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Ettleben: Biogasanlage bei Schweinfurt: Warum diese Energie nur bedingt eine Alternative zu russischem Erdgas ist

Ettleben

Biogasanlage bei Schweinfurt: Warum diese Energie nur bedingt eine Alternative zu russischem Erdgas ist

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    Die Gemeinschafts-Biogasanlage in Ettleben (Lkr. Schweinfurt) versorgt mehrere öffentliche Einrichtungen wie das Bezirkskrankenhaus in Werneck mit Strom und Wärme. Kann so die Abhängigkeit von russischem Gas verringert werden?
    Die Gemeinschafts-Biogasanlage in Ettleben (Lkr. Schweinfurt) versorgt mehrere öffentliche Einrichtungen wie das Bezirkskrankenhaus in Werneck mit Strom und Wärme. Kann so die Abhängigkeit von russischem Gas verringert werden? Foto: Anand Anders

    Im Zuge des brutalen Angriffs von Russland auf die Ukraine will Deutschland in seiner Energiepolitik künftig unabhängiger vom russischen Gashahn werden. Doch der Hunger von Industrie und Menschen nach Energie ist groß. Im Jahr 2019 lag der Strombedarf in Deutschland nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft bei rund 568 Terrawattstunden. Und die Nachfrage, schätzen Expertinnen und Experten, werde bis 2030 weiter steigen.

    Neben Erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind ist deshalb auch Biogas plötzlich wieder ein gefragter Energielieferant. Könnte Biogas auf dem Land eine Alternative zu russischem Gas bilden? Wenn es nach Ullrich Beck ginge, wäre das durchaus bis zu einem gewissen Grad möglich. Der 49-Jährige ist Geschäftsführer der Firma Beck Naturgas GmbH und betreibt zusammen mit 13 Landwirten aus der Region die Gemeinschafts-Biogasanlage in Ettleben, nahe der Gemeinde Werneck. "Wir könnten sofort zehn bis 20 Prozent mehr Strom produzieren, wenn die Politik uns ließe", sagt Beck bei einem Besuch der Redaktion vor Ort. Derzeit werde eine Mehrproduktion nicht ausreichend vergütet.

    In einer Biogasanlage wird durch das Gären von Biomasse mithilfe von Bakterien Gas erzeugt. Dieses wird anschließend über Rohre zu einem Motor in einem Blockheizkraftwerk weitergeleitet, das daraus Strom und Wärme erzeugt. Die Anlage von Ullrich Beck schafft es so, jährlich rund acht Millionen Kilowattstunde (kWh) Strom und zirka 22 Millionen kWh Gas zu erzeugen, erklärt er.

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    Bemessen am deutschen Stromverbrauch im Jahr 2021, entsprach das bei 83,2 Millionen Deutschen letztlich dem Bedarf von 1320 Einwohnerinnen und Einwohner, erklärt Beck. Was die Gasproduktion betrifft, konnte die Anlage sogar noch eine Schippe darauf legen und 2021 den Bedarf von umgerechnet 1825 Menschen erzeugen.

    Alles außer Holz in die Biogasanlage

    Der Strom und die Wärme der Anlage aus Ettleben fließt jedoch nicht an private Haushalte in der Umgebung, sondern wird hauptsächlich zur Versorgung einiger öffentlicher Einrichtungen in Werneck verwendet. "Wir verkaufen im Jahr zirka 2,08 Millionen kWh Strom an die Balthasar-Neumann-Mittelschule, sowie 3,75 Millionen kWh Strom an das Bezirkskrankenhaus Schloss Werneck", erklärt Beck. Auch das Hallenbad in der Gemeinde wird durch die Anlage versorgt und beheizt.

    Damit die Anlage das ganze Jahr über laufen kann, muss sie ausreichend mit Pflanzen und Gülle versorgt werden. "Hierfür verwenden wir Maissilage, da sie die höchsten Hektarerträge bringt, in der Ackerbauregion Unterfranken zur Auflockerung der Fruchtfolge dient und im Handling auf der Biogasanlage am unproblematischsten ist", sagt Beck.

    Daneben verwenden der gelernte Chemieingenieur und sein Team auch Gräser, Wildpflanzen und Gülle von örtlichen Tierhalterinnen und Tierhaltern zum Erzeugen von Energie. "Im Biogas kann ich letztlich alles vergären, außer Holz." Selbst Speisereste oder Schlachtabfälle wären nutzbar. Für letzteres habe er allerdings in Ettleben keine Genehmigung, so Beck.

    Unterm Strich sind das jährlich um die 9000 Tonnen Gülle, 500 Tonnen Festmist und 13.000 Tonnen Silage von zirka 320 Hektar, aus denen hier vor Ort Energie gewonnen und ins Netz eingespeist wird. Die Biomasse nimmt Beck von landwirtschaftlichen Betrieben aus der Umgebung. Gelagert werden die gewaltigen Mengen in drei riesigen Silos und Gruben, die sich weit über die Anlage erstrecken.

    Im Anbetracht von Klimawandel und einem drohenden Gasstop aus Russland liegen dem Experten zufolge  genau hier die größten Vorteile von Biogas. "Wir können dann Strom produzieren, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht." Biomasse sei nichts anderes als gespeicherte Sonnenenergie und die Gasspeicher samt der Silagevorräte in den Fahrsilokammern letztlich die Energiespeicher, so Beck. Das Material dafür käme autark von der Landwirtschaft vor Ort.

    Warum Biogas auch kritisch betrachtet wird

    Auf der anderen Seite liegen hier aber auch der größte Kritikpunkt von Biogas. Weil Mais als äußerst effizient bei der Energiegewinnung gilt, wird er in großen Mengen von Biogasbetreibern angebaut. Laut Kritikerinnen und Kritikern führt das jedoch zu Monokulturen auf den Äckern und einer höheren Nitratbelastung der Umwelt. Zudem treiben die subventionierten Anlagen die Pachtpreise von Flächen in der Umgebung in teils horrende Höhen.

    Die Silagevorräte in den Fahrsilokammern bilden die größten Energiespeicher einer Biogasanlage. Mithilfe eines Teleskopladers muss ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin die zerhäckselte Biomasse regelmäßig in die Anlage kippen.
    Die Silagevorräte in den Fahrsilokammern bilden die größten Energiespeicher einer Biogasanlage. Mithilfe eines Teleskopladers muss ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin die zerhäckselte Biomasse regelmäßig in die Anlage kippen. Foto: Anand Anders

    Die Folge: vor allem kleinere Betriebe können dem enormen Preisdruck auf Dauer nicht standhalten. Sie verlieren potenzielle Flächen, die dann zur Energiegewinnung genutzt werden, anstatt sie möglicherweise zum Anbau von Weizen oder anderer Lebensmittel zu verwenden. Im Anbetracht einer drohenden Knappheit von Lebensmitteln durch den Krieg in der Ukraine kein unbegründetes Argument.

    Regional sei das sicher ein Thema, stimmt Beck zu. "Hier in Werneck nicht", sagt er. Als Gemeinschaftsanlage befinde sich der Betrieb in der Hand von 13 Landwirten, die nur auf einem Teil ihrer Flächen Biomasse für die Biogasanlage anbauen. Auch die Pachtpreise würden dadurch nicht stärker steigen. Generell, kontert er, habe Unterfranken als Ackerbauregion im Verhältnis einen relativ niedrigen Maisanteil. Eine "Vermaisung" der Flächen sei seinem Eindruck nach daher nicht zu befürchten. "Aus meiner Sicht ist hier die Fruchtfolge entscheidend."

    Kann Biogas eine Alternative zu russischem Gas sein?

    Trotzdem schätzt der Experte die Möglichkeiten von Biogas als Alternative zu Gas aus Russland für nicht allzu hoch ein. Zwar könne man hier an der Anlage in Ettleben durchaus billiger Biogas erzeugen als das Erdgas jetzt und in Zukunft kosten werde, dennoch: "Das Biomassepotenzial von Biogas ist begrenzt."

    Der Anbau benötige ab einem gewissen Punkt im Verhältnis mehr Fläche als sie Windräder und Solaranlagen benötigen würden. "Für mich hängt die Zukunft von Biogas von der Frage ab, was Sonnen- und Windstrom kosten, wenn keine Sonne scheint oder kein Wind weht." Da die Regierung hier künftig massive Investitionen in Solar und Windkraft plane, glaube er nicht, dass sich das alleinige Betreiben von Biogasanlagen in Zukunft rechnen werde. Biogas würde nur im Zusammenspiel mit Wind und Sonne funktionieren.

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