Da blitzt sie wieder durch, die weibliche Fee, die den Menschen um sie herum jeden Wunsch von den Augen liest und dafür eigene Bedürfnisse gerne hinten anstellt.

    "Marlis ist eine Menschenfängerin."

    Sonja Weigand, Inhaberin der Vinothek "Edelfrei", über Maries Bohnengel

    Auch Sonja Weigand, Inhaberin der Bamberger Weinhandlung "Edelfrei", sagt über ihre Geschäftsführerin: "Marlis  kann sich hervorragend auf andere Menschen einlassen und bringt ihre Wertschätzung für sie zum Ausdruck, indem sie sich an die Vorlieben und Besonderheiten jedes einzelnen erinnert und auf diese eingeht."

    Die 45-Jährige sei immer präsent. Und, meint Sonja Weigand: "Marlis ist eine Menschenfängerin. Wenn ich unsere Weinhandlung betrete, spüre ich sofort, ob sie da ist oder nicht."

    Stammkunden schwärmen und gratulieren

    Daheim in Michelau spuckt das Handy an diesem Tag ständig neue Nachrichten aus. Darunter die eines Stammkunden, der Marlis auf ihrem Instagram-Account "freudeimglas" folgt und begeistert gratuliert: "Oh mein Gott, Marlis. Ich habe mich selten so mit jemandem mitgefreut wie jetzt mit Dir! Warum? Weil Du die authentischste, liebevollste Weinverkäuferin, Kurzzeitpsychologin, Motivateurin, coolste Socke und fachlich beste Sommelière bist, die ich kenne. Ich vertraue Dir blind und jede Flasche, die Du mir bisher verkauft hast, war ein Volltreffer."

    Fachgespräch zwischen Fässern: Marlis Bohnengel baut im Weingut Luckert in Sulzfeld am Main mit Ulrich und Philipp Luckert gerade einen Müller-Thurgau aus.  "Für mich der absolute Ritterschlag."
    Fachgespräch zwischen Fässern: Marlis Bohnengel baut im Weingut Luckert in Sulzfeld am Main mit Ulrich und Philipp Luckert gerade einen Müller-Thurgau aus.  "Für mich der absolute Ritterschlag." Foto: Thomas Obermeier

    Nach ihrer Ausbildung zur Sommelière habe kurz den Wunsch gehabt, sich als Winzerin zu versuchen, sagt Marlis Bohnengel. Aber mit 40 sei sie "nicht mehr die Jüngste" gewesen. Und ihr hätten das Wissen, die Erfahrung und vor allem auch der Weinberg gefehlt. "Also habe ich die Finger davon gelassen."

    Fügung: Durch den Kontakt zu jungen Winzern die ersten eigenen Weine ausgebaut 

    Doch wie auf wundersame Weise fügen sich manchmal die Dinge, wenn erst einmal die richtige Entscheidung getroffen und der richtige Weg eingeschlagen ist. Bei Marlis Bohnengel schaute diese Fügung so aus: Vor vier Jahren tauchte der Jungwinzer Nicolas Olinger aus Iphofen bei ihr in der Weinhandlung in Bamberg auf. Schnell war man sich sympathisch und die Idee geboren, mit Olingers Trauben und in seinem Keller Marlis Bohnengels ersten eigenen Wein auszubauen. Es wurde ein Weißburgunder Auxerrois. Die Michelauerin nannte ihn "Mein erstes Mal".

    Mit Benedikt May aus Retzstadt, mit dem sie die Sommelierausbildung absolvierte, kreierte sie im Folgejahr gleich ihren nächsten Wein, einen klassischen Silvaner. Sie nannte ihn: "Mein erstes Mal".

    Die Weinhändlerin, sagt Benedikt May, "hat ganz neue Impulse und Geschmäcker in unseren Weinkeller gebracht, man wird ja mit der Zeit betriebsblind". Auch dass Marlis Bohnengel vor zwei Jahren die meisten ausländischen Weine aus dem Regal ihrer Bamberger Vinothek warf, sich auf deutsche, ökologisch hergestellte Weine konzentrierte und zudem viele unentdeckte fränkische Winzer ins Sortiment aufnahm, imponiert May. "Das fand ich mehr als mutig. Aber Marlis ist eine, die sich nicht beirren lässt, und das ist gut so", sagt der Retzstadter Winzer. Ihre Auszeichnung zur besten Weinhändlerin 2023 zeige, "welch guten Riecher sie hat".

    "Marlis ist eine, die sich nicht beirren lässt, und das ist gut so."

    Benedikt May, Winzer aus Retzstadt

     Marlis Bohnengel begründet ihre Entscheidung so: "Regionalen und ökologisch hergestellten Produkten gehört die Zukunft. Es gibt in deutschen Weinbergen und -kellern und insbesondere in Franken noch so viel unentdeckte Schätze. Ich finde, die sollten wir zuerst heben, bevor wir Weine aus dem Ausland importieren."

    Mit dem Würzburger Weingut am Stein baute Marlis Bohnengel ihren dritten eigenen Wein aus. Ein unfiltrierter Silvaner. Sein Name: "Mein erstes Mal".  "Schließlich ist es mit jedem neuen Winzer mein erstes Mal", sagt die Weinliebhaberin mit Faible für fränkische Weinmacher.

    Unterschätzte Rebsorte reift im Fass: Der vierte eigene Wein ist ein Müller-Thurgau

    Marlis Bohnengels diesjähriger Wein, "ein besonderer Müller-Thurgau", reift gerade im Fass, im mehr als 450 Jahre alten Keller des Weinguts Luckert in Sulzfeld am Main (Lkr. Kitzingen). Müller-Thurgau gehöre zu den unterschätzten Rebsorten in Franken, meint die 45-Jährige: "Ich will ihr zu neuen Höhenflügen und wieder zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen."

    Auch einer Fee werden also mal Wünsche erfüllt. Bei Marlis Bohnengel sind es vier fränkische Topwinzer. Ihr Glück könne sie manchmal selbst noch nicht fassen, sagt die Weinhändlerin: "Früher habe ich Winzer abgeklappert oder angerufen und gefragt, ob sie nicht in unserer Weinhandlung im Regal stehen wollen. Mittlerweile rufen die Winzer mich an."

    Auch dass sie mit dem renommierten Weingut Luckert ihren eigenen Wein machen kann, "hätte ich mir vor vier Jahren nicht träumen lassen, das ist für mich der absolute Ritterschlag".

    Als beste Weinhändlerin 2023 in der Jury bei der nächsten Wahl der Deutschen Weinkönigin

    Marlis Bohnengel sagt, sie sei nie so sehr bei sich selbst angekommen gewesen wie momentan. Und schon wieder ist sie im Aufbruch: Im Frühjahr beginnt sie die Ausbildung zur Fachsommelière für Biologischen Weinbau. Zudem will sie bald die Deutsche Weinkönigin Eva Brockmann nach Bamberg einladen. Dann werden zwei preisgekrönte Weinexpertinnen - eine mit Krone, die andere mit Unterarmtattoos – miteinander fachsimpeln können. Bei der Wahl der nächsten Weinkönigin darf die beste Weinhändlerin 2023 gar in der Jury sitzen.

    Für Marlis Bohnengel wird es, mal wieder, ihr erstes Mal sein.

    Im Keller des Weinguts Luckert in Sulzfeld lagern die 2023er Weine aktuell in schweren Fässern. Auch der besondere Müller-Thurgau von Marlis Bohnengel. In der Zeit zwischen Gärung und Abfüllung des Weins kommt die Weinhändlerin regelmäßig, um mit Ulrich und Phillip Luckert die vielen kleinen Arbeitsschritte im Reifeprozess zu gehen. 
    Im Keller des Weinguts Luckert in Sulzfeld lagern die 2023er Weine aktuell in schweren Fässern. Auch der besondere Müller-Thurgau von Marlis Bohnengel. In der Zeit zwischen Gärung und Abfüllung des Weins kommt die Weinhändlerin regelmäßig, um mit Ulrich und Phillip Luckert die vielen kleinen Arbeitsschritte im Reifeprozess zu gehen.  Foto: Thomas Obermeier
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden