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Würzburg: Rente: Das Alter als Chance sehen

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Rente: Das Alter als Chance sehen

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    Sie ist 85 Jahre alt und immer noch berufstätig: Ruth Bader Ginsburg ist Richterin am Supreme Court in Washington.
    Sie ist 85 Jahre alt und immer noch berufstätig: Ruth Bader Ginsburg ist Richterin am Supreme Court in Washington. Foto: Chip Somodevilla, Getty Images

    Wissenschaftliche Analysen zeigen: Die Lebenserwartung steigt. Und die Menschen leben heute nicht nur länger, sie fühlen sich auch länger jung. "Während in der Vergangenheit der Renteneintritt die Schwelle zum Altsein markierte, passt diese Aufteilung heute nicht mehr", sagt Dr. Michael Schwab, Chefarzt und Ärztlicher Direktor des Geriatriezentrums Bürgerspital in Würzburg. Der Gesundheitszustand einer heute 65-jährigen Person entspreche etwa einer 55-Jährigen im Jahr 1970. Sprach man früher von drei Lebensaltern - Kindheit, Erwachsenenalter und Rentenalter -, ist heute die Dekade der Hochbetagten ab 80 Jahre hinzugekommen. Wer von gesundheitlichen Schicksalsschlägen verschont bleibt und sein Leben gesundheitsfördernd lebt, könne auch in diesem Alter noch aktiv sein.

    Warum also nicht länger arbeiten?Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und auch der Forscher Bert Rürupschlagen vor, den Renteneintritt schrittweise auf über 67 Jahre zu erhöhen. In einer alternden Gesellschaft sollten die Menschen länger arbeiten, sagt der frühere Wirtschaftsweise Rürup. Sonst schrumpfe mangels Personal die Wirtschaft – und damit der Wohlstand. Fakt ist: Die Zahl der Rentner wird in den nächsten Jahren deutlich steigen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, den Arbeitsmarkt verlassen. Schon 2020 wird über ein Viertel der deutschen Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. 

    Das System der gesetzlichen Rentenversicherung beruht in Deutschland auf dem Prinzip des Umlageverfahrens: Die Jüngeren zahlen Beiträge ein, von denen umgehend die Renten der aktuellen Rentner-Generation bezahlt werden. Rücklagen gibt es quasi nicht: Die aktuellen Ausgaben gleichen den aktuellen Einnahmen. Doch das System leidet unter dem Wandel der Bevölkerungsstruktur. Die Zahl der Geburten ist gesunken, damit stehen in Zukunft immer weniger Arbeitskräfte – und damit Beitragszahler – zur Verfügung. 

    "Das Alter hat auf jeden Fall auch Stärken", sagt der Altersforscher und Geriater Dr. Michael Schwab.
    "Das Alter hat auf jeden Fall auch Stärken", sagt der Altersforscher und Geriater Dr. Michael Schwab. Foto: Thomas Obermeier

    Die Vorteile des Alters: Lebensweisheit und Klugheit

    Ab dem Alter von 50 Jahren macht sich Gesundheit bemerkbar, so Schwab. "Ab 50 hat man nicht mehr die uneingeschränkte Performance", so drückt es der Altersmediziner aus. Auch wenn Wehwehchen auf die Best-Ager zukommen: "Das Alter hat auf jeden Fall auch Stärken", sagt Michael Schwab. Bestimmte Leistungen sind weniger möglich, andere sind gleich gut oder sogar besser möglich. Mit 70 Jahren fällt man zum Beispiel leichter Entscheidungen und man hat mehr Lebensweisheit.

    "Ältere Mitarbeiter haben eine positivere Einstellung der Arbeit gegenüber, sind zufriedener, fühlen sich Unternehmen stärker verbunden, sind gewissenhafter und gehen planmäßiger vor", sagt Tanja Bipp, Professorin für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität in Würzburg. Und auch das Erfahrungswissen nehme zu. "Wir wissen aus der Forschung, dass ältere Mitarbeiter keine schlechteren Arbeitsleistungen erbringen als jüngere Mitarbeiter und sich im Gegensatz sogar viele positive Effekte des Lebensalters im Arbeitsleben zeigen." Daher sei es durchaus möglich, bis 70 Jahre und auch länger zu arbeiten, so Bipp. 

    "Wer länger arbeitet ist mental fitter, er ist zufriedener mit seinem Leben und hat mehr Sozialkontakte", sagt Tanja Bipp, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität in Würzburg.
    "Wer länger arbeitet ist mental fitter, er ist zufriedener mit seinem Leben und hat mehr Sozialkontakte", sagt Tanja Bipp, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität in Würzburg. Foto: Thomas Obermeier

    Professorin Bipp: In Deutschland gibt es eine Diskriminierung von älteren Arbeitnehmern

    Obwohl ältere Beschäftigte einen großen Erfahrungsschatz mitbringen, gibt es in Deutschland eher eine Diskriminierung von älteren Arbeitnehmern, so die Professorin. Immer noch bestünden Vorurteile, dass ältere Mitarbeiter zum Beispiel öfters krank seien oder ihr Arbeitspensum nicht ordentlich erledigen. "Studien bestätigen allerdings, ältere Berufstätige sind nicht häufiger krank als jüngere und sie arbeiten auch nicht schlechter - im Gegenteil", sagt Bipp. Sie haben weniger Unfälle als jünger Beschäftigte oder engagieren sich mehr über ihre Arbeit hinaus für das Unternehmen. 

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    Foto: Heike Grigull

    Trotzdem ist es hierzulande nicht so einfach, länger zu arbeiten - auch wenn man das möchte. "Die Firmen müssen hier viel mehr individuelle Lösungen finden", sagt Bipp. Sie denke dabei an flexible Arbeitszeitmodelle oder generell kürzere Arbeitszeiten. "Ältere Menschen sind das größte Reservoir des Arbeitsmarkts", sagt auch der Forscher Bernd Raffelhüschen, "die sind schon da, und man braucht sie nicht qualifizieren". Würden Firmen das ernst nehmen, müssten sie weniger über Fachkräfte klagen.

    Gesundheitsexperte Schwab: "Sitzen ist das neue Rauchen"

    Laut dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse gibt es in Deutschland dennoch einen Trend zur Frühverrentung. So scheidet in Deutschland derzeit jeder Zweite bereits früher aus dem Arbeitsleben aus, als es das gesetzliche Renteneintrittsalter eigentlich vorgibt. Einer der Hauptgründe für Frühverrentung sind Rückenschmerzen, sagt der Geriater Michael Schwab. Der Grund: Der durchschnittliche Deutsche bewegt sich zu wenig. "Sitzen ist das neue Rauchen", heißt es überall. Der zweithäufigste Grund früher aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, seien psychische Probleme.  

    Natürlich könnte die Gesellschaft mehr darauf achten, dass die Menschen gesünder altern. "Man kann die Gesundheit mehren und den Körper widerstandsfähiger machen", sagt der Altersforscher. Lang leben und bis zum Lebensendes aktiv und damit im funktionellen Sinne  gesund bleiben, das sei ein guter Weg. Doch Menschen altern sehr unterschiedlich.  Wichtig sei eine "artgerechte" Lebensweise - mit viel Bewegung. "Aber der Einzelne muss das auch wollen", bekräftigt Schwab. "Menschen, die in ihrem Arbeitsleben keinen Sinn sehen, werden verständlicherweise leichter krank und gehen auch früher in Rente."

    In Skandinavien gibt es Alterskorridore für den Renteneintritt 

    Die Unternehmen könnten langfristig viel mehr für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tun. In den Niederlanden schalten sich in einigen Betrieben die Computer beispielsweise alle zwei Stunden automatisch ab, damit Zeit für Bewegung, fürs Dehnen oder einfach mal zum Aufstehen und Herumlaufen bleibt. Andere Unternehmen hätten zum Beispiel Sprossenwände wie in Turnhallen in den Büros, um Mitarbeiter zu mehr Bewegung zu motivieren.

    Was die Rente angeht, machen die Skandinavier vielen anderen Europäern etwas vor. Die Schweden verzichten auf eine feste Altersgrenze für den Rentenbeginn. Schon mit 61 Jahren können sich Schweden aufs Altenteil zurückziehen. Oder aber sie können über die gesetzliche Altersgrenze von 65 Jahren hinaus länger arbeiten bis 67. In Norwegen gilt seit 2011 sogar ein Alterskorridor von 62 bis 75 Jahren. Nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) wünschen sich mehr als zwei Drittel der Deutschen statt einer fixen Altersgrenze einen Alterskorridor für den Wechsel in den Ruhestand. "Wer länger arbeitet ist mental fitter, er ist zufriedener mit seinem Leben und hat mehr Sozialkontakte", sagt Bipp.

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