Bei Minusgraden und Nebel versammeln sich drei Männer bei ihrer Bootsanlegestelle in Ochsenfurt. Während sich auf den stillen Seitengewässern des Mains bereits Eisdecken gebildet haben, sind die Mitglieder der Fischerzunft im Einsatz.
Heute gibt es auf dem Main keine Fischer mehr, die hauptberuflich vom Fischfang leben, doch das Handwerk wird von Nebenerwerbsfischern hochgehalten. Einer davon ist der 65-jährige Karl-Heinz Grünsfelder. Er ist in eine Fischerfamilie hineingeboren. "Seit dem zehnten oder elften Lebensjahr sind wir auf dem Main", sagt er. Auch sein Vater und sein Großvater seien schon Fischer gewesen.

Den Fischern auf dem Main in Ochsenfurt ist das Tierwohl wichtig
Der 65-Jährige ist Obermeister der Fischer- und Schiffer-Innung Ochsenfurt. Gemeinsam mit Michael Rohde, dem zweiten Vorsitzenden und Lukas Schmidt, ebenfalls ein Mitglied der Zunft fährt er auf den Main. Ihr Ziel: ein guter Fang. Zehn einwandige Stellnetze, auch Kiemennetze genannt, haben die Fischer am Vortag ausgelegt. Am besten sei es, die Netze über Nacht und nicht länger als 15 Stunden auszulegen. "Es geht ja auch um das Tierwohl", sagt Karl-Heinz Grünsfelder.
Auf ungefähr zwei von insgesamt 524 Flusskilometern gilt es, die Netze mit Längen von 25 und 50 Metern und Maschengrößen von 40 bis 70 Millimeter Durchmesser einzuholen. Das Fischen mit Stellnetzen ist eine gängige Methode, bei der die Netze senkrecht ins Wasser gestellt und mit Schwimmkörpern und Gewichten in Position gehalten werden. Je nach Größe der Maschen bleiben unterschiedliche Fischarten mit ihren Kiemen hängen.

Dieses Mal sind die drei Männer nicht auf die kleinen, als fränkische Delikatesse beliebten Meefischli aus, sondern auf etwas größere Beute. Nach wenigen Metern mit dem Schelch, einem länglichen Kahn mit doppeltem Boden, erreichen die Fischer das erste Netz. Langsam aber sicher navigiert der 65-Jährige den Schelch am Netz entlang, während Rohde und Schmidt das Netz Meter für Meter einholen.
"Im Winter haben die Fische die beste Qualität."
Karl-Heinz Grünsfelder, Obermeister der Fischer-Schiffer-Innung Ochsenfurt
"Oh, da ist schon einer", sagt Rohde. Der erste Fisch, den die Männer an Bord ziehen, ist eine Nase. Diese nachtaktive Fischart kann bis zu 60 Zentimeter lang werden. Im selben Netz haben sich außerdem vier Döbel, die bis zu 70 Zentimeter groß werden können und ein Zander verfangen. "Das sind die teuersten Fische im Main, das ist ein Wildfang", merkt Grünsfelder an. Meistens komme der bis zu 19 Kilogramm schwere und 120 Zentimeter lange Edelfisch aus Fischkulturen und nicht aus der Natur. "Das ist natürlich richtig Bio", fügt der Obermeister noch hinzu.
"Im Winter haben die Fische die beste Qualität", teilt der erste Vorsitzende auf dem Weg zum nächsten Netz mit. Zu dieser Jahreszeit habe das Wasser mehr Sauerstoff. Außerdem wirke sich die Wassertemperatur positiv auf das Fleisch aus, was man teilweise auch am Geschmack merke. Mit dem nächsten Netz ziehen Rohde und Schmidt einen weiteren Döbel aus dem Wasser, sonst bleibt das Netz leer. "Sobald wir was fangen, sind wir glücklich", sagt Grünsfelder über den bisherigen Fang. Die nächsten beiden Netze sind nicht ergiebig.

"In den 50er bis 60er Jahren sind ja die Staustufen gebaut worden, die hat es davor noch nicht gegeben", sagt Grünsfelder. Der Main sei damals nicht ganz so tief und der Fischbesatz noch nicht nötig gewesen. "Die Fische haben sich zu der Zeit noch selbst vermehren können", so der Fischer. "Jetzt hat man da die Schleusen gebaut, dadurch haben die Wanderfische Barrieren bekommen."
Mindestens 60 Prozent aus den Einnahmen aus Erlaubnisscheinen für Angler müsse die Zunft in neuen Fischbesatz investieren. "Unsere Hauptaufgabe ist die Pflege alter Traditionen und unseres Gewässers", so Grünsfelder. Auch das Ausstellen von Angler-Erlaubnisscheinen und Fischereikontrollen gehöre zu ihren Aufgaben. "Es gibt immer etwas zu tun", sagt Grünsfelder über die Arbeit.
Die Arbeit wird belohnt
Werkzeuge und Schelche müssten regelmäßig kontrolliert und gesäubert werden. Auch um die Fische müsse sich gekümmert werden. Doch die viele Arbeit werde belohnt: "Es ist herrlich draußen in der Natur zu sein, wenn da der Nebel über dem Fluss aufsteigt." Früher seien viele Berufsfischer aber nicht nur in der Fischerei tätig gewesen, sondern auch als Sandschöpfer, sagt der Obermeister. Der Sand aus dem Main wurde als Baumaterial weiterverkauft. Im Winter habe man auf dem gefrorenen Main sogar Eis gewonnen.

Heuer dürfe Grünsfelder zwar noch Fische verkaufen, doch fische er meist nur noch für den Eigenbedarf und die Familie. Dafür steht der Nachwuchs schon in den Startlöchern. Seine beiden erwachsenen Töchter seien ebenfalls Mitglied der Fischerzunft, die Ältere arbeite sogar beim Fischereiverband Unterfranken. Bis in die 80er Jahre habe es gedauert, dass Frauen in die Zunft aufgenommen wurden. "Es war ein harter Kampf", meint der 65-Jährige.

Die nächsten beiden Netze sind erreicht und wieder etwas ergiebiger. "Wenn das so weitergeht, sind wir mehr als zufrieden", sagt Grünsfelder. Trotz der Kälte unterhalten sich die Männer lachend. Die Stimmung auf dem Boot ist gut. "Das hängt natürlich auch mit dem Fang zusammen", sagt Grünsfelder mit einem Schmunzeln. Wieder an der Anlegestelle angekommen, präsentieren die drei Fischer stolz, was sie aus zehn Netzen erbeutet haben. 14 Fische verschiedener Sorten gingen über Nacht ins Netz.
