Rund 200 Menschen haben sich am Freitagabend zum Gedenken an die Pogromnacht vor dem Vierröhrenbrunnen versammelt. Auffällig war dabei die breite zivilgesellschaftliche Unterstützung für die Kundgebung sowie das junge Alter der meisten Demonstranten.
Vor 80 Jahren zerstörten Nationalsozialisten über 1400 Synagogen in Deutschland, steckten sie in Brand, töteten 400 Menschen und verwüsteten zahllose jüdische Geschäfte und Wohnungen - auch in Würzburg. Auch hier beteiligten sich Tausende an dem historischen Verbrechen. Sie plünderten jüdische Geschäfte in der Innenstadt und sahen zu, wie SA-Männer die Hauptsynagoge in der Kettengasse zerstörten.
Hose warnt vor einer Wiederholung
Um an diese Gräueltaten zu erinnern und um der Opfer zu gedenken, versammelten sich am Freitagabend rund 200 Menschen zu einer Kundgebung am Vierröhrenbrunnen. Organisiert wurde dies vom Bündnis gegen Geschichtsrevisionismus Würzburg, einer zivilgesellschaftlichen Vereinigung. Als Redner geladen waren unter anderem Burkard Hose von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit sowie Benita Stolz vom Arbeitskreis Stolpersteine.
Benita Stolz zeigte sich dankbar, dass so viele Menschen zur Kundgebung erschienen waren. Auch verwies sie auf die über 500 Stolpersteine, die im Laufe der Jahre in Würzburg verlegt worden waren. Burkard Hose beschrieb den Holocaust als eine Art Fenster, das den Blick auf verborgene Abgründe der Gesellschaft freigegeben habe und warnte vor der "unglaublichen Möglichkeit der Wiederholung". Die Vergangenheit müsse den Blick auf die Gegenwart schärfen.

Antisemitismus funktioniere in der Gegenwart nicht mehr über offene Judenfeindschaft, erklärte Versammlungsleiter Jonas Schnack von der Antifa Würzburg. Längst würden Antisemiten Codes verwenden, um ihrer Judenfeindschaft Ausdruck zu verleihen. Die Rede sei heute vielmehr von einer angeblichen Finanzmafia und auch seriöse Medien würden Antisemitismus in Form von "Israelkritik" eine Plattform bieten.
Lebendige Zivilgesellschaft
Es waren vor allem junge Menschen, die zur Kundgebung erschienen waren. "Wenn man sich mal mit der Würzburger NS-Vergangenheit auseinandersetzt, sieht man erst, wie nah einem das eigentlich jeden Tag ist", erklärte etwa der 23-jährige Soziologiestudent Simon Keitel. Erst gestern sei er bei einer Stadtführung dabei gewesen und zu sehen, wo früher in der Kettengasse die Hauptsynagoge stand, habe ihn tief berührt. Aus diesem Grund finde er es wichtig, gegen linken wie rechten Antisemitismus auf die Straße zu gehen: "Es ist ein gutes Gefühl, zu sehen, dass es in Würzburg eine lebendige Zivilgesellschaft gibt. Das ist etwas worauf man aufbauen kann."
Stolpersteine geputzt
Die große Wichtigkeit einer starken Zivilgesellschaft betonte auch Stadtratsmitglied Willi Dürrnagel: "An einem solchen Tag muss es selbstverständlich sein, Gesicht zu zeigen und klarzustellen, wie sehr man rechtsradikales Gedankengut verachtet." Insbesondere die letzten Wahlen hätten aufgezeigt, wie wichtig es sei, dagegen offensiv aufzutreten. Ähnlich sah dies Landtagsabgeordnete Kerstin Celina (Bündnis90/Die Grünen), die vor allem das junge Alter der zahlreichen Demonstranten hervorhob.
Im Anschluss der Veranstaltung lud Versammlungsleiter Schnack die Demonstranten zum gemeinsamen Stolperstein-Putzen ein. Bei der Route durch die Innenstadt sollte Respekt demonstriert und die Erinnerung hochgehalten werden.