Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten
Stadt Schweinfurt
Icon Pfeil nach unten

Schweinfurt: Von den Nazis ermordet und lange vergessen: Jetzt gibt es einen Erinnerungsort für 75 Schweinfurter Juden

Schweinfurt

Von den Nazis ermordet und lange vergessen: Jetzt gibt es einen Erinnerungsort für 75 Schweinfurter Juden

    • |
    • |
    Freuen sich über die Verwirklichung des Projekts Denkzeichen in Schweinfurt: (v.l.) Bildhauerin Steff Bauer, Diplomingenieur Sven Knobling sowie Johanna Bonengel und Hannes Helferich von der Initiative gegen das Vergessen.
    Freuen sich über die Verwirklichung des Projekts Denkzeichen in Schweinfurt: (v.l.) Bildhauerin Steff Bauer, Diplomingenieur Sven Knobling sowie Johanna Bonengel und Hannes Helferich von der Initiative gegen das Vergessen. Foto: Oliver Schikora

    Es ist ein Satz, den man nicht oft genug wiederholen kann: "Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." Er stammt von George Santayana, ein spanischer Philosoph und Schriftsteller. Und er beschreibt, wie der Nagel auf den Kopf getroffen, die Beweggründe der Schweinfurter Initiative gegen das Vergessen, sich seit Jahrzehnten dafür einzusetzen, die Geschichte der Schweinfurter Zwangsarbeiter in Erinnerung zu rufen, und die Geschichte der aus Schweinfurt vom nationalsozialistischen Terrorregime deportierten und im Konzentrationslager ermordeten 75 Jüdinnen und Juden. 

    Nun ist der Initiative um ihre Sprecherin Johanna Bonengel ein Meilenstein gelungen. Am 10. November wird mit einem großen Festakt der Erinnerungsort "Denkzeichen" der Öffentlichkeit übergeben. Dabei handelt es sich um eine Wandinstallation an der Stadtmauer in der Nähe des Durchgangs zum Châteaudun-Park, mit der an die 75 Personen erinnert wird, "die der menschenverachtenden Politik der Nationalsozialisten zum Opfer fielen, nur weil sie Jüdinnen und Juden waren", so Johanna Bonengel.

    Das Projekt wurde lange geplant, umso größer ist nun die Freude, dass die Eröffnung kurz bevorsteht. Die rund 60.000 Euro Kosten wurden durch Spenden von Firmen und Privatpersonen sowie Förderung durch verschiedene Schweinfurter Stiftungen bezahlt.

    Neben dem Erinnerungsort gibt es auch ein biografisches Gedenkbuch

    Das Erinnerungsprojekt hat zwei Teile, die es zu einem würdigen großen Ganzen machen, bei dem an die Lebensgeschichten der Ermordeten erinnert wird. Zum einen die von der Bildhauerin Steff Bauer in Kooperation mit Diplomingenieur Sven Knobling geschaffene Kunstinstallation an der Innenseite der Stadtmauer, zum anderen ein biografisches Gedenkbuch, verfasst von Johanna Bonengel und Hannes Helferich.

    Dieses Buch mit dem Titel „Sie lebten mitten unter uns. Verfolgt. Deportiert. Ermordet. Lebensgeschichten Schweinfurter Jüdinnen und Juden“ wird am 30. Oktober um 19.30 Uhr in der Disharmonie präsentiert. Die Wandinstallation wird am 10. November um 11 Uhr den Bürgerinnen und Bürgern übergeben. Dass es ein wichtiger Tag ist, zeigt die Gästeliste: Es kommen unter anderem der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung und frühere Kultusminister Ludwig Spaenle, Oberbürgermeister Sebastian Remelé, die Rabbinerin Antje Deusel aus Bamberg und Eytan Tel-Tsur, ein Nachkomme der jüdischen Schweinfurter Familie Schelzer, der jetzt in Israel lebt.

    Ein zentraler Ort als Erinnerung an Menschen, die mitten unter uns lebten

    "Wir wollen nicht schweigen, wir wollen erinnern", umschreibt Johanna Bonengel den Ansatz der Initiative gegen das Vergessen. Aus ihrer Sicht ist auch der in Absprache mit der Stadtverwaltung und dem Ältestenausschuss gewählte Platz ein "würdiger, zur Meditation einladender Denkort auf Augenhöhe". Die Anwohner hätten sich jedenfalls sehr angetan von dem Projekt gezeigt.

    Die Stadtmauer ist außerdem zentral im Schweinfurter Stadtleben, außerdem war laut Bonengel einstmals auch ein jüdischer Friedhof in der Nähe des jetzigen Standorts. Als Material für die Installation wählten die beiden Künstler bewusst rauen, rostigen Cortenstahl, der sich dennoch harmonisch dem Wesen der Stadtmauer anpasst. Für Steff Bauer war es wichtig, eine Art "Weltengebäude" zu schaffen. Auf dem Dach steht geschrieben "Sie lebten mitten unter uns", auf den acht Säulen, die das Haus bilden, sind die Namen der 75 ermordete jüdische Menschen zu lesen. Jeweils der Name, Geburts- und Todesdaten sowie die letzte freiwillig gewählte Wohnadresse in Schweinfurt.

    Aus Sicht von Johanna Bonengel gibt man so "den Opfern ihre Namen, ihre menschliche Würde und ihre Identität zurück." Die Installation realisiere eine individuelle Lösung des Gedenkens an die Opfer der NS-Herrschaft, "die zusammen an einem zentralen Ort in die Gemeinschaft und den Schutz der Stadt zurückgeführt werden." Für Steff Bauer ist darüber hinaus die Idee mit dem QR-Code bemerkenswert. Der führt auf eine Internetseite mit Kurz-Biografien der jeweiligen Personen. 

    Ausführlich kann man die Lebensgeschichten der 75 Opfer im biografischen Gedenkbuch nachlesen, das von Johanna Bonengel und Hannes Helferich verfasst wurde. Außerdem übernehmen die Walther-Rathenau-Schulen die Patenschaft für den Erinnerungsort und entwickeln ein pädagogisches Konzept.

    Das Begleitprogramm rund um die Eröffnung des Erinnerungsortes DenkzeichenAm Mittwoch, 30. Oktober, wird um 19.30 Uhr in der Disharmonie das biografische Gedenkbuch "Sie lebten mitten unter uns. Verfolgt. Deportiert. Ermordet. Lebensgeschichten Schweinfurter Juden" vorgestellt. Musikalisch begleitet wird die Vorstellung von Anton Mangold. Am Samstag, 9. November, gibt es um 11 Uhr eine Führung durch das jüdische Schweinfurt von Gerhard Rauscher und Norbert Lenhard. Treffpunkt ist am Rückert-Denkmal am Marktplatz.Der Erinnerungsort Denkzeichen an der Stadtmauer beim Châteaudun-Park wird am 10. November um 11 Uhr mit einem Festakt der Öffentlichkeit übergeben. Am Montag, 11. November, gibt es ab 11 Uhr ein Gespräch mit Eytan Tel-Tsur aus Israel in den Rathenau-Schulen sowie um 19 Uhr im Kino KuK den Film "Leo und Claire". Das Museum Otto Schäfer bietet am Sonntag, 24. November, um 18 Uhr einen Vortrag "Antisemitismus. Erscheinungsformen und historische Bezüge" von Markus Roth.Quelle: oli

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden