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Gut Wöllried: Doro Pesch kennt die grausamen Seiten des Lebens: "Die Welt braucht mehr Herz, Liebe und Kreativität"

Gut Wöllried

Doro Pesch kennt die grausamen Seiten des Lebens: "Die Welt braucht mehr Herz, Liebe und Kreativität"

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    Gibt dem Heavy Metal auf der Bühne ein freundliches Gesicht: Doro Pesch, die am 16. Juli bei den Kulturtagen auf Gut Wöllried bei Würzburg auftritt.
    Gibt dem Heavy Metal auf der Bühne ein freundliches Gesicht: Doro Pesch, die am 16. Juli bei den Kulturtagen auf Gut Wöllried bei Würzburg auftritt. Foto: Eibner-Pressefoto/Roger Buerke/imago

    Sie ist eine, die ihres Beinamens, verliehen von den Medien, auch nach 40 Jahren auf der Bühne nicht überdrüssig ist: Doro Pesch, die "Queen of Metal". Die 58-jährige Düsseldorferin wurde Anfang der 80er Jahre bekannt als Sängerin der Heavy-Metal-Band Warlock, startete 1988 ihre Solokarriere und lebt heute vorwiegend in den USA. Sie schaut immer wieder mal in der Region vorbei, zuletzt 2016 bei Rock meets Classic in Würzburg und 2019 in Wertheim.  Am 16. Juli tritt sie im Rahmen der Kulturtage auf Gut Wöllried in Rottendorf bei Würzburg auf - bereits mit einigen neuen Songs der im Oktober erscheinenden Platte ("Conquerers forever strong and proud") im Gepäck.

    Das Interview wurde geführt, bevor die Anschuldigungen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann bekannt wurden. Eine nachträgliche Frage dazu konnte Doro Pesch wegen der laufenden Tour-Termine aus Zeitgründen nicht mehr beantworten.

    1987 haben Sie in einem Lied prophezeit, es werde ein höllisches Durcheinander geben: "East meets West... there's gonna be one Hell of a Mess". Das ursprünglich gar nicht so politische Lied ist plötzlich präsenter denn je.

    Doro Pesch: Absolut. Ich hatte damals einen amerikanischen Gitarristen, den Joey, kennengelernt und habe ihm von Deutschland erzählt. Von der ersten Tour nach Ungarn. Wir hatten den Kofferraum voll mit Schallplatten, die haben sie uns an der Grenze abgenommen. Oder davon, dass wir nicht einfach in der DDR spielen durften. Für Joey nicht nachvollziehbar. In den USA gab es damals unendliche Freiheit. Heute kann ich Gott sei Dank überall touren. Auch in der Ukraine. Ich habe dort genauso Freunde wie in Russland. Ich kenne einen russischen Gitarristen, seine Frau ist Ukrainerin, sie haben ein Baby. Sie haben um ihr Leben gebangt, sind jetzt in Deutschland. Der Krieg ist so schrecklich. Der Refrain des Songs hat heute eine ganz andere Bedeutung. Wir spielen ihn aktuell immer.

    Musik könnte Frieden stiften - wenn man sie in die Herzen lässt. Rund um den deutschen ESC-Beitrag von Lord of the Lost konnte man aber das Gegenteil erleben: hässliche Diskussionen um Toleranz und Diversität.

    Pesch: Menschen sind so negativ geworden. Sie verbreiten Hass in den Kommentarspalten im Internet. Solche Diskussionen hatten wir früher nicht, weil es diese Flut an Kommunikationsmöglichkeiten nicht gab. Man konnte vielleicht einen Leserbrief schreiben. Ich kann es nicht nachvollziehen, wie schlecht die Band abgeschnitten hat, weil Song und Show gut waren. Noch weniger, wenn sie jetzt mit Hass und Spott überzogen werden. Auf meinen Touren erlebe ich das in keinem anderen Land. Man ist eigentlich überall stolz auf seine eigenen Acts. Warum können wir in Deutschland nicht hinter unseren Künstlern stehen?

    "Meine Rache hatte nichts mit Gewalt zu tun. Ich wollte es allen zeigen und mich durchsetzen."

    Doro Pesch über selbst erlebte sexualisierte Gewalt

    Schaukeln sich woker Zeitgeist und rechter Habitus gegenseitig hoch? Am Ende zu viel Regenbogen?

    Pesch: Ich denke nicht. Ich erlebe im Zusammenhang mit Diversität nur Gutes. Ich habe Fernsehformate gemacht mit Conchita Wurst und Ricardo Simonetti. Die waren phantastisch, so lieb, so eloquent, so positiv. Als Hardrock-Musikerin in den 80er Jahren weiß ich, was es heißt, schräg angeschaut zu werden. Wir sollten in unserer Welt doch einfach alle zusammenhalten. Jeder Mensch sollte wissen, was das Gute ist. Die Welt braucht Herz, Liebe, Kreativität.

    Immer positiv denken: Doro Pesch wünscht sich eine Welt voller Diversität und Buntheit.
    Immer positiv denken: Doro Pesch wünscht sich eine Welt voller Diversität und Buntheit. Foto: André Havergo/imago

    Sie sind eine Frau in einem von Männern dominierten Geschäft. Sie haben vermutlich nicht immer Liebe und Herz erfahren. Möglicherweise Sexismus?

    Pesch: In der Metal-Szene definitiv nicht. Im Gegenteil: Die Musik hat mich gerettet. 

    Gerettet?

    Pesch: Ja. Zwischen Kind und Jugendliche habe ich sexualisierte Gewalt kennengelernt. Da sind mir schlimme Dinge widerfahren, ich bin froh, dass ich sie gut überlebt habe. Ich hatte, selbstverständlich von meinen Eltern abgesehen, kein gutes Umfeld. Den Eltern wollte ich mich aber nicht anvertrauen. Ich wollte ihnen nicht noch mehr aufbürden, sie haben praktisch Tag und Nacht gearbeitet im Transportunternehmen meines Vaters. Vor allem mit 14, 15 war es eine harte Zeit. Kurz darauf hatte ich meine erste Band, und alles wurde gut. Ich fühle mich in der Metal-Szene beschützt. In dem Song "Revenge" habe ich die Zeit, in der ich Federn gelassen habe, aufgearbeitet. Meine Rache hatte nichts mit Gewalt zu tun. Ich wollte es allen zeigen und mich durchsetzen.

    "Ich brauche keine großen materiellen Dinge. Ich habe keine Kinder. Ich lebe nur für den Metal."

    Doro Pesch über Einbrüche in der Veranstaltungsbranche

    Das zu verarbeiten, hat auch mit verzeihen zu tun. Verzeihen konnten Teile der Musikszene nicht, als es darum ging, bei Festivals gemeinsam mit Pantera im Line Up zu stehen. Die US-amerikanische Band wurde ausgeladen, weil Sänger Phil Anselmo vor Jahren im Vollrausch den Hitlergruß gezeigt hatte. Nachvollziehbar für Sie?

    Pesch: Oh, ja, Pantera. Ich war geschockt. In der Band steht mit Zakk Wylde ja einer der besten Gitarristen der Welt. Ich kenne ihn und glaube nicht, dass er irgendwie komisch drauf ist. Da werden mitunter auch Dinge unnötig aufgebauscht. Klar, was Phil Anselmo gemacht hat, war nicht gut. Aber ich glaube, ganz viele Fans hätten Pantera gerne gesehen. Letztlich kann ich beide Seiten verstehen. Dass wir in Deutschland sensibler sein müssen mit dem Thema, ist logisch. Aber es war eine harte Entscheidung. Andere Bands werden ausgeladen, weil sie sich in der Corona-Diskussion positioniert haben, andere, weil sie pro Trump waren. Man treibt halt gerne immer eine neue Sau durchs Dorf.

    Andere Bands sagen wiederum Touren oder Festival-Auftritte ab. Mal fehlt es an Infrastruktur, mal kommt ein besseres Angebot ums Eck. Die Musikszene leidet an den durch Corona und den Krieg verschobenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Parametern. Sie kriegen bislang alles hin.

    Pesch: Weil unsere erste Regel ist: Wir machen alles möglich, auch wenn es unmöglich scheint. Ich lebe für Musik. Ich bin die Chefin im Team. Zuverlässigkeit ist für mich wichtig. Wenn gerade einer nicht kann, muss ein anderer einspringen. Kriegen wir gerade keinen Tourbus, nehmen wir eben Mini-Vans. Kein Bock - das gibt es bei mir nicht. Die, die Tag und Nacht für die Musik ackern, überleben. Auch wenn wir alles etwas runterfahren. Vieles ist zu kommerziell geworden. Für mich würde es auch kleiner gehen. Ich brauche keine großen materiellen Dinge. Ich habe keine Kinder. Ich lebe nur für den Metal.

    Doro Pesch tritt am Sonntag, 16. Juli (18.30 Uhr) im Rahmen der Kulturtage auf Gut Wöllried in Rottendorf auf. Informationen und Tickets unter www.kulturtage-gut-woellried.de

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