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Würzburg: Vor 70 Jahren: Als Würzburgs Dom vor der endgültigen Zerstörung gerettet wurde

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Vor 70 Jahren: Als Würzburgs Dom vor der endgültigen Zerstörung gerettet wurde

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    Der Dom mit dem eingestürzten nördlichen Seitenschiff und dem ebenfalls eingestürzten Hauptschiff im März 1951. Zu diesem Zeitpunkt schritt der Verfall noch ungebremst voran. Der Fotograf steht neben dem Neumünster, das rechts zu sehen ist.
    Der Dom mit dem eingestürzten nördlichen Seitenschiff und dem ebenfalls eingestürzten Hauptschiff im März 1951. Zu diesem Zeitpunkt schritt der Verfall noch ungebremst voran. Der Fotograf steht neben dem Neumünster, das rechts zu sehen ist. Foto: Wolfgang Schindler

    Als der 29-jährige Lehramtsstudent Wolfgang Schindler, ein begeisterter Hobbyfotograf, im Jahr 1951 an der Ruine des Würzburger Doms vorbeikam, sah er Ungewöhnliches: Ein Traktor schob eine schwere Baumaschine durch das Hauptportal ins Innere des Gotteshauses, das in der Nacht zum 20. Februar 1946 teilweise eingestürzt war. Schindler, den Baustellen in seiner Heimatstadt faszinierten, wollte mehr sehen.

    Als der Weg wieder frei war, ging er durch das Portal und hielt den atemberaubenden Blick auf den Innenraum fest, wo einmal Gläubige in den Kirchenbänken gebetet hatten: Stützen, die die Südwand des Langschiffs stabilisierten, davor ein Schuttberg und ein hölzerner Karren, dahinter ein Gerüst im Chorraum. Der Wiederaufbau des Gotteshauses hatte vor 70 Jahren wirklich begonnen.

    Der Innenraum des im Februar 1946 eingestürzten Würzburger Domes am 10. November 1951. Der Wiederaufbau hat nach jahrelanger Verzögerung endlich begonnen.
    Der Innenraum des im Februar 1946 eingestürzten Würzburger Domes am 10. November 1951. Der Wiederaufbau hat nach jahrelanger Verzögerung endlich begonnen. Foto: Wolfgang Schindler

    Der Kiliansdom, neben Residenz und Festung das wichtigste Wahrzeichen der Bischofsstadt Würzburgs, war beim verheerenden Bombardement des 16. März 1945 als Bauwerk weitgehend intakt geblieben, wenn auch im Innern stark beschädigt und ausgebrannt. Doch dann stürzte im Februar 1946 die nördliche Langhauswand ein, und mit ihr die Dachgewölbe des Hauptschiffs und des nördlichen Seitenschiffs mit unersetzlichen Stuckarbeiten.

    Würzburger Stahl sollte den verbrannten Dachstuhl ersetzen

    Anstelle des verbrannten hölzernen Dachstuhls war in den Monaten zuvor über den Gewölben ein neues Dach aus einer Eisenkonstruktion errichtet worden – aus Stahl der Firma Noell, der ursprünglich für U-Boote gedacht war aber wegen des Kriegsendes nicht mehr gebraucht wurde. In den ausgebrannten Noell-Hallen in der Nürnberger Straße lag dieser zweieinhalb Zentimeter dicke Spezialstahl. Zehn Zentimeter breite Streifen wurden zu T-förmigen Profilen zusammengeschweißt, die im Winter 1945/46 die Tragekonstruktion des neuen Daches bildeten.

    Wichtigste Aufgabe des Daches: Schutz vor der Witterung. Das war dringend nötig. Wie man vom Neumünster aus sehen konnte, stand das Wasser in den nicht eingestürzten Gewölbeecken des Doms bis zu einem Meter hoch, schreibt Georg Stippler in seiner 2012 vorgelegten Doktorarbeit "Der Wiederaufbau des Würzburger Domes nach dem Zweiten Weltkrieg". Das zunächst nach oben offene Mittelschiff glich am Boden gelegentlich einem See, auf dem man Boot fahren konnte.

    Am 18. Februar 1946 war die neue Stahlkonstruktion des Dachstuhls fertig – und hielt nur zwei Tage. Das Unglück kündigte sich schon vorher an. Bereits am 11. Februar 1946 zeigten sich an einem Pfeiler Risse und einzelne Steinquader begannen zu bröckeln. Am Tag darauf beschleunigte sich der Prozess; am 17. Februar kam ein Wettersturz mit Regenschauern.

    Nachdem am 19. Februar – nur einen Tag nach Fertigstellung des Dachstuhls – am Schenkenturm eine große Sprengung von Restmunition stattgefunden hatte, die die ganze Stadt erschütterte, stellte der Kunsthistoriker Rudolf Edwin Kuhn fest, dass der Zerfall der Pfeiler immer schneller voranschritt. Kuhn erwarb sich zu jener Zeit große Verdienste um die Rettung wichtiger Baudenkmäler. Im Sommer 1945 war er beispielsweise an der Aktion des amerikanischen Kunstschutzoffiziers John Skilton beteiligt, der ein Notdach über Treppenhaus und Kaisersaal der Residenz errichtete.

    Risse in den Pfeilern des Doms

    Kuhn machte laut Stippler den verantwortlichen Architekt auf die Risse in den Pfeilern des Doms aufmerksam. Dieser antwortete jedoch, Kuhn solle sich um seinen "Kunstkram" kümmern, da hätte er genug zu tun. Als Kuhn zu bedenken gab, es knirsche in den Pfeilern, wurde er mit dem Kommentar herauskomplimentiert: "Bei Ihnen knirscht’s im Hirn…"

    In der folgenden Nacht stürzten Teile des Doms mit "Donnergetöse" – so ein Ohrenzeuge – ein; viele Würzburger glaubten an ein Erdbeben. Fassungslos standen die Bürger vor dem neuen Trümmerhaufen, der wie ein Symbol für die Vergeblichkeit aller Rettungs- und Aufbaubemühungen schien.

    Manche machten fälschlicherweise die Stahlkonstruktion für das Unglück verantwortlich. Tatsächlich aber, das ergeben Untersuchungen, war der Dom ein fragiles Gebilde. Die Mauern ruhten nicht auf Fels, sondern in häufig feuchtem Untergrund, und die massiv wirkenden Säulen sahen zwar stabil aus, waren aber innen hohl und mit einem Gemisch aus Schotter und Kalk gefüllt. Die Bombardierung Würzburgs, der Brand des Domes, Munitionssprengungen und ein extrem feuchter Winter gaben dem Gotteshaus den Rest.

    Viele Jahre lang erfolgten nur die nötigsten Sicherungsarbeiten

    Lange gab es danach nur die nötigsten Sicherungsarbeiten, weil es in Würzburg an allem mangelte – an Geld, aber vor allem an Baumaterial. So schritt der Verfall des jahrhundertealten Gotteshauses, das nur noch eine Ruine war, fort.

    Im Mai 1949 zeigten sich an der südlichen Hochschiffwand erneut gefährliche Risse, ja die ganze Wand neigte sich leicht zu Seite und es bestand die realistische Gefahr, dass auch sie einstürzen könnte. In diesem Fall wäre auch das südliche Seitenschiff mit seinem Stuck verloren gewesen. Schnell verstärkte man jeden zweiten Pfeiler mit Stahlbeton, was einige Monate lang auszureichen schien.

    Dann jedoch, so Georg Stippler, wurden an den Pfeilern der Südwand im Dezember 1949 weitere Risse entdeckt. Wieder gab es einen Notbehelf für den immer noch offenen, Wind und Wetter schutzlos ausgelieferten Dom. Diesmal waren es zusätzliche spezielle Bolzen an den noch stehenden Pfeilern. Auf Dauer konnte das aber keine Lösung sein. Überall in der Innenstadt hatte inzwischen der Wiederaufbau begonnen und so musste jetzt auch für den Dom eine Lösung her – mit Geld aus München.

    Im Jahr 1951 wurde der Dom zu einer Großbaustelle. Durch das – beim Wiederaufbau später verkleidete – Hauptportal fuhren Baumaschinen.
    Im Jahr 1951 wurde der Dom zu einer Großbaustelle. Durch das – beim Wiederaufbau später verkleidete – Hauptportal fuhren Baumaschinen. Foto: Wolfgang Schindler

    Im Juni 1951 ging es im Bayerischen Landtag um den maroden Dom, der dem Untergang geweiht schien. Kurz vor der entscheidenden Sitzung wandte sich die Domkirchenstiftung an die fränkischen Landtagsabgeordneten mit der Bitte, für den Wiederaufbau 500.000 DM bereitzustellen, sonst sei das Gotteshaus endgültig zerstört. Tatsächlich war der Blick in den dachlosen Innenraum erschütternd; hier wuchsen inzwischen Sträucher und kleine Bäume. Am 22. Juni 1951 wurde das Geld schließlich freigegeben.

    Nun dauerte es nicht mehr lange, bis Bauarbeiter anrückten. Ihre Aufgabe war, wie die Main-Post damals berichtete, die Rekonstruktion der eingestürzten Nordwand in ihrer früheren Form, allerdings mit verstärkendem Eisen – wieder von Noell – im Innern. Zuvor galt es jedoch, stabile Fundamente unter der Wand zu schaffen, was mit reichlich Beton geschah.

    Doch wie sollte das Langhaus künftig aussehen? 1951 war laut Main-Post geplant, nach der Errichtung der Nordwand ein Deckengewölbe über dem Langhaus zu bauen, das dem alten gliche – also wieder ein barockes Rundgewölbe wie vor dem Einsturz sein sollte. Sogar der Ersatz des verlorengegangenen Stucks war damals denkbar. "Ob die Stuckierung wieder vorgenommen werden soll, bleibt späteren Zeiten überlassen", stand in dem Artikel. "Der Stuck könnte, wie das Falkenhaus beweist, von heute lebenden Künstlern ohne weiteres ersetzt werden, wenn die finanziellen Mittel hierfür vorhanden wären."

    Zunächst wurde jedoch – ohne über die endgültige Gestaltung der Decke zu entscheiden – zwischen der neu errichteten Nordwand und der stehengebliebenen Südwand ein neuer Dachstuhl aufgerichtet, ebenso wie über dem nördlichen Seitenschiff. Richtfest war am 28. Oktober 1952. Später fiel dann nach heftigen, auch öffentlich ausgetragenen Kontroversen die Entscheidung, auf das Tonnengewölbe und neuen Stuck zu verzichten und das Langhaus mit einer romanischen Flachdecke abzuschließen, wie es in früheren Zeiten einmal gewesen war.

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