Gips ist bei Handwerkern und Bastlern recht beliebt. Doch kaum jemand macht sich Gedanken, wo der leicht zu verarbeitende weiße Baustoff, der beispielsweise in Kartonplatten steckt oder mit dem man Schlitze in der Wand zuschmiert, herkommt. In Sulzheim ist das anders. Dort werden die im Boden liegenden Gipsvorkommen nicht nur seit Jahrhunderten abgebaut. Die Sulzheimer Gipshügel unweit des Ortes gelten mit ihrem einzigartigen Bestand an seltenen Pflanzenarten als echtes Kleinod. Nun wurde dieses Geotop zu Bayerns Vertreter für das Gestein des Jahres 2022 gekürt.

Während eines kleinen Festaktes am Sulzheimer Gipsinformationszentrum (GIZ) erläuterte am Donnerstag Georg Loth vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU), was sich hinter diesem Ehrentitel verbirgt: Der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler und die Deutsche Gesellschaft für Geowissenschaften/Geologische Vereinigung ernennen alljährlich ein "Gestein des Jahres". Diese Aktion, die es seit dem Jahr 2007 gibt, möchte Gesteine herausheben, die aufgrund ihrer geologischen Entstehung und wirtschaftlichen Bedeutung bemerkenswert sind. In diesem Jahr kommt diese Rolle dem Gips- und Anhydritstein zu.
Im Steigerwald-Vorland verdampfte einst Meerwasser
Seit dem Jahr 2012 legt eine fünfköpfige Jury im LfU zudem fest, welches Geotop als bayerischer Repräsentant auf dieses Gestein des Jahres aufmerksam machen darf. Dass die Wahl in diesem Jahr auf die Sulzheimer Gipshügel fiel, verwundert insoweit wenig, als das dortige Geotop im Bereich der größten Gipsvorkommen in Bayern liegt. Diese schlummern am Fuß der Haßberge, des Steigerwalds und der Frankenhöhe. Kurz zusammengefasst entstanden diese Gipsvorkommen vor etwa 235 Millionen Jahren, als bei trockenem und warmem Klima die seinerzeit dort vorhandenen flachen Meereslagunen stark verdunsteten. Dabei fielen die im Wasser gelösten Minerale aus und es bildeten sich mächtige Gipsschichten.

Sedimente überlagerten die Gipsschichten und schützten diese gegen Witterungseinflüsse – bis heute. Wo allerdings Wasser in die unterirdischen, leicht löslichen Gipsschichten eindrang und auswuschen, entstanden Hohlräume, die später oft einbrechen
Geotope sollen den Menschen offen stehen
Menschen nutzen den im Erdboden lagernden Gips seit langer Zeit in vielfältiger Form. Doch auch seltene Pflanzen- und Tierarten haben in diesen Gipskarst-Gebieten einen wertvollen Lebensraum gefunden. So sind die Sulzheimer Gipshügel (siehe Infobox) von großer ökologischer Bedeutung und seit über 35 Jahren im Geotopen-Kataster Bayern registriert, erklärte Loth. "Geotope sind als Naturschätze und Archive der Erdgeschichte wichtige Dokumente, die es zu erhalten gilt", sagte er. Am besten gelinge dies, wenn das Wissen um die Besonderheiten in der lokalen Bevölkerung verankert ist. "Wichtig ist dabei", so der Geologe vom LfU, "dass die Geotope keine streng geschützten Orte sind, sondern dass sie von der Bevölkerung genutzt werden dürfen."

Diese Philosophie komme bei den Sulzheimer Gipshügeln besonders gut zur Geltung: Das Gebiet darf entlang ausgewiesener Pfade begangen und erlebt werden – "und das, obwohl es sich um ein Naturschutzgebiet handelt", stellte Loth heraus. Das GIZ und der sieben Kilometer lange Gipslehrpfad, der als Rundweg das GIZ mit den Gipshügeln verbindet und an aktiven und renaturierten Gipsbrüchen vorbeiführt, machen die hiesige Gipslandschaft auf eine Art und Weise erlebbar, wie es in Bayern nirgends sonst der Fall sei.
Unterschiedliche Interessen gehen konform
Der Umgang mit den Gipsvorkommen rund um Sulzheim mache deutlich, dass die Nutzung von natürlichen Ressourcen und die Ansprüche des Naturschutzes sich nicht zwangsläufig widersprechen müssten, sagte Bezirksrätin Gerlinde Martin (CSU). Für sie sind in Sulzheim beide Interessen aufeinander abgestimmt und würden Rücksicht aufeinander nehmen. Sie wünschte dem GIZ, dass diesem durch den verliehenen Titel als bayerischer "Gips-Repräsentant" noch mehr Aufmerksamkeit zukomme als bisher.

In den Augen des stellvertretenden Landrats Thomas Vizl (Grüne) würdigt die Auszeichnung des LfU auch das Engagement der ehrenamtlichen Naturschutzwächter, die sich um das Gipshügel-Geotop kümmerten und ein Auge darauf hätten, dass dort die geltenden Regeln eingehalten werden. Ziel sei es nicht, dort Massen von Besuchern anzulocken. Vielmehr sollten beispielsweise Grundschulkinder die Schönheit der vorhandenen Pflanzenwelt kennen und schützen lernen.

Am Rande der Veranstaltung erhielten die ehrenamtlichen Mitarbeitenden des GIZ sowie der Sulzheimer Altbürgermeister Michael Geck Urkunden, die deren Verdienste um die Einrichtung würdigten. Akkordeon-Spieler Felix Leibold umrahmte die Feierstunde musikalisch.
Die Sulzheimer GipshügelAufgrund ihrer Einzigartigkeit wurden die Gipshügel zwischen Sulzheim und Grettstadt im September 2010 mit dem Prädikat "Bayerns schönste Geotope" ausgezeichnet. Dieses Gütesiegel des Umweltministeriums tragen maximal 100 Geotope im Freistaat.Geprägt ist das Geotop durch Gips, Dolinen und Erdfalltrichter. Derartige Karstgebiete gibt es nur an wenigen Orten in Bayern. Seltene Steppenflorengemeinschaften können sich dort entwickeln und sind von großer ökologischer Bedeutung. Sie gelten als einmalig in Deutschland und sind durch Federgras, Steppenwolfsmilch, Dänisches Tragant und Frühlings-Adonisröschen gekennzeichnet.Quelle: LfU