Per Leserbrief (31. Juni) kritisiert Herr G. T. zurecht die Schlagzeile auf der Titelseite dieser Zeitung vom 28. Juni: "Habeck lässt die Heizkessel drin". Die erinnert ihn an den reißerischen, aber ebenfalls unzutreffenden Titel der "Bild"-Zeitung: "Habeck reißt die Heizungen raus".
"So befeuern einst seriöse Medien den Populismus", schreibt auch Herr R. B. (selbst Journalist einer anderen Zeitung) auf Facebook über den Titel dieser Zeitung. Denn nie sei anderes geplant gewesen (als die Kessel drinnen zu lassen). Das bestätigt G. T.: "So wenig jemals geplant war, dass funktionierende Heizungen ausgetauscht werden müssen (außer nach 30 Jahren, bereits nach einem früheren Gesetz)", so wenig passe der reißerische Titel. Immer sei möglich gewesen, defekte Gas- und Öl-Heizungen zu reparieren. Nur bei Totalausfall sollten erneuerbare Energien zum Einsatz kommen.
Ein Faktencheck dieser Zeitung nach eigenen Fehlern
Selbst diese Zeitung hat schon einmal am 5. Mai nach eigenen Fehlern im Faktencheck zu einem Samstagsbrief feststellen müssen: "Einen Tausch funktionierender Öl- und Gasheizungen in Bestandsgebäuden sieht die Reform des Gebäude-Energiegesetzes (GEG) zunächst nicht vor. Erst ab 2045 dürften demnach fossil befeuerte Heizungen nicht mehr betrieben und Gaskessel nur noch eingebaut werden, wenn sie zu 100 Prozent mit grünen Gasen befeuert werden."
Hinzugefügt war: "Bei all dem, was derzeit diskutiert wird, handelt es sich allerdings erst um einen Gesetzentwurf, der zwar vom Kabinett verabschiedet, aber noch nicht vom Bundestag beschlossen ist." Diese Erklärung war wohl noch nicht überall in der Redaktion angekommen.
Eine Klarstellung des falschen Titels wäre notwendig gewesen
Eine Wiederholung dieser Sätze aus dem eigenen Faktencheck vom 5. Mai unter dem Leserbrief von G.T. in der Zeitung vom 31. Juni wäre gut gewesen. Sie hätte dessen berechtigte Kritik bestätigt und wäre zudem zur notwendigen Klarstellung des falschen Titels geworden.
Mehr Ehrlichkeit habe ich hier schon am 13. Mai vermisst. Die erklärende Überschrift lautete: "Recherchen vorher sind besser als ein Faktencheck hinterher". Darin ist darauf hingewiesen, dass ein falscher Tatbestand die Meinung schwächt, die sich darauf stützt. Bestes Fundament für Fakten sind allemal eigene Recherchen.
Die Überschrift muss zum Text passen
Wichtig ist im aktuellen Kontext noch: Nicht der Autor des Textes, in diesem Fall der Berlin-Korrespondent Christian Grimm, verantwortet die Schlagzeile vom 28. Juni, sondern die Redaktion in Würzburg. Die übernahm seinen Artikel von der Augsburger Allgemeinen, die selbst aber differenzierter titelte: "Gasheizungen dürfen noch länger laufen". Ob dieser fortgeschrittenen Kooperation habe ich bereits 2022 erklären müssen: "Wer in der Redaktion verantwortlich ist für einen reißerisch wirkenden Titel".
Nationale Zeitungsbeiträge für die gedruckten Main-Post-Titel entstehen mittlerweile fast alle in Augsburg. Dabei kommt es vor, dass die dabei mitgelieferten Überschriften wegen einer hier veränderten Artikelbreite umgetextet werden müssen. Die dabei bestehende Entfernung zum Autor bedeutet für die Redaktion, dass sie sich beim Titeln streng an dessen Inhalt orientieren muss. Eigene Informationen oder Stimmungen von außen darin einzufangen, wird dem Beitrag meist nicht gerecht. Die Überschrift muss zum Text passen.
Was die journalistische Rolle erfordert
Diese meine Zeilen kommentieren nicht die aktuelle Politik und nicht das Gebäude-Energiegesetz. Sie sollen daran erinnern, dass in den zunehmend harten, sehr emotional geführten Kontroversen und bei unklaren oder verwirrenden Sachverhalten, gerade Journalistinnen und Journalisten immer streng zu vorhandenen Fakten stehen müssen.
Sie sollten Unsicherheiten nicht noch verstärken. Das gilt unabhängig von den dazu vertretenen Meinungen. Genau das erfordert ihre Rolle. Glaubwürdigkeit muss in jedem heftigen Meinungsstreit für sie sprechen.
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu Überschriften:
2023: "Überschriften sollen Aufmerksamkeit erregen - sie können aber auch trügerisch sein"
2022: "Wenn eine Spaltung in der Schlagzeile den Trennungsgrundsatz trifft"
2022: "Warum fragende Überschriften nicht für Klein-Erna entstehen"
2021: "Wie ein Leser zu einer klaren Überschrift beigetragen hat"
2019: "Fragezeichen in Schlagzeilen wohlüberlegt setzen"
2018: "Verharmlosende oder spaßige Schlagzeile vermeiden"
2016: "Trügerische Überschrift"
2016: "Vom Bewusstsein für eine korrekte Überschrift im Stich gelassen"