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Schweinfurt: Ministerin Karliczek: Wie junge Leute ihren Weg ins Berufsleben finden

Schweinfurt

Ministerin Karliczek: Wie junge Leute ihren Weg ins Berufsleben finden

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    "Ich bin da nicht so pessimistisch": Bundesbildungsministerin Anja Karliczek - hier bei ihrem Besuch der Fahrzeugakademie in Schweinfurt - glaubt nicht an eine benachteiligte Corona-Generation unter Auszubildenden.
    "Ich bin da nicht so pessimistisch": Bundesbildungsministerin Anja Karliczek - hier bei ihrem Besuch der Fahrzeugakademie in Schweinfurt - glaubt nicht an eine benachteiligte Corona-Generation unter Auszubildenden. Foto: Anand Anders

    Zu viele Schulabgänger finden derzeit nicht den Weg ins Berufsleben, meint Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Am Rande eines Besuchs der von der Handwerkskammer für Unterfranken geführten Fahrzeugakademie in Schweinfurt betonte die gelernte Bankkauf- und Hotelfachfrau, dass die Corona-Pandemie maßgeblich zu dieser Orientierungslosigkeit unter jungen Menschen beigetragen habe.

    Frage: Mainfranken ist ländlich und vom Mittelstand geprägt. Wie ist in solchen Gegenden die Lage auf dem Ausbildungsmarkt? Was hat Corona angerichtet?

    Anja Karliczek: Das Angebot an Lehrstellen und die Nachfrage der potenziellen Auszubildenden zusammenzubringen, war in der Pandemie schwierig. Geschlossene Schulen und fehlende Ausbildungsmessen: Alles das, wo man bislang Kontakt aufgenommen hat, konnte nicht stattfinden. Trotz der digitalen Angebote, bei denen auch wir als Bundesregierung unterstützt haben, hat ein Teil der jungen Leute noch nicht seinen Weg nach der Schulzeit gefunden. Der „Sommer der Berufsbildung“ der Bundesregierung und ihrer Partner soll Werbung dafür machen, dass noch Ausbildungsplätze frei sind.

    Mit was genau wollen Sie werben? Denn zum Beispiel in der ländlichen Rhön kommt mancher Azubi mit dem öffentlichen Nahverkehr gar nicht in seinen Betrieb. Da gehen die Probleme schon los, das sind sehr alltägliche Hürden.

    Karliczek: Mir ist sehr wichtig und ich sehe es als meine Aufgabe an, dafür zu werben, dass eine duale Ausbildung grundsätzlich ein wirklich attraktiver Start ins Berufsleben ist, mit guten Karrierechancen und guten Verdienstmöglichkeiten. Zur konkreten Berufsorientierung gibt es  ja mittlerweile eine Vielzahl digitaler Module zum Beispiel der Handwerkskammer, damit Bewerberinnen und Bewerber sowie Unternehmen besser zusammenfinden. Außerdem kann die Agentur für Arbeit den jungen Leuten Empfehlungen geben. Die Arbeitgeber sollten freie Ausbildungsplätze dort auf jeden Fall melden. Es gibt also viele Wege.

    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat vor wenigen Tagen davor gewarnt, dass Deutschland bei der Berufsausbildung eine benachteiligte Corona-Generation bekommt. Wie sehen Sie das?

    Karliczek: Ich bin da nicht so pessimistisch. Wir sehen aktuell noch viele unbesetzte Ausbildungsplätze. Jetzt geht es darum, dass die jungen Leute ihren Weg finden. Dabei  müssen Kammern und Agentur für Arbeit mit Berufsorientierung begleiten. Auch über die Lehrkräfte, denn sie kennen ihre Schülerinnen und Schüler sehr gut und können zur Berufsorientierung Empfehlungen beitragen.

    Die Corona-Monate haben manche Unternehmer in puncto Ausbildung unsicher werden lassen, so nach dem Motto: Kann ich es mir im Moment überhaupt leisten, einen Lehrling aufzunehmen? Was sagen Sie solchen Unternehmern?

    Karliczek: Es ist eine große Leistung, wenn Unternehmen in der Pandemie ausbilden. Wir haben mit dem Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ ein finanzielles Unterstützungsprogramm aufgelegt, weil wir von dieser Unsicherheit wussten. Die Wirtschaft ist stärker und schneller wieder angelaufen als geplant. Ich glaube, man kann sich wieder und weiterhin trauen, einen Auszubildenden aufzunehmen. Aber wir sehen nach wie vor: Es ist nicht die Angebotsseite, die zu schwach ist, sondern die Nachfrageseite. Einige junge Menschen sind weder im Hochschul- noch im Ausbildungssystem angekommen. Die müssen wir jetzt erreichen. Wir können es uns nicht leisten, dass junge Leute diesen Zugang in den Arbeitsmarkt nicht mehr finden.

    "Egal, wie man startet: Man hat immer die Chance, sich die Karriere zu schaffen, die man gerne machen möchte."

    Bundesbildungsministerin Anja Karliczek in Schweinfurt

    Gerne wird vom Akademisierungswahn gesprochen, wenn gemeint ist, dass Schulabgänger lieber an die Hochschule gehen, um irgendwas zu studieren, statt eine Berufsausbildung zu machen. Was sagen Sie solchen jungen Leuten?

    Karliczek: Das ist ein wichtiger Punkt, den ich mit meiner Biografie gut dokumentieren kann. Egal, wie man startet: Man hat immer die Chance, sich die Karriere zu schaffen, die man gerne machen möchte. Dabei kommt es nicht darauf an, frühzeitig ins Studium zu gehen. Natürlich hatte man früher mit einem Hochschulstudium bessere Karriereperspektiven. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem lebenslanges Lernen selbstverständlich ist.

    Was heißt das konkret?

    Karliczek: Der berufliche und der akademische Bereich wachsen gerade bei der Weiterbildung sehr eng zusammen. Hochschulstudium und berufliche Bildung bieten  gleichwertige Chancen. Ich würde sogar sagen: Optimal ist die Kombination von Theorie und Praxis. Wir leben in einer Zeit der Transformation, in der es auf schnelle Veränderungen ankommt. Schnelle Veränderungen sind viel einfacher zu bewältigen, wenn ich praktisch und theoretisch ausgebildet bin und eben nicht nur theoretisch. Deshalb ist die Berufsausbildung in Deutschland ein Riesenpfund in einem Transformationsprozess.

    Aus kleinen Unternehmen ist immer wieder zu hören, dass ihre Azubis nach der Lehre auf kurz oder lang in große Industriebetriebe wie jene in Schweinfurt abwandern, weil dort besser bezahlt wird. Wie kann dem entgegengesteuert werden?

    Karliczek: Ja, das ist ein Thema. Kleine Unternehmen können aber Arbeitsbedingungen anbieten, die große nicht haben. Kleine Unternehmen haben wesentlich flachere Hierarchien als große. In kleineren Unternehmen gibt es oft ein ganz anderes persönliches Miteinander. Es zählt nicht immer das Geld. Am Ende kommt es darauf an, dass ich morgens gerne an meine Arbeitsstelle fahre und meine Arbeit tue. Für kleine Unternehmen kann es auch interessant sein, bei den Auszubildenden genauer hinzuschauen, die nicht die besten Noten haben, aber dafür andere Qualitäten. In den großen Betrieben findet so etwas formalisiert statt, da wird häufig eher auf Noten geschaut.

    Was haben Sie von Ihrem Besuch in der Schweinfurter Fahrzeugakademie mitgenommen?

    Karliczek: Die Akademie ist für die Region, die ja im Fahrzeug- und Zulieferbereich stark ist, sehr spezialisiert und sehr modern aufgestellt. Die Fahrzeugakademie ist ein Prototyp dessen, was wir jetzt brauchen: Technologie und Entwicklung frühzeitig in den Weiterbildungseinrichtungen zu haben und zu unterrichten. Denn wo sonst sollen Technologie und Entwicklung herkommen, wenn sie nicht schon in der Weiterbildung implementiert sind?

    Der Ausbildungsmarkt in DeutschlandDie Lage am Ausbildungsmarkt in Deutschland verschärft sich weiter. 385 000 junge Leuten haben sich nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg bundesweit bisher um Lehrstellen beworben, 32 000 weniger als vor einem Jahr. Demgegenüber haben die Ausbildungsbetriebe 468 000 freie Lehrstellen gemeldet.Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren im Juli rund 148 000 Interessierte bereits mit einer Lehrstelle versorgt. Nun sind es gerade einmal 110 000. Die Gründe sind vielschichtig. Weniger Erfolg dürften Bewerberinnen und Bewerber haben, die sich für eine Ausbildung im Bereich Tourismus, Gastronomie oder Kosmetik interessieren. Die Corona-Krise hat hier nach BA-Angaben deutliche Spuren hinterlassen. Auch Steuerberatungsfirmen oder Banken suchen weniger Nachwuchs.Besonders gute Chancen gibt es dagegen im Bauhandwerk, im Gesundheitsbereich oder bei Verkehrsunternehmen. Hier verzeichnet die Bundesagentur einen Zuwachs an freien Lehrstellen.dpa

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