30 Jahre, nachdem der Künstler Gunter Demnig den ersten Stolperstein verlegt hat, will auch die Stadt Haßfurt mit den inzwischen berühmt gewordenen, in den Boden eingelassenen Messingtafeln an ihre jüdischen Opfer von Nationalsozialismus und Holocaust erinnern. Das hat der Stadtrat Haßfurt am Montag einstimmig beschlossen.
Erinnerung an über 75.000 Einzelschicksale
Mittlerweile nennen in Deutschland und 28 anderen europäischen Ländern über 75.000 Stolpersteine meist vor den einstigen Wohnhäusern der Betroffenen die Namen, Geburts- und Sterbedaten (soweit bekannt) von Personen, die vertrieben, deportiert, ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden. So groß diese Zahl auch sein mag, so winzig ist sie im Vergleich mit den sechs Millionen Juden, die nach Schätzung von Experten durch den Rassenwahn und Vernichtungswillen der Nationalsozialisten ums Leben gekommen sind.
"Die Stadt Haßfurt möchte mit der Umsetzung der 'Stolpersteine' ein weiteres Zeichen für ein tolerantes, weltoffenes und geschichtsbewusstes Haßfurt setzen."
Bürgermeister Günther Werner
In Haßfurt, wo jüdische Bevölkerung erstmals zu Beginn des 15. Jahrhunderts urkundlich belegt ist, sollen zur Zeit der Machtübernahme der Nationalsozialisten noch weit über 100 Juden gelebt haben. Bis 1938, dem Jahr der Novemberpogrome, emigrierten viele von ihnen oder zogen in andere Städte. Die verbliebenen Juden wurden Anfang 1942 nach Izbica bei Lublin beziehungsweise das Ghetto Theresienstadt deportiert, wie aus der Internetseite "Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden in Deutschland" hervorgeht. Der Shoah, dem Völkermord an den Juden, sollen 40 in Haßfurt geborene oder hier längere Zeit angesiedelte Männer, Frauen und Kinder jüdischen Glaubens zum Opfer gefallen sein.

Den Antrag zur Umsetzung der Gedenkinstallation "Stolpersteine im öffentlichen Raum" der Kreisstadt hatten alle fünf Stadtratsfraktionen – Wählergemeinschaft, CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Junge Liste – gemeinsam eingereicht.
Eine Liste der Personen, die für einen Stolperstein in Frage kommen
Als Ideengeber bezeichnete Bürgermeister Günther Werner den Mitbürger Alex Klubertanz, der seinen Angaben zufolge enge Kontakte zu Josef Schuster, dem Zentralrat der Juden in Deutschland, hat. Auch die evangelische und katholische Kirche in Haßfurt werden das Projekt unterstützen, kündigte der Bürgermeister an. Stadtarchivar Thomas Schindler erstellt, so war am Rande der Sitzung zu Erfahren, derzeit eine Liste mit Personen, die für eine "Würdigung" mit einem Stolperstein in Frage kommen. Dann geht es auch darum, die geeigneten Standorte für die Messingtafeln zu finden.

"Die Stadt Haßfurt möchte mit der Umsetzung der 'Stolpersteine' ein weiteres Zeichen für ein tolerantes, weltoffenes und geschichtsbewusstes Haßfurt setzen", verkündete Bürgermeister Werner am Montag. Die Finanzierung des Projektes soll über Spenden von Privatpersonen, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen sichergestellt werden; ein gemeinnütziger Verein werde zu diesem Zwecke ein Konto einrichten. Die Stadtverwaltung hat nun den Auftrag, das Projekt in die Wege zu leiten.

Das Konzept der Stolpersteine indes ist innerhalb und auch außerhalb der jüdischen Gemeinde nicht unumstritten. Manche Kritiker nehmen daran Anstoß, dass die Betonwürfel mit einer Kantenlänge von etwa 10 Zentimeter und ihrer Messingtafel an der Oberfläche buchstäblich mit Füßen getreten und eventuell beschmutzt werden, wenn Passanten absichtlich oder unabsichtlich über sie hinweglaufen. Das sei entwürdigend für die Opfer. Manche Städte und Gemeinden sprechen sich deshalb bewusst gegen die Verlegung der Stolpersteine aus.

Ganz anders hatten dies in jüngster Vergangenheit zum Beispiel der Wonfurter Heimatforscher Raimund Vogt und seine in Würzburg lebende Tochter Elisabeth Steinwachs gesehen: Beide hatten mit Beharrlichkeit und viel Engagement darauf hingearbeitet, dass die einstige Wonfurter Jüdin Klara Krapf, ermordet 1943 in Theresienstadt, "ihren Stolperstein" in Würzburg bekam, von wo aus sie ins Vernichtungslager geschickt wurde – damit die Frau und das Verbrechen an ihr nicht in Vergessenheit geraten und Mahnung an die kommenden Generationen sind.